Beim Wirtschaftsforum Neu Denken auf Mallorca ist es nach einem entspannten Eröffnungsabend im Castillo Hotel Son Vida oberhalb von Palma am Freitag (2.6.) mit spannenden und kontroversen Vorträgen und Thesen weitergegangen. Eines der Hauptthemen war die nach Ansicht von mehreren Referenten schwindende Zukunftsfähigkeit Deutschlands - gerade bei der Digitalisierung.

Und im weltweiten Rennen um die vorherrschende Wirtschaftsmacht habe China inzwischen allen anderen Nationen den Rang abgelaufen. Europa und gerade Deutschland sei Weltmeister bei Regulierungen, was die Innovationskraft enorm hemme.

Wolfgang Kubicki für den Auftakt verantwortlich

Den Auftakt in den Tag machte der Vizepräsident des deutschen Bundestags, Wolfgang Kubicki (FDP) mit einem Vortrag zum Thema "Zerstritten, planlos, ideenlos – die Ampel im Vertrauenstief". Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende gab einen Einblick in die derzeitige Stimmungslage der Regierungskoalition, wobei es unter anderem um das vor allem von den Grünen vorangetriebene Heizungsgesetz ging.

Dazu macht Kubicki das Abgleiten Deutschlands in die Rezession Sorgen. Die Hälfte der Bevölkerung glaube inzwischen, der Wohlstand sei nicht mehr zu halten. Und wer eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich oder eine 25-Stunden-Woche fordere, habe von Volkswirtschaft keine Ahnung.

Nur 31 Prozent glauben an eine gute Zukunft für Deutschland

Auch die Migrationspolitik bereite den Menschen zunehmend Bauchweh, was Populisten wie der AfD in die Hände spiele. Das bestätigte auch Renate Köcher, die Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach. Der Vertrauensverlust in die Politik sei groß. Nur noch 31 Prozent der Bürger sind überzeugt, dass Deutschland in zehn Jahren auch noch so gut dasteht wie heute.

Die Mehrheit der Deutschen assoziiere Zuwanderung inzwischen mit Nachteilen, mehr als in anderen europäischen Ländern wie Italien oder Frankreich. Köcher ordnete am Rande in einem kurzen Gespräch mit der MZ aber auch ein, dass zwar die AfD inzwischen auf hohe Zustimmungswerte in Deutschland komme, das aber vor allem im Osten des Landes. "Die, die jetzt zur AfD überlaufen, sind aber keine überzeugten AfD-Wähler", sagte Köcher. "Zwei Drittel von ihnen sagen, dass sie die AfD aus Protest über die Arbeit der anderen Parteien wählen." Die Hälfte der Deutschen glaube mittlerweile, dass das Land seinen Zenit überschritten hat und zurückfällt.

Bei der Digitalisierung ist der Rückstand Deutschlands enorm

Eine These, die dann auch Datev-Vorstand Peter Krug teilte. In der Digitalisierung sei der Rückstand inzwischen so groß, dass er kaum noch aufzuholen sei. Bei der Statistik der Digitalisierungsfortschritte weltweit liege Deutschland auf dem vorletzten Platz. Vor allem die Verwaltung habe riesigen Nachholbedarf.

Es mangele in Deutschland an einer ausreichenden Infrastruktur, an Fachkräften, digitaler Bildung und einem digitalen Ökosystem, in dem die verschiedenen Programme vernetzt seien. Dazu komme, dass in Deutschland viel geredet, aber wenig getan werde. Das Scheitern hätten alle Parteien zu verantworten.

Mit dem neuen OZG (Onlinezugangsgesetz) der Ampel-Regierung sei erstmals ein Schritt in die richtige Richtung festzustellen, auch wenn Deutschland weiterhin zu kompliziert denke und handele. Daten, die die Bürger einmal im Netz etwa bei der kommunalen Verwaltung eingegeben hätten, müssten künftig wieder abrufbar sein, ohne dass man das ganze Formular ein zweites Mal ausfüllen müsse.

Bayerische Grünen-Chefin verteidigt Regierungsarbeit

Dazwischen hatte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, per Videoschalte die Politik der Regierungskoalition verteidigt. Man müsse sehr viel aufholen in kurzer Zeit, was unter 16 Jahren CDU-Regierung liegengeblieben sei. Das gehe nicht von heute auf morgen.

Im Übrigen gebe es kein Heizungsverbot, sondern lediglich die Auflage, dass dann eine Wärmepumpe zum Einsatz kommen müsse, wenn eine Heizung kaputtgehe oder ein Neubau mit einer Heizung ausgestattet werden müsse.

Infineon setzt voll auf Solarenergie

Im zweiten Block ging es dann unter anderem um die wirtschaftliche Stellung Deutschlands im Vergleich zu den Giganten USA und China. Zuvor berichtete allerdings der Aufsichtsratschef von Infineon und früher CEO von VW, Herbert Diess, dass sein Unternehmen nun voll auf die Solarenergie setzt.

Sogar eine Studie des Mineralölgiganten Shell gehe davon aus, dass der Solarenergie die Zukunft gehöre. Die schiere Menge und die immer bessere Speicherung in Batterien führe dazu, dass die Stromerzeugung deutlich billiger werde und damit auch die Stromkosten für die Verbraucher. Auch Autofahren werde durch die Elektrifizierung günstiger als heute.

Diess gab sich optimistisch, dass der Klimawandel aufgehalten werden könne. Inzwischen sei Wirtschaftswachstum komplett entkoppelt vom CO2-Wachstum. Afrika etwa werde das fossile Zeitalter komplett überspringen und direkt auf Elektrifizierung setzen. Die Technik sei da, und noch dazu sei es ein Geschäft, nachhaltig zu wirtschaften.

Keine Angst vor übermächtiger USA

Simone Menne, die Präsidentin Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany, versuchte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein wenig die Angst vor der US-amerikanischen Übermacht im transatlantischen Handel zu nehmen. Der sogenannte Inflation Reduction Act sei nicht unbedingt nur darauf aus, europäische Unternehmen aus Europa weg und in die USA zu locken. Man müsse auch sehen, dass US-amerikanische Unternehmen genauso in Europa investierten.

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In einer Podiumsdiskussion ging es anschließend noch um das Thema "China - Angstgegner oder Partner?". Durchaus kontrovers diskutierten die Referenten der vorherigen Vorträge über die Rolle Chinas in der Weltwirtschaft und -politik. Unter anderem ging es um eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung um Taiwan und die hoch innovative chinesische Technologieszene.