Hier treffen sich die Götter: Die Gärten des Landguts Raixa auf Mallorca

In loser Reihenfolge stellt die MZ öffentliche Gärten auf Mallorca vor. Den Anfang liefern die Beete und Felder des Landguts Raixa, welches im Westen Malorcas liegt.

Bald werden sich Artemis und Apollo in Raixa treffen. Apollo steht ganz oben auf der Treppe. Besucher halten meist unten vor der ersten Stufe inne, um zu seiner Statue hinaufzublicken. Artemis verbirgt sich noch ein wenig. Auf einer der mit Efeu bewachsenen Terrassen taucht plötzlich ein Sonnenhut auf. Er gehört zum Gärtner Pol Petitpierre, der jetzt in voller Größe zu sehen ist. „Er wird auf allen Terrassen die Kräuterpflanze Artemisia pflanzen“, berichtet Jessica Nolte. Die Tochter deutscher Eltern ist auf der Insel aufgewachsen und verantwortlich für Führungen in Raixa. Artemis, so erklärt sie, ist in der Mythologie die Zwillingsschwester Apollos (der botanische Name lautet Artemisia maritima, im Deutschen ganz prosaisch „Strand-Beifuß“).

Raixa, Finca, Garten, Parkanlage, Ausflugsziel, Rundgang

Jessica Nolte / Nele Bendgens

Die Geschichte des Landgut Raixas

Die Idee und die Finanzmittel für den Apollo-Garten sowie die Umwandlung der rustikalen Finca zum italienischen Palazzo hatte einst der italophile Kardinal Antoni Despuig y Dameto (1745–1813). Nach seinem Tod wurde das Anwesen verkauft, im 20. Jahrhundert versank es in einen Dornröschenschlaf. 2004 erwarb es der Inselrat Mallorca, um das Landgut nach aufwendigen Restaurierung zehn Jahre später wieder zu öffnen.

Das Landgut Raixa und seine Gärten

Das Landgut Raixa und seine Gärten / Nele Bendgens

Die Bedeutung der Gartendekoration

Seither ist die Treppe gesperrt. Der Weg führt deshalb weiter nach rechts zu einem ebenfalls gesperrten Areal. „Hier stecken 38 Vasen in der Erde, auf jeder ist der Name und das Todesdatum einer Frau zu lesen, die im Jahre 2021 Opfer häuslicher Gewalt wurde“, berichtet Nolte. Vertreter des Inselrats veranstalten hier jährlich Gedenkfeiern, eine Informationstafel wird hoffentlich bald folgen.

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Die ersten Agapanthus-Blüten / Nele Bendgens

Welche Rolle spielt das Wasser

Nach dieser bedrückenden Begegnung mit der so gar nicht göttlichen Realität führt der Weg weiter zu dem ersten der zwei riesigen Wasserreservoirs. Für sie erwarb der bereits betagte Kardinal die Rechte an den Quellen der Possessió Pastoritx und Font des Poll. Durch deren immensen Wasservorräte kam damals die Gartengestaltung so richtig in Schwung. Neben dem oben am Hang gelegenen kleineren Reservoir wächst eine Myrte (Myrtus communis) mit mehreren Stämmen. Die prallen Knospen zeigen, dass hier in Kürze die Blüte auf ihrem Höhepunkt sein wird.

Rechter Hand erhebt sich der Berghang Sa Muntanyeta mit mediterranem, meist niedrigen Sträuchern. Bergab wird nun der legendäre Wasserspeicher safareig erreicht. Zu seiner Füllung mit zehn Millionen Liter Wasser tragen zahlreiche canaletas bei. Er diente damals wie heute zur Bewässerung der Beete und Felder, erfüllte aber auch die Sehnsucht nach romantischen Seen.

Die Gebäude in Raixa

Von dort sind es nur ein paar Schritte zum Gebäudekomplex des Landguts. Hier versammeln sich an diesem bewölkten Dienstagmorgen bereits viele Menschen, pro Jahr sind es in Raixa rund 25.000 Besucher. Zu sehen ist in den Räumen eine Dokumentation über das Tramuntana-Gebirge sowie wie ein Video über die Entstehung der Gärten.

In der Mitte des Gebäudekomplexes befindet sich, wie es sich für ein Landgut dieser Größe gehört, ein riesiger Patio mit einem Boden aus Natursteinen. An einer Seite klettert Wilder Wein (Vitis vinifera)die Wand hinauf. Die Mauer gegenüber ist so dicht wie ein Vorhang mit der Kletterpflanze Katzenkralle (Bignonia unguis-cati) bewachsen. Sie hält sich mit krallengleich gebogenen Blattranken ohne Kletterhilfe an der Mauer fest.

Eine Vielfalt an Flora

Im Übrigen sind hier alle Pflanzen zu sehen, die auf der Insel als plantas de salón Räume und Patios schmücken. Vom Philodendron (Monstera), der hier sogar süße essbare Früchte bildet, über prächtig gedeihende Cycas und andere Farne bis hin zu den Schusterpalmen (Aspidistra). In der Mitte wurzelt im ausgesparten Steinboden ein Zürgelbaum (Celtis australis). Er ist mit etwa zwanzig Jahren ziemlich hoch, aber trotzdem noch jung. „Zürgelbäume sind häufig die höchsten Baume eines Landguts, man schätzte sie als Blitzableiter“, erklärt Nolte. Den Vorgänger des Zürgelbaums hier habe tatsächlich ein Blitz erschlagen, er hätte dies nicht überlebt.

Die Pflanzen in den Gärten der Finca Raixa

Die Pflanzen in den Gärten der Finca Raixa / Nele Bendgens

Durch einen Rundbogen führt der Weg nun in den Loggia-Garten. Bei der Neugestaltung ist der ornamentale Grundriss zum Vorschein gekommen. Außen rahmen Beete –durch Wege unterbrochen – kreisförmig vier abgerundete Dreiecke in der Mitte ein. Hier spielt die Gestaltung mit dem Wechsel von Grüntönen der Hecken, wie zum Beispiel in Graugrün der Gamander (Teucrium fruticans), das Dunkelgrün tragen Mastixhecken (Pistacia lentiscus) und Myrte bei.

Die Immergrünen bieten blühenden Pflanzen einen Rahmen. So stehen beispielsweise zahlreiche Exemplare der blaublütigen Schmucklilien (Agapanthus) kurz vor dem Höhepunkt der Blüte, zu Ende geht diese bei der China-Rose Multabilis. Aus den Beeten ragen Washingtonia- sowie Dattelpalmen, aber auch eine Norfolktanne (Araucaria). „Wenn diese Tanne höher als das Dach war, sägte man häufig die Krone ab“, erklärt Nolte. Denn dies wäre ein Zeichen für den baldigen Tod des Besitzers gewesen. Die Norfolktanne in Raixa ragt übrigens weit über die Dächer der Gebäude hinaus.

Die Arbeit im Garten

Neben dem Loggia-Garten liegen eine Orangenplantage mit einer Sammlung alter lokaler Sorten sowie ein Terrain für Reben der Desserttraubensorte Malvasia. Auf einem für Besucher nicht zugänglichen Areal werden Menschen mit Behinderung im Anbau von biologischem Gemüse ausgebildet. Diese Gruppe hilft auch aus, wenn Petitpierre und seinem Gärtnerkollegen die Arbeit über den Kopf wächst.

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