Enteignungen in Millionenhöhe: Calvià auf Mallorca will unbebaute Küstenabschnitte schützen

Zuletzt ging der Streit um das 155.000 Quadratmeter große Gelände rund um das Fortí de Illetes

Iñaki Moure

Die Küste der Gemeinde Calvià im Südwesten der Insel gilt als Goldmine der Immobilien-Branche. In Bendinat, Illetes und Portals Nous sind Villen im siebenstelligen Euro-Bereich keine Ausnahme, sondern die Regel. So ist es kaum verwunderlich, dass die privaten Besitzer der wenigen noch unbebauten Küstenabschnitte ihre Grundstücke nur ungern günstig hergeben wollen. Doch die Linkskoalition aus PSIB (Sozialisten), Unidas Podemos und Més per Mallorca, die in Calvià regiert, möchte die vor Jahren verkauften Flächen nach und nach für die Allgemeinheit erwerben.

Öffentlicher Park an Schauplatz der Unterdrückung durch Franco

Zuletzt ging der Streit um das 155.000 Quadratmeter große Gelände rund um das Fortí de Illetes. Das ehemalige Militärgrundstück gilt als einer der zentralen Schauplätze der Unterdrückung während der Franco-Diktatur. Schon im Juni 2022 kündigte die Gemeinde an, das Gelände zu einem Park und einer Gedenkstätte umzuwidmen. Der historisch wichtige Ort mit seinem wunderschönen Ausblick und in Teilen unberührter Natur soll dann allen zur Verfügung stehen. Zwar gehen schon jetzt viele Anwohner auf dem nicht abgesicherten Gelände spazieren, doch offiziell betreten sie Privatgelände. Bei einem Park in öffentlicher Hand wäre das anders. Dazu sollen die bisherigen Besitzer enteignet werden.

Rafael Sedano, zuständiger Gemeinderat, zeigt sich beim Telefonat mit der MZ sehr zufrieden. „Wir sind als Gemeinde stolz, diesen historischen Ort zu einer echten Gedenkstätte machen zu können.“ Er freue sich, dass den Bürgern eine weitere Grünfläche mit schönen Aussichten zur Verfügung stehen werde. Allerdings könnte es noch dauern, bis diese Enteignung erfolgreich ist. Und sie könnte Calvià teuer zu stehen kommen.

Denkmal verfallen lassen

Erbaut 1890, um sich vor meerseitigen Angriffen zu schützen, ist das Fortí de Illetes heute vor allem ein Zeugnis der Verbrechen der Franco-Diktatur. Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) und auch in den ersten Jahren der Franco-Diktatur diente es als Gefängnis, mindestens 50 Menschen wurden hier zwischen 1936 und 1942 erschossen. Der Verein Memòria de Mallorca fordert bereits seit Jahren, hier eine Gedenkstätte einzurichten. Denn die privaten Eigentümer hatten die denkmalgeschützte Anlage nach und nach verfallen lassen.

Ohne dass die Besitzer etwas dagegen unternahmen, hausten hier einige Okupas und randalierten Gruppen. Manche Dächer sind inzwischen eingeworfen worden, sämtliche Wände mit Graffitis beschmiert. Die Eigentümer hofften anscheinend, dass sich hier Denkmal- und Naturschutz irgendwann von selbst erledigten. Wenn sie die baufälligen Kasernen und Gefängnisgebäude hätten abreißen dürfen, hätten sie an dieser Stelle mit Blick auf die Bahía de Palma womöglich teure Immobilien bauen können.

Daher entschloss sich das Rathaus von Calvià, das Grundstück zu kaufen. Aber man wurde sich mit den Besitzern nicht einig. Als die Linkskoalition für die Fläche 2,5 Millionen Euro anbot, verlangten die Eigentümer weiterhin 12,5 Millionen. Da die Verhandlungen nicht vorangingen und der Ort der Zeitgeschichte immer weiter verfiel, entschloss sich die Koalition, eine Enteignung einzuleiten.

Wachturm für alle

Dass ein solches Verfahren nicht kostenlos ist, weiß Calvià aus Erfahrung. Im Jahr 2000 beschloss die Gemeinde, einen Küstenstreifen von 18.000 Quadratmetern zwischen Palmanova und Magaluf für 3,8 Millionen Euro zu erwerben. Das Grundstück ist bekannt als Punta Nadala oder auch Torre Nova, und das Ziel der Verwaltung war es, den historischen Wachturm auf dem Gelände sowie die Küste wieder der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Der Wachturm, der nur 40 Meter vom Meer entfernt ist, stammt aus dem Jahr 1616. Von hier wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts Kanonenkugeln gegen feindliche Schiffe abgefeuert.

Nachdem die Besitzer den mehr als stolzen Preis von 70 Millionen Euro verlangten und keine Einigung in Sicht war, beschloss die Gemeinde 2007, zu enteignen. Dafür wurde vom Oberlandesgericht ein Preis von 10,9 Millionen Euro festgelegt. Beide Seiten legten Revision ein, und so verlängerte sich das Verfahren bis zum Februar 2023. Es bleibt dabei, dass Calvià 10,9 Millionen Euro zahlen soll. Dafür musste die Gemeinde ihren Haushalt ändern und 6,9 Millionen aus den Rücklagen verwenden. Denn wenn sie die Summe nicht möglichst bald begleicht, könnten Zinszahlungen hinzukommen.

Darüber hinaus sollen auch die Kart-Rennstrecke und der ehemalige Aquapark bei Magaluf enteignet werden. Dadurch könnte das dortige Feuchtgebiet wieder renaturiert werden, so die Hoffnung. Die beiden Enteignungen zusammen könnten, so eine Studie im Rathaus, die Gemeinde Calvià insgesamt 22 Millionen Euro kosten.

Abonnieren, um zu lesen