Wie sie so daherkommt, wirkt sie auf den ersten Blick eher studenten­haft unbedarft. Doch Sandra Seeling ist fleischgewordene Konzentration und Energie: Mit ihren erst 30 Jahren stellt die Tochter von Deutschen, die sich Mitte der 90er auf der Insel angesiedelt hatten, bereits zum zweiten Mal ein richtiges Filmfestival auf die Beine - das Evolution Film Festival in Palma, das am 7. November beginnt und drei Tage später endet. Immerhin 20 bis 23 Streifen werden insgesamt zu sehen sein, weniger als voriges Jahr, dafür aber mehr Filme mit Spielfilmlänge.

„Ich arbeite fast ohne Budget und mit nur ganz wenigen Helfern", sagt die mittlerweile im Film-Mekka Los Angeles lebende Schauspielerin, Produzentin und Regisseurin. Dass ihr Projekt ungeachtet dessen ein solch vernehmbares Echo hervorruft, kann sie selbst nicht glauben. „War das Evolution Film Festival 2012 noch gar nicht so recht ­beachtet worden, nehmen die Leute aus der Branche uns jetzt ernst und kommen auf uns zu", freut sich das Organisations-Talent, das zehn Jahre ihres Lebens auf Mallorca verbrachte und hier auf einer britischen Schule Abitur machte. Selbst in Los Angeles, wo das international ausgerichtete Festival - es gibt einen weiteren Ableger in Kairo - bereits im Juli ausgetragen wurde, sei sie von Spaniern kontaktiert worden, „die ihre Filme in Palma platzieren wollen."

Beeindruckt vom Erfolg der dreisprachigen Deutschen (sie sprich auch Spanisch und Englisch fließend), stellte ihr die Verwaltung von Palma denn auch diesmal für die Eröffnung keinen geringeren Ort als das feine und plüschige Teatre Principal zur Verfügung. Voriges Jahr hatte Sandra Seeling noch mit dem erheblich rustikaleren Cine Augusta an der Plaça d´Espanya vorlieb nehmen müssen.

Das diesjährige Evolution Film Festival, das als Brücke zwischen den Kulturen verstanden werden soll, wird mit der Präsentation des brasilianischen Spielfilms „Xingú" eröffnet. Schön feierlich in drei Sprachen (Englisch, Deutsch, Spanisch) mit einem Moderator, einem ganz besonderen Gast, den Sandra Seeling noch nicht verraten will, und einem Empfang nach dem Film. „Xingú" handelt von Auseinandersetzungen zwischen Zugezogenen und Indios in einem Urwaldgebiet und der Entstehung einer Freundschaft zwischen den Ex-Kontrahenten. „Thema des Films ist, dass verschiedene Kulturen zusammen mehr erreichen als gegeneinander", sagt die multikulturell Aufgewachsene.

Im Programmkino CineCiutat werden dann am 8., 9. und 10. November die weiteren Filme gezeigt. Die hat sich die fleißige Organisatorin dank guter Verbindungen zu anderen Festivals der Independent-Szene gesichert - auch zu Sundance, dem großen, von Robert Redford erfundenen Festival am Rande des etablierten Hollywood-Betriebs in den USA. „Und auch durch die sozialen Netzwerke und Internetplattformen wie www.withoutabox.com, wo Filmemacher, die noch keinen Vertrieb haben, ihre Werke präsentieren können", sagt Sandra Seeling.

Unter den Filmen sind auch deutsche Produktionen, allen voran der Spielfilm „Die Frau, die sich traut" von Marc Rensing, ein Sportlerdrama um eine 50-jährge Mutter, Oma und Angestellte, die es nochmal wissen und durch den Ärmelkanal schwimmen will. Der Regisseur kommt anlässlich der Aufführung des Streifens extra nach Mallorca.

Hier wie in den anderen Filmen geht es um ein zentrales Thema: „Es kommen Menschen vor, die irgendwann in ihrem Leben an einen Punkt gelangen, an dem sie einen ewig geträumten, ganz großen Traum endlich realisieren wollen", sagt Sandra Seeling. Das gilt auch für die zahlreichen zum Teil sehr intimen Dokumentationen - 40 Prozent sind es beim gesamten Festival - die teils nur mit simplen Hand-Kameras in Familien unter anderem in Krisenstaaten wie Syrien und Afghanistan gedreht wurden.

Und so arbeitet Sandra Seeling daran, ihr geliebtes Mallorca zu nichts Geringerem als einem etablierten Festival-Ort zu machen. Mit 18 Jahren begann sie eine Ausbildung in New York, doch die Insel waberte weiter in ihrer Seele herum: „Sie hat ein ungeheures Potenzial für Filmemacher", ist Sandra Seeling überzeugt. „Dieses Treffen hier muss einfach eine Anlaufstelle für die Industrie werden." Es gehe ihr darum, ein Netzwerk zu stricken, das Mallorca in der Filmbranche international bekannter mache. Das sei dringend nötig. Zuzutrauen ist ihr das allemal, so engagiert und leidenschaftlich, wie sie ihr Ding durchzieht.

Sandra Seeling sucht noch ehrenamtliche Helfer, die sich unter evolutionfilmfestival@gmail.com melden können. Das Festival wird am 7. November im Teatro Principal eröffnet (20.30 Uhr, 5 Euro). Wer sämtliche Filme anschauen möchte, zahlt 20 Euro. Einzelvorstellungen kosten 4 Euro. Tickets unter evolutionfilmfestival@gmail.comwww.evolutionfilmfestival.com

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