Eigentlich hätten zwei große weibliche Stimmen das diesjährige Jazz Voyeur Festival auf Mallorca eingeläutet, doch das Konzert von Maria del Mar Bonet musste verschoben werden. Nun gebührt die Ehre des Auftaktes der portugiesischen Sängerin und Komponistin Dulce Pontes (51), begleitet von Yelsy Heredia (Bass), Luis Guerreiro (Gitarre) und Sergio Fernández (Klavier), und dem mallorquinischen Sonakai Trio als Vorgruppe.

Pontes' musikalisches Register reicht über den Fado weit hinaus; in drei Jahrzehnten Bühnenkarriere arbeitete sie mit Größen wie dem Filmkomponisten Ennio Morricone zusammen. Pontes spricht ein sehr portugiesisch klingendes Spanisch. Die Wärme in ihrer Stimme fließt auch im MZ-Telefongespräch sirupgleich durch den Hörer.

Sie haben kürzlich gesagt: „Musik ist der Honig des Lebens." Kann sie uns mit Livekonzerten auch diese schwierige Zeit versüßen?

Natürlich, das habe ich sehr eindrucksvoll erfahren, ob in Madrid, in Valladolid, in Burgos oder in Granada. Das Publikum war hundertprozentig bei mir. Es gibt eine Art von Umarmung, wenn wir das alle gemeinsam erleben - eine sehr feste spirituelle Umarmung, die über das Physische hinausgeht. Und das ist eben das, was uns jetzt bleibt, nicht? (lacht)

Es gibt also eine Art von Verbindung, die wir über die Musik finden können...

Die gab es aber schon immer, wir nehmen sie nur jetzt noch intensiver wahr. Ich habe immer gesagt, dass ich stets singe, als ob es das letzte Mal wäre. Jetzt fühlt es sich aber tatsächlich so an. Die Realität hat sich geändert, das müssen wir akzeptieren.

Wie haben Sie Ihre bisherigen vier Konzerte in Spanien

Als ich auf der Plaza de Armas vor dem Königspalast in Madrid diese tausend lieben Menschen sah, kamen mir die Tränen. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Als ich dann auftrat, hatte ich mich aber wieder gefasst, denn ich wollte ja nicht völlig aufgelöst die Bühne betreten. Es war sehr eigenartig, die Leute so aufgereiht und mit millimetergenauem Sicherheitsabstand zu sehen. Das kam mir vor wie ein Film. Aber wir erleben das gerade alle, egal bei welcher Aktivität.

Wir dürfen Sie nun beim Jazz Voyeur Festival erleben. Der Leiter Roberto Menéndez sagte in einem Radiointerview, Sie seien eine Mallorca-Liebhaberin.

Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich bald dort sein werde. Ich muss verrückt sein! (lacht) Und ich freue mich wahnsinnig darauf, nach Mallorca zu kommen. Es ist schwierig, etwas herauszugreifen, was mir dort so besonders gefällt. Natürlich liebe ich die Natur und auch die Kraft, die von der Stadt ausgeht, das Essen (sie benutzt die Verniedlichungsform "la comidita") und die Leute. Wir werden auf jeden Fall feiern, in welcher Form auch immer!

Was erwartet uns genau bei Ihrem Konzert im Trui Teatre

Überraschung! (Sie sagt „sorpreeeeeeesa", wobei sich ihre Stimme immer höher schraubt und in Gesang verwandelt. Dann verschmilzt sie nahtlos mit dem nächsten, in tieferer Tonlage gesprochenen Satz) Aber es wird auf jeden Fall Lieder von Elis Regina zu hören geben und natürlich von Amália Rodrigues. Dazu Fados, die ich noch nicht aufgenommen habe, Folklore und Musik aus Kuba. Ich werde auch Carmen Miranda zuzwinkern, die ich seit meiner Kindheit liebe. Ich mache mein Repertoire immer davon abhängig, wie ich mich fühle. Wir werden verschiedene Emotionen durchleben, aber ich glaube, es wird ein fröhlicheres Konzert werden als das, was ich zuvor gemacht habe.

Wie schaffen Sie es, mit dem Fado verwurzelt zu sein und Ihr Herz immer wieder auch für neue Musikrichtungen zu öffnen?

Die tiefste Verbindung habe ich zur portugiesischen Musik, zu den Liedern von Amália und anderen. Das macht meine Hauptidentität aus. Aber Portugal ist selbst eine Mischung aus vielen Einflüssen, das merkt man in der Kultur. Ich folge immer meinem Instinkt und frage mich wie ein süßes Kind (sie kokettiert mit der Anspielung auf ihren Namen, una niña Dulce): Was möchtest du gern singen? Worauf hast du Lust? Die Tatsache, dass ich mit so vielen Musikern aus verschiedenen Kulturen zusammengearbeitet habe und an so viele Orte gereist bin, hat mich sehr weit über den Tellerrand hinausschauen lassen. Abgesehen davon habe ich seit meiner Kindheit alle Arten von Musik gehört. Diese Faszination und Neugier hatte ich schon immer.

Welche Musiker haben Sie im Laufe Ihrer Karriere am meisten inspiriert?

Oh mein Gott, es gibt so unglaublich viele! Natürlich muss ich wieder Amália Rodrigues hervorheben, Elis Regina, aber auch Janis Joplin, Barbra Streisand, Mahalia Jackson oder Diane Schuur. Auch Tschaikowski, Bach und Stéphane Grappelli. Sehr viel klassische Musik. Ich liebe einfach Musik! Obwohl ich jetzt weniger höre als früher, denn ich brauche heute mehr Zeit für die Stille.

Tatsächlich? Brauchen Sie die Ruhe genauso sehr wie die Konzerte, quasi als Ausgleich?

Nein, nein, nein, auf der Bühne zu stehen ist mir wesentlich wichtiger! (lacht) Aber ich höre schon seit Jahren nicht mehr ständig Musik. Ich mache ab und an Yoga und meditiere, und dann brauche ich diese Stille, um meinen Geist zur Ruhe zu bringen und den Kopf frei zu bekommen. Nach der Ruhe strömen mir dann wieder neue Ideen zu. Das ist wie Atmen.

Dulce Pontes, Trui Teatre, 21.11., 20.30 Uhr, Karten ab 27,50 Euro unter mallorcatickets.com