Vorhang auf, der Zauber startet: Der Cirque du Soleil kehrt nach Palma zurück. Vom 5. bis zum 14. August zeigt der kanadische Zirkusriese im Velòdrom Illes Balears die Show „Corteo“, der Kartenvorverkauf hat bereits begonnen. „Corteo“ ist mit Aufführungen in 20 Ländern vor neun Millionen Menschen ein Klassiker des Cirque du Soleil und stammt bereits aus dem Jahr 2005. Entworfen hat die Show Daniele Finzi Pasca. Der 58-jährige Schweizer ist ein großer Name der Showwelt, hat unter anderem die Abschlusszeremonien der Olympischen Winterspiele in Turin und Sotschi verantwortet. „Corteo“ erzählt von der Beerdigung des Clowns Mauro. Sein Geist führt durch den Abend .

Auch Sie haben Ihre Zirkuskarriere als Clown begonnen. Was bedeutet Ihnen diese Figur?

Unter einem Clown stellen sich manche nur eine Figur mit roter Nase und einer kindlichen Sprache vor. Aber das greift zu kurz. Die Welt der Clowns hat viele Formen. Der Clown ist eine Figur, die innerhalb des Zirkus eine Logik hat, innerhalb des Theaters eine andere, in Filmen, wie etwa beim mexikanischen Cantinflas, kann sie noch einmal etwas ganz anderes bedeuten. Es gibt teilweise auch historische Clownfiguren. Ich komme aus der Theaterwelt, schon bei Shakespeare gab es Clowns. Mauro aus „Corteo“ ist eine liebenswerte Persönlichkeit. Diese fragile Figur des Helden, eigentlich ein Verlierer, ist sehr poetisch. Sie ist ein Teil der Art und Weise, wie vor allem wir Menschen aus dem mediterranen Raum von unserem Leben erzählen.

Der Cirque du Soleil ist für spektakuläre Shows bekannt. CIRQUE DU SOLEIL

Seit der Premiere 2005 hat sich die Welt stark verändert. Hat ein Clown nach Finanz- krise, Pandemie und Krieg noch dieselbe Bedeutung?

In Momenten der Krise braucht man Bezugspunkte und Geschichten, die einen verwöhnen, einen streicheln und einem helfen. Die Zärtlichkeit und die Kraft der Träume sind in Krisenzeiten nicht mehr nur ein Vergnügen, sondern werden zu einer Notwendigkeit. Clowns und Shows brauchen wir gerade dann, wenn es uns nicht gut geht.

Die Pandemie war gerade für die Showwelt sehr hart. Wie haben Sie die Zeit erlebt?

Die Pandemie war für viele Menschen hart. Wir dürfen nicht vergessen, wie viele ihre Familienmitglieder verloren haben. Aber ja, für die Showwelt war es ein riesiger Schock. Nie zuvor mussten alle Theater auf der Welt plötzlich schließen. Wir haben im ersten Moment alle weitergearbeitet, weil wir dachten, dass bald alles vorbei sein würde. Doch das war aufreibend. Ich leite selbst eine Kompanie, die Compagnia Finzi Pasca. Als die Pandemie ausbrach, waren wir gerade auf Tour in Mexiko. Wir beschlossen, die Tour abzubrechen und wollten uns zwei Monate später in Korea treffen. Aber auch das ging nicht. Dann sagten wir, wir sehen uns im Dezember, wir sehen uns im Frühling … Viele Kompanien haben das nicht überlebt, viele Kollegen arbeiten jetzt als etwas anderes. Wir alle wussten, wie fragil unsere Arbeit war. Aber wir haben zu spüren bekommen, dass sie noch viel fragiler ist, als wir uns vorgestellt hatten.

Bei „Corteo“ soll auch die Komik nicht zu kurz kommen. Cirque du Soleil

Der Cirque du Soleil meldete Konkurs an und entließ 95 Prozent des Künstlerensembles.

Ich glaube, viele hatten den Cirque du Soleil schon für tot erklärt. Aber es gibt immer wieder Schlüsselfiguren und im Falle des Cirque war es Daniel Lamarre (bis Dezember 2021 Direktor des Cirque du Soleil, Anm. d. Red.). Er war der Kapitän, der es schaffte, das Schiff in diesem heftigen Sturm über Wasser zu halten, während andere untergingen. Zu einem Zeitpunkt, in dem alle sagten, dass der Cirque am Ende war, behielt er das Vertrauen in die richtigen Personen. Wer leitet, braucht diese Positivität und brauchte vor allem während der Pandemie Zuversicht, Hoffnung und Kampfgeist. Als dann der Sturm abflaute und der Wellengang niedriger wurde, schaffte es Lamarre, den Zirkus neu zu organisieren und brachte das Boot in Sicherheit.

Und so können Sie auch wieder auf Tour gehen. Was macht „Corteo“ für Sie besonders?

Das Stück hat wie ich etwas Mediterranes, die Farbe, die Stimmung. Es ist alles eingehüllt in eine imaginäre Vergangenheit, eine nostalgische Gegenwart. Speziell in Europa wird „Corteo“ deswegen sehr geliebt. An anderen Orten gefällt das Stück ebenfalls, weil es ein europäisches Gefühl vermittelt. Außerdem hat „Corteo“ ein außergewöhnliches Konzept, mit dem wir die Art, Zirkus zu machen, verändert haben.

„Clowns brauchen wir gerade dann, wenn es uns nicht gut geht“, sagt Daniele Finzi Pasca. Der Regisseur hat für den Cirque du Soleil die Show "Corteo" entworfen. Cirque du Soleil

Und zwar?

Normalerweise haben Zirkuszelte nur einen Eingang für die Artisten. Viele Zuschauer sehen deswegen einen Teil der Aufführung lang den Rücken der Artisten. Wir haben sozusagen zwei Zelte, zwei Eingänge, die Show fließt an den Zuschauern vorbei. Sie sitzen frontal vor den Artisten, wie im Theater. Dadurch gibt es viel mehr Zuschauer, die alles gut sehen können – auch das Publikum gegenüber.

Sie sagen, das hat den Zirkus verändert. Aber was ist überhaupt ein Zirkus?

Da kommen wir in eine sehr, sehr komplexe Diskussion. Was ist Zirkus? Allgemein ist im Theater vieles im Wandel. Zum Beispiel der Tanz: Es gibt inzwischen ganze Festivals, die sich um modernen Tanz drehen, der ganz anders ist als das, was früher als Tanz definiert wurde. Theater kann unendlich viele Welten beinhalten, die miteinander im Dialog stehen und sich gegenseitig anstecken. Diese Inspiration ist das Fundament unserer Welt. Denn einerseits gibt es strikte Regelwerke. Jemand, der in einer Akademie Flamenco lernt, lernt ein solches Regelwerk. Aber dann kommen Menschen, die zwar Flamenco machen, sich aber von anderer Musik und anderem Tanz anstecken lassen und alles verändern. Das Gleiche passiert in der Küche. Wenn man nach Spanien reist, will man manche Gerichte so essen, wie sie schon die Großmütter in diesem Land gekocht haben. Aber es ist eben auch spannend zu sehen, was junge Köche für Mischungen kreieren. Da kommen andere Gerüche und Geschmäcker hinzu. Das eröffnet neue Horizonte. Also, was ist der Zirkus? Für manche ist Zirkus eine feste Struktur, ein Zelt und wird nur dort gemacht. Mich hingegen interessiert jede neue Form, ich finde das großartig.

Daniele Finzi Pasca hat die Show Corteo für den Cirque du Soleil entworfen. Er denkt, Zirkus kann viele Formen haben. Wie gutes Essen. Viviana Cangialosi, Compagnia Finzi Pasca

Wie sehen Sie den spanischen Zirkus?

Er ist sehr stark an den Tanz, die Musik, die Akrobatik gebunden. Und es gibt den traditionellen Zirkus. Das Wissen darüber wird von Generation zu Generation in der Familie weitergegeben. Daneben ist auch der Cirque Nouveau sehr präsent (zeitgenössischer Zirkus, zu dem sich auch der Cirque du Soleil zählt, Anm. d. Red.). Und Spanien hat eine lange Tradition an großartigen Straßenshows, die Teil der Populärkultur sind. Es gibt Gruppen, die daraus Kunst machen. Gerade an Orten, wo es wie in Spanien eine fantastische Verbindung unterschiedlicher Stile gibt, ist die Debatte darüber groß, was überhaupt noch Zirkus ist. Weil es auch Puristen gibt, die fast schon verzweifelt darauf beharren, dass Dinge nur auf eine bestimmte Weise gemacht werden können.

Der klassische Zirkus mit Pferden und Elefanten wird von Tierschützern kritisiert. Wird es in Zukunft überhaupt noch Zirkus mit Tieren geben?

Die Frage der Tiere ist sehr wichtig. Zum einen ist da der Tierschutz, zum anderen bereits eine lange Tradition zum Beispiel mit Pferden aufzutreten. Wer weiß, wie es da weitergeht.

Und im Allgemeinen? Wie sieht die Zukunft des Zirkus aus?

Was ich glaube, was die Zukunft des Zirkus sein könnte, kann man in meiner Show sehen. Wobei der Cirque du Soleil nach 40 Jahren eigentlich auch schon ein Traditionszirkus ist. Auch in Zukunft kommt es darauf an, dass es Enthusiasten gibt, die immer besser werden wollen. Das gilt für jede Art von Kunst. Wenn man in ein Restaurant geht und merkt, dass in dem Essen keine Liebe drinsteckt, dann geht man nicht mehr hin. Manchmal haben wir Lust, uns schick anzuziehen und in einem Restaurant zu essen, wo uns das ästhetische Konzept überzeugt, wo die elaborierten Gerichte stundenlang gekocht wurden. Am nächsten Tag zieht es uns in eine Taverne, in der es Essen gibt, das uns an unsere Großmütter erinnert. Ich glaube, es ist Platz für alle da. Niemand will immer das Gleiche essen. Das gilt auch für den Zirkus.