Es ist wie eine Pilgerreise, und der Vergleich kommt bei dieser Ausstellung in Palma de Mallorca nicht von ungefähr. Denn der international bekannte brasilianische Künstler Sidival Fila (58) ist zugleich Franziskaner im Kloster San Bonaventura al Palatino in Rom, wo er lebt und arbeitet. Persönliche, spirituelle Sinnsuche und künstlerischer Ausdruck verschmelzen bei Fila zu einer Einheit.

Für die Galeristin María Baró hat der Parcours, den ihre Galerie nun gemeinsam mit der Casa Museo Can Marquès und dem Bistum Mallorca kreiert hat, auch etwas von einer Schnitzeljagd durch die Altstadt: Zum vollständigen Erlebnis gehören alle drei Stationen, die verschiedene Werkphasen von Sidival Fila widerspiegeln.

Der brasilianische Künstler Sidival Fila. Nele Bendgens

Erste Station: Baró Galería

Man beginnt die Tour am besten in der Baró Galería. Hier sind einige Werke aus der Reihe „Metáforas“ präsentiert, Zeugnisse seiner Experimente mit Farbe und gewellter Oberfläche. Fila untersuchte die Möglichkeit, durch Form andere Farbtöne zu erzeugen, indem das Licht anders gelenkt wird. Ein Geflecht aus Fäden fügt dem Ganzen noch eine weitere Dimension hinzu. „Farbe ist Licht. Und hier kann man diese Wahrheit der Physik nachempfinden“, sagt Sidival Fila beim MZ-Besuch.

Der Künstler und Kleriker wirkt keineswegs abgehoben. Temperamentvoll und gestikulierend spricht er von seiner Vorstellung einer Art „chromatischer Energie“. Eine Idee, die man ganz erfasst, wenn man die moosgrün pigmentierten, balkenförmigen Werke aus verschiedenen Blickwinkeln ansieht: Die Fäden wachsen über ihre Materialität hinaus und scheinen eine Schicht aus Licht über den Stoff zu weben. Die Farbe vibriert, flimmert vor dem Auge des Betrachters und entzieht sich einer statischen Existenz.

"Metáforas" von Sidival Fila in der Baró Galería. Nele Bendgens

Zweite Station: Casa Museo Can Marquès

Weiter geht es im wenige Gehminuten entfernten Herrenhaus Can Marquès. Dort wird ein zentraler Aspekt von Sidival Filas Arbeiten besonders deutlich: die Verwendung verschiedener Materialien wie alten Textilien für liturgische Feiern oder Naturobjekten. „Materialien sind in der Lage, Zeit und Erinnerung zu registrieren“, sagt Fila. Somit könnten sie beim Betrachter Emotionen wecken: Man spüre die Geschichte, den Verfall, die Vergänglichkeit und die Ausdrucksstärke der Stoffe. Seine Aufgabe versteht er darin, sie „zum Sprechen zu bringen“.

Besonders angetan haben es Fila die Formen von Ästen, die er für die „Branches sculpture series“ mit Stoffen neu einkleidete. Einer der Zweige im Treppenhaus von Can Marquès zeigt erst bei der Betrachtung von Nahem einen zarten Schimmer. „Ich hatte zuerst Sorge, dass meine Werke im Inneren des Hauses untergehen könnten“, räumt der Künstler ein.

Aus der Reihe "Branches sculpture series" von Sidival Fila Nele Bendgens

Tatsächlich fügen sich die Werke sichtbar, jedoch auf subtile Weise ins Interieur ein: Die Farben der Bilder korrespondieren mit purpurnen Samtvorhängen und Teppichen oder setzen poetische Akzente. Einige Arbeiten bestehen aus wiederverwendetem Material wie der Innenseite eines historischen Kleides oder den Rückseiten von Gemälden aus früheren Jahrhunderten, die im Zuge der Restaurierung in Filas geschickte Hände gelangten: Neu vernäht treten sie aus dem Schatten heraus und bekommen ein zweites Leben.

Filas Arbeiten sollen hier keine Fremdkörper sein, die durch aggressive Präsenz ins Auge springen, sondern vielmehr nach und nach entdeckt werden. Wenn er seine Kunst in unterschiedlichen Kontexten zeigt, erfordere das Respekt: „Ich mag es nicht, Orte zu besetzen oder zu kolonialisieren“, sagt er.

Keine Fremdkörper: Werke in der Casa Museo Can Marquès. Nele Bendgens

Dritte Station: Esglesia Sant Antoniet

Beim dritten Part der Schau in der Esglesia Sant Antoniet bestand die Herausforderung in einem respektvollen Dialog mit der Architektur: Die frei schwebenden Bilder aus alten Stoffen in dezenten Farben greifen die Struktur der Säulen auf und bilden eine Art Kapelle innerhalb der Kapelle. Eine sachte Intervention, die ein anderes Raumerlebnis ermöglicht.

„Die Kunst erlaubt einem den Blick nach innen und den Zustand des Gebets“, sagt Fila. So soll idealerweise am Schluss des Rundgangs der Gang in die Kirche erfolgen. „Sie ist natürlich der spirituellste Ort. Dort kann man sich hinsetzen, zur Ruhe kommen, über die Kunst meditieren und die Erfahrung damit abschließen.“ Der emotionale Höhepunkt einer besonderen Ausstellung.

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Kunst in der Esglesia Sant Antoniet. Nele Bendgens