Widerstand gegen die Nazis, Kunst auf Ibiza: Eine Ausstellung auf Mallorca würdigt Katja Meirowsky

Sie entkam nur knapp der Gestapo und lebte und arbeitete fast 50 Jahren zurückgezogen auf Ibiza: Die große Schau im Es Baluard in Palma ehrt die deutsche Künstlerin Katja Meirowsky und ihr Werk

Katja Meirowsky, von ihrem Mann Karl circa 1948/1949 in ihrem Atelier in Berlin fotografiert.

Katja Meirowsky, von ihrem Mann Karl circa 1948/1949 in ihrem Atelier in Berlin fotografiert. / SAMMLUNG MARIANNE UND REINHARD LIPPECK, POTSDAM

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Es gibt Fälle, bei denen man sich schwer entscheiden kann, was faszinierender ist: die Kunst oder die Lebensgeschichte. Katja Meirowsky (1920-2012) ist so ein Fall. Sie leistete im Umkreis der „Roten Kapelle“ Widerstand gegen die Nazis, war Gründerin mehrerer Künstlerkabaretts in Berlin und die einzige weibliche Malerin der Künstlergruppe Ibiza 59. Obwohl Meirowsky zeitlebens in Galerien ausstellte, blieb ihr bislang – wie so vielen anderen Frauen – ein prominenter Platz in der Kunstgeschichtsschreibung verwehrt. Mit einer von Imma Prieto und Bartomeu Marí kuratierten Schau im Es Baluard bekommt sie nun die verdiente Anerkennung.

Meirowsky kam als Tochter einer polnischen Jüdin und eines italienischen Kommunisten in Straußdorf zur Welt und studierte von 1938 bis 1942 Malerei an der Vorgängerinstitution der Universität der Künste Berlin, bis sie vor der Gestapo nach Polen flüchtete und dort bis Kriegsende im Untergrund lebte. 1945 kehrte sie nach Berlin zurück. In diese Zeit fallen die ersten Arbeiten, die in der Schau zu sehen sind: Kohlezeichnungen, die Holocaust, Verfolgung und Einsamkeit verarbeiten – in einer kraftvoll-reduzierten Bildsprache, die einen bis ins Mark trifft. 

Umzug nach Ibiza

An der Wand gegenüber hängen Werke der Serie „Zurück in der Stadt“ von 1947 – das Panorama der Zerstörung in überwiegend abstrakten, kubistisch-surrealistischen Bildern. Vitrinen in der Mitte ergänzen in diesem wie auch in den folgenden Räumen die Gemälde mit Dokumenten zum Lebensweg der Künstlerin: Fotografien von 1949 zeigen Aufführungen des von Meirowsky mitbegründeten Künstlerkabaretts „Die Badewanne“. Später entstandene Bilder, Illustrationen und Zeitungsausschnitte zeugen von Etappen wie ihrer Ehe mit Karl Meirowsky oder ihrem Haus auf Ibiza. Denn 1953 entschied sich das Paar dazu, auf die Balearen-Insel zu ziehen.

„Als Meirowsky Berlin verlässt, kehrt sie nicht nur einem physischen Ort den Rücken, sondern auch einem Kapitel der Geschichte, und den damit verbundenen Gefühlen“, sagt Bartomeu Marí beim Rundgang durch die Schau. Zwei große Räume sind ihrem Schaffen auf Ibiza gewidmet, wo sie fast 50 Jahre lebte. Hier löst sich die chronologische zugunsten einer thematischen Ordnung auf. Der Kurator erklärt: „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass das Werk von Katja Meirowsky keiner linearen stilistischen Entwicklung folgt. Es zieht eine Spirale, kehrt immer wieder zu Themen und Ausdrucksformen zurück.“ 

„,Formentera, Es Calò“ von 1974.

„,Formentera, Es Calò“ von 1974. / SAMMLUNG MARIANNE UND REINHARD LIPPECK, POTSDAM

Rückzug von der Zivilisation

Marí sieht darin einen Versuch, Wege aus der Kunst der Moderne zu suchen, sich zu befreien – von Konventionen und dem Druck, einen eigenen Stil haben zu müssen. „Alle Künstler landen irgendwann bei einem Stil, an dem sie klar zu erkennen sind. Aber Meirowsky nicht. Es gibt von ihr praktisch keine zwei Bilder, von denen man eindeutig sagen kann, dass dieselbe Künstlerin sie gemalt hat.“

Nachdem Meirowsky die hässlichsten Seiten der menschlichen Zivilisation am eigenen Leib erfahren hatte, suchte sie auf der Insel nach einer anderen Lebensweise –zurückgezogen, mit nur wenigen sozialen Kontakten und viel Nähe zur Natur. Formen des damals noch sehr ländlichen und ursprünglichen Ibiza hielten Einzug in ihre Bilder: Pflanzen, Steine, Strände und Buchten. „Es gab dort ein paar kleine Dörfer, aber keine präsente und erdrückende Kultur“, so der Kurator. Dennoch blieb das Menschengemachte stets die zweite Seite der Medaille, fand ebenso Eingang in Meirowskys Kunst wie die Natur. Diesen Aspekt verdeutlichen die Arbeiten im letztem Raum.

Blick in den hinteren Teil der Ausstellung.

Blick in den hinteren Teil der Ausstellung. / DM

Ein ganz eigenes Kaliber

Meirowsky schuf ein facettenreiches Werk zwischen abstrakter und figürlicher Kunst, Malerei, Zeichnung und Collage. Ihr Rückzug auf Ibiza erscheint uns heute als legitimer Schritt für die Suche nach einer eigenen künstlerischen Identität, war zu jener Zeit aber recht ungewöhnlich, wie Marí betont: Er verweist auf die Lehre, dass der Kubismus mit den Regeln der Bildtraditionen brach und dies eine Kaskade von „Kunstismen“ auslöste – Strömungen der Avantgarde in der Kunst des 20. Jahrhunderts. „Künstler jener Zeit wurden einem dieser ‚Ismen‘ zugeordnet“, sagt er. Doch Meirowsky habe sich dieser Logik entzogen. Ihre Kunst war ein ganz eigenes Kaliber.

Extra-Tipp

Im Rahmen der Ausstellung findet im alten Wasserspeicher (Aljub) des Es Baluard am Dienstag (4. Juni) um 19.30 Uhr ein besonderes Event statt. Die deutsch-spanische, interdisziplinäre Künstlergruppe "Discoteca Flaming Star" zeigt die Performance "Turn around for Here and for Katja Meirowsky". Dazu ließ sich das Kollektiv von Meirowskys experimentellem Künstler-Kabarett "Die Badewanne" (1949) sowie von den Beziehungen zwischen Bild- und Bühnenräumen inspirieren. Das Publikum darf bei der insgesamt 90-minütigen Aufführung nach Belieben kommen und gehen und sogar zwischen den Künstlern Platz nehmen. Der Eintritt ist frei, eine vorherige Anmeldung auf esbaluard.org aber erforderlich.

„Katja Meirowsky. La acción roja y la membrana“, zu sehen bis 25. August, Es Baluard, Plaça de la Porta de Santa Catalina, 10, Palma, Di.–Sa. 10–20 Uhr, So. 10–15 Uhr.

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