Meinung | DER INSELDUDEN

Auf Mallorca lässt sich schwer auf Wunder warten

MZ-Kolumnist Jan Lammers stellt ernüchtert fest, dass nur Disziplin Disziplin oder ein Pakt mit dem Teufel für Wunder sorgen können

Teufel, Feuerwerk und Clownköpfe: So war Sant Antoni in Sa Pobla auf Mallorca

Teufel, Feuerwerk und Clownköpfe: So war Sant Antoni in Sa Pobla auf Mallorca / Pere Joan Oliver

Wunder, außergewöhnliches übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Ereignis

Nicht erst seit Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ ist der Pakt mit dem Satan ein gesellschaftliches Thema. So kann etwa die Verzweiflung manche Menschen dazu verleiten, auf unmoralische Angebote einzugehen, um den Erfolg zu erzwingen, was auf mallorquí im folgenden Ausruf gipfelt: „Ich will ein Wunder, und sei es, dass es vom Teufel stammt“ (Vull un miracle, encara qu’el faci es diable). Im Falle von unverhältnismäßig hohen Erwartungshaltungen erfolgt der mit einem spaßhaften Unterton versehene Verweis darauf, dass man gefälligst „für Wunder nach Lourdes reisen sollte“ (per miracles, a Lourdes). Ein lakonischer Ausdruck, der umso bemerkenswerter ist, wenn man sich eine einst beinahe hermetisch geschlossenen Gesellschaft wie die der tiefgläubigen Inselbewohner Mallorcas vorstellt, für die eine Reise zu jenem weltbekannten Wallfahrtsort kaum infrage kam. Dort soll im Jahre 1858 einer 14-Jährigen beim Holzsammeln wiederholt die Mutter Gottes erschienen sein.

Selbst die Zügel in die Hand nehmen

Anstatt auf Übersinnliches zu warten, kann man ebenso gut selbst die Zügel in die Hand nehmen, was allerdings Willenskraft und Disziplin verlangt, wie ausgerechnet der italienische Dominikanerpriester Thomas von Aquin feststellte: „Für Wunder muss man beten, für Veränderungen muss man arbeiten.“ Denn häufig reichen schon einfache Hausmittel aus, um große Ergebnisse erzielen zu können: „Wasser und Abfall können Wunder bewirken“ (Aigo i fems fan miracles) – Kompost ist eine unabdingbare Grundlagen für erfolgreichen Ackerbau. Auch Besonderheiten der Natur kommen so daher: „Die Wunder des Meeres: Vögel, die schwimmen, und Fische, die fliegen können“ (Miracles de la mar: ets ocells nedar i es peixos volar). Schließlich wusste schon Dostojewski: „Beim Realisten wird der Glaube nicht durch ein Wunder hervorgerufen, sondern das Wunder durch den Glauben.“