Eigentlich ist María Tenorio seit 24. November arbeitslos. Doch wirklich zur Ruhe kam die ehemalige Air-Berlin-Mitarbeiterin seitdem nicht. Arbeitsamt, Sozialversicherung, Anwaltskanzlei, Mitarbeitertreffen, Termine mit Journalisten - die Tage sind weiter ausgefüllt. Und auch, wenn sich das Ende der Airline abzeichnete, muss die Deutsche wie auch die anderen zuletzt 43 Mitarbeiter noch den Schock verdauen. Zumal sie erst am Tag ihrer Entlassung erfuhren, dass ihnen auch die gesetzlich zustehende Mindest­abfindung nicht gezahlt wird.

„Wir waren uns bewusst, dass es nicht so läuft, wie es sollte", so Tenorio, die insgesamt 19 Jahre für Air Berlin arbeitete, zuletzt als Betrugs-Analystin in Sachen Kreditkartenmissbrauch. Nach dem steilen Aufstieg des früheren Mallorca-Shuttles hatte vor rund fünf Jahren der Personalabbau begonnen. Vor zwei Jahren wurde dann das Drehkreuz in Palma eingestellt. Es folgten mehrere Entlassungswellen, die Abtretung des Mallorca-Geschäfts an die inzwischen ebenfalls insolvente österreichische Tochter Niki im Frühjahr dieses Jahres - und am 15. August der Insolvenz-Antrag von Air Berlin.

Derzeit sind von einst mehr als 200 Mitarbeitern in Spanien noch genau drei übrig - sie halten in den zwei Stockwerken im Hochhaus an der Einfahrt zum Gewerbegebiet Son Castelló in Palma die Stellung, bis die hiesige Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG Sucursal en España vollständig abgewickelt ist. In Deutschland dagegen wird sich dieser Prozess noch weit ins kommende Jahr ziehen.

Letzter Statthalter von Air Berlin auf Mallorca war Antonio Rey. Wie die anderen Kollegen ist er spürbar enttäuscht darüber, wie die einstige Erfolgsgeschichte zu Ende gegangen ist. „Die Mitarbeiter, die nach der Entlassungswelle im Februar geblieben waren, haben bis zuletzt an Air Berlin geglaubt", so der ehemalige Standortleiter. Obwohl die vergangenen Monate emotional belastend gewesen seien, hätten praktisch alle im Team weiter vollen Einsatz gezeigt und zusammengehalten wie eh und je, erzählt Ex-Betriebsratsvorsitzende Isabel Moswalder.

Was die ehemaligen Mitarbeiter berichten, klingt wie die Entfremdung des Standorts Mallorca von der in Turbulenzen geratenen Airline - schlug hier einst das Herz von Air Berlin, rückte Palma im Zuge des unkontrollierten Wachstums an die Peripherie. Hielt der einstige Spanien-Chef Álvaro Middelmann früher Pressekonferenzen auf Mallorca ab und war um Stellungnahmen nicht verlegen, zog die Zen­trale in Berlin schließlich immer mehr Befugnisse und die gesamte Kommunikation an sich. Und als schließlich Großaktionär Etihad die Bühne betrat, standen endgültig nicht mehr die Mallorca-Urlauber, sondern die Fernreisenden am Hub in Abu Dhabi im Mittelpunkt.

„Das Drehkreuz in Palma war ein Erfolgsmodell", meint Rey, und Moswalder wie auch Tenorio stimmen zu. Das habe man auch daran gemerkt, dass andere Airlines nach und nach die Lücke bei den Verbindungen aufs spanische Festland gefüllt hätten. „Als Angestellte hier vor Ort haben wir diesen Schritt nicht verstanden", so Moswalder. „Warum gaben wir den Hub in Palma auf, wenn die Flugzeuge fast immer voll waren?"

In den folgenden Monaten gab es dann immer neue Hiobsbotschaften, aber auch vollmundige Versprechungen hinsichtlich der geplanten Umstrukturierung. Auch als die Mallorca-Flüge im Zuge der Neuausrichtung an Niki abgetreten wurden, blieb man zweckoptimistisch. An der Arbeit im Callcenter und in der Verwaltung auf Mallorca habe sich schließlich nichts geändert - davon abgesehen, dass man nun Niki-, statt Air-Berlin-Kunden in der Leitung hatte.

Umso härter traf die Palma-Mitarbeiter die Nachricht vom Insolvenzantrag am 15. August. Abgesehen von der Leitungsebene hätten die meisten davon aus der Presse oder dem Kollegenkreis erfahren. „Ich bekam eine Whatsapp während des Urlaubs", ­berichtet ­Tenorio. Was die Entscheidung für den Standort Palma bedeutete, blieb dabei zunächst unklar - denn die Spanien-Vertretung blieb beim Insolvenzantrag außen vor.

„Wir haben mehrfach Briefe an den Vorstand geschrieben, aber keine Antwort bekommen", so die frühere Betriebsratsvorsitzende. „Wir hatten das Gefühl, ignoriert zu werden." Während in Deutschland das Konkursverfahren eingeleitet wurde, begannen auf Mallorca Verhandlungen zu betriebsbedingten Entlassungen, dem berüchtigten ERE. Bei diesem Verfahren muss nur eine gesetzliche Abfindung von 20 Tagesgehältern pro Betriebsjahr gezahlt werden - statt wie sonst 33 oder mehr Tagesgehältern, in Abhängigkeit vom Beginn des Arbeitsvertrags. Auch diese Mindestabfindung wurde nicht gezahlt. „Und zur Insolvenzkasse können wir nicht gehen, weil unsere Firma in Spanien schließlich nicht insolvent ist", so Rey. Inzwischen habe man deswegen Kollektivklage erstattet und hoffe, aus der verbliebenen Konkursmasse in Deutschland bezahlt zu werden.

Der Jobsuche auf Mallorcas Arbeitsmarkt sehen die Ex-Air-Berlin-Mitarbeiter mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits können sie beste Qualifikationen und langjährige Berufserfahrung im internationalen Umfeld vorweisen. Andererseits sei man sich im Klaren darüber, dass man keine Anstellung mit vergleichbaren Arbeitsbedingungen finden dürfte. „Mallorca hier kann man nicht mit Berlin vergleichen", so Rey mit Verweis etwa auf den Mangel unbefristeter Arbeitsverhältnisse. Hinzu kommt, dass andere Airlines in Spanien ihre Firmenzentralen und damit vergleichbare Jobs in Madrid oder Barcelona haben.

Und Kollegen wie bei Air Berlin werde man auch nicht mehr finden. Die drei Ex-Mitarbeiter erinnern sich daran, wie sie in schwierigen Situationen wie etwa dem Flugchaos im Zuge der Aschewolke zusammen in 16-Stunden-Schichten die Situation meisterten und die Wertschätzung der Kunden erlebten. Moswalder: „Wir waren einfach ein Super-Team."