Nachgefragt: Arbeitet wirklich niemand auf der Baustelle im Peguera-Tunnel?

Seit November ist der Tunnel Son Vic auf der Straße nach Andratx gesperrt. Genervte Autofahrer mutmaßen, dass dort nur auf Sparflamme gearbeitet wird. Von wegen, erwidert der Bauherr

Das Beweisfoto: Im Tunnel von Peguera wird gearbeitet.

Das Beweisfoto: Im Tunnel von Peguera wird gearbeitet. / Consell

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Auf dem Schild, das eine Baustelle im Verkehr ankündigt, ist nur eine Person mit einer Schaufel zu sehen. So ähnlich stellt sich auch das Rathaus von Andratx die Bauarbeiten im Tunnel Son Vic vor, die seit Monaten den schnellsten Weg der Gemeinde zur Außenwelt unterbinden. „Es ist empörend, wie sich ein kilometerlanger Stau bildet, während gerade mal zwei Bauarbeiter am Werk sind, die mit einem Besen und einem Kompressor hantieren“, regte sich der für die Infrastruktur zuständige Gemeinderat Ángel Hoyos schon Ende Oktober auf. Auch MZ-Leser klagen über die vermeintliche Untätigkeit auf der Baustelle. „Wird dort wirklich gearbeitet? Mit wie vielen Personen? Wir haben noch nie ein Auto aus der Tunnelbaustelle fahren sehen“, schreibt eine Leserin. Ihre Kollegen und sie müssten teils mehrfach am Tag die „anstrengende“ Umleitung nach Peguera nehmen, um nach Andratx zu gelangen und wieder zurückzukommen.

Bauherr im Tunnel ist der Inselrat, und zuständig dort ist der Bauingenieur Miguel Ángel Sagrera. Er führt die MZ beim Interview zur Verkehrszentrale, wo die Bilder von Videokameras ausgewertet werden, um rechtzeitig Unfälle und Gefahren zu erkennen. Er schaltet auf die Kamera, die den Peguera-Tunnel zeigt: „Guck, die sind alle am Arbeiten. Da sitzt niemand faul herum und isst bocadillos.“

Erste Reparatur nach 30 Jahren

Der 160 Meter lange Tunnel Sa Coma an der Ortseinfahrt Pegueras von Palma aus gesehen sowie der 840 Meter lange Son Vic nördlich des bei deutschen Urlaubern beliebten Küstenorts in Calvià wurden 1993 fertiggestellt. Heute sind sie wichtige Nadelöhre für den Verkehr im Südwesten der Insel. „Über das Jahr gesehen, durchqueren im Schnitt 30.000 Autos am Tag die Tunnel – in der Hochsaison mehr, im Winter weniger“, sagt Sagrera. Tendenz steigend.

Dass nun nach knapp 30 Jahren Sanierungsarbeiten anstehen, sei normal, meint der Bauingenieur: „Wobei mich das an mein Alter erinnert. Ich weiß noch, wie ich damals auf die Pläne zum Bau der Tunnel geblickt habe.“ Damals habe man eine Studie in Auftrag gegeben, die die Bodenverhältnisse erkunden sollte. Anhand der Ergebnisse wurde das Projekt in zwei Teile gegliedert. „In der Mitte des Son-Vic-Tunnels ist ein 385 Meter langer Abschnitt, der durch einen Ring aus Beton zusätzlich vor der Witterung geschützt ist“, sagt Sagrera. Diese Schicht ist 30 Zentimeter dick und war für damalige Verhältnisse die Premiumvariante, die entsprechend teuer war.

Davor und danach wurde auf 350 Meter Tunnel – die übrigen 105 Meter sind die Ein- und Ausfahrt – das sogenannte Bernold-System benutzt. Dabei handelt es sich um Bleche, die an einer Zementschicht befestigt sind und nach innen mit einer bis zu 15 Zentimeter dicken Schicht Spritzbeton verstärkt sind.

Was den Tunnel beschädigt

Die ständige Belastung des Materials durch Abgase, die salzhaltige Meerluft und Grundwasser habe nun zu weitreichenden Schäden geführt. „Besonders im Bereich der Bleche, wo der Druck von oben immer stärker wurde“, erklärt Sagrera. Die Bleche hätten sich verbogen, der Spritzbeton sei durch die Verformung bröckelig geworden. Es seien schon faustgroße Betonstücke von der Decke gestürzt. „Die hätten jemanden umbringen können. Wir mussten dringend handeln. Da hätten kleine Verbesserungsarbeiten nicht ausgereicht“, sagt Miguel Ángel Sagrera.

Auch beim verstärkten Betonring seien Risse aufgetreten, durch die Wasser drang. „Hier haben wir Löcher gebohrt und die Risse mit einem speziellen Harz gefüllt“, sagt der Ingenieur. Die Bleche werden nach und nach geprüft und bei Bedarf ausgetauscht. Hinzu kommt: „In den vergangenen Jahren hat sich die Verkehrsordnung in Sachen Tunnel immer wieder verändert. Auch da stehen noch einige Nachbesserungen auf der Liste.“

Arbeiten gehen schneller als geplant voran

Im Februar 2022 starteten die Bauarbeiten. 4,5 Millionen Euro sind für die Reparaturen an Beton und Blechen vorgesehen, 3,1 Millionen Euro für neue Elektroinstallationen. „Das Licht war dort schon immer etwas düster. Wir bauen nun 320 LED-Leuchten ein“, sagt Sagrera. Die Anzahl an Kameras und Ventilatoren wird ebenfalls erhöht. Für die Arbeiten sind Spezialisten aus Madrid, Katalonien und dem Baskenland auf die Insel gereist.

Wie, wir arbeiten nicht? Wir ziehen die Sache in vier bis fünf Monaten durch!

Eigentlich seien für das Projekt zwölf Monate bei ständig geschlossenem Tunnel vorgesehen gewesen. Sagrera zeigt wenig Verständnis für die Mutmaßungen, dass man es gemütlich angehe: „Wie, wir arbeiten nicht? Wir ziehen die Sache in vier bis fünf Monaten durch!“ Denn um den Verkehr in der Hauptsaison nicht zu stören, gab es ab Ostern einen Baustopp. Erst seit November ist der Tunnel vollständig gesperrt, zuvor waren immer wieder einzelne Richtungen geöffnet.

Bis Ende Februar abgeschlossen

43 Bauarbeiter seien an den beiden Tunneln zugange. Manchmal werde tagsüber gearbeitet, manchmal nachts. „Wir lassen dem Bauunternehmen hier freie Wahl. Die Firma weiß ihre Ressourcen am besten einzusetzen. Wichtig ist mir, dass die Arbeiten spätestens Ende Februar abgeschlossen sind. Und das werden wir schaffen.“ Trotz eines erneuten Baustopps zu den Feiertagen. Vom 23. Dezember bis 9. Januar ist der Tunnel geöffnet, um zu Weihnachten und den Heiligen Drei Königen keine Staus zu verursachen.

Die Umleitung

Obwohl die Umleitung über Peguera nun auch nicht so schlimm sei, meint Sagrera. „Acht Minuten brauchen die Autos dadurch im Schnitt länger. Zwölf Minuten dienstags, wenn der Wochenmarkt ansteht.“ Nur im Einzelfall könne es mal länger dauern, „wenn gerade der TIB-Bus vor einem hält“. Zwei Mitarbeiter führen jeden Morgen fünf verschiedene Strecken ab, um die Zeiten zu überprüfen.

Da hieß es, dass das aus Sicherheitsgründen nicht geht. Jetzt zu Weihnachten ist es auf einmal doch sicher.

„Wie in einen Käfig gesperrt“

Anders ist die Meinung im Rathaus von Andratx. „Diese zehn bis fünfzehn Minuten machen den Unterschied für viele Leute von außerhalb aus, ob sie zu uns zum Einkaufen fahren oder in ein Restaurant gehen“, sagt Bürgermeisterin Estefania Gonzalvo (PP). Die Bewohner von Andratx fühlten sich „wie in einen Käfig gesperrt“. Zudem sei die Informationspolitik des vom Linkspakt regierten Inselrats miserabel. „Die sagen oft eine Sache und machen dann eine andere.“ Sie habe monatelang dafür plädiert, wenigstens eine Spur im Tunnel geöffnet zu lassen. „Da hieß es, dass das aus Sicherheitsgründen nicht geht. Jetzt zu Weihnachten ist es auf einmal doch sicher.“

Auf die Beschwerde der Gemeinde hat Andratx einen voll ausgestatteten Krankenwagen bekommen, damit die Umleitung im Notfall kein Menschenleben kostet. „Bei einem Brand müssen wir aber noch länger warten“, sagt Gonzalvo, die auch eine klarere Verkehrsregelung in Peguera fordert. „Obwohl der Boulevard eigentlich gesperrt ist, fahren trotzdem viele durch, weil sie nicht die ganze Runde um Peguera drehen wollen.“ Das könne auch anders geregelt werden.