Warum die Polizei abgefackelte Autowracks auf Mallorca nicht einfach abschleppen kann

Rund 5.000 Wagen standen noch vor einem Jahr in Palma herum, schätzt die Ortspolizei. Mittlerweile arbeitet die Behörde auf Hochtouren, um die Fahrzeuge abzuholen. Das aber ist einfacher gesagt als getan

Derartige Wracks gibt es Hunderte in Palma.

Derartige Wracks gibt es Hunderte in Palma. / B. Ramon

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Freie Parkplätze sind in Palma rar. Umso ärgerlicher ist es, wenn eine Stelle vor der Haustür von einem abgefackelten Wrack blockiert wird, das seit Wochen vor sich hingammelt. Manche Stadtviertel sind regelrechte Friedhöfe für räderlose und zugemüllte Autos. „Jahrelang haben wir kaum Wagen abgeschleppt. Da hat sich einiges angestaut“, sagt der bei der Ortspolizei Palma zuständige Beamte, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Nun arbeite man auf Hochtouren, um die Wracks einzusammeln. „Einfach abschleppen geht aber nicht. Hinter jedem Auto steckt eine eigene Geschichte“, sagt der Beamte.

Vor ein paar Jahren nutzte Palmas Ortspolizei die Deponie Son Toells an der Sóller-Landstraße für die abgeschleppten Wracks. Regeln gab es kaum. 2019 ließ das Umweltministerium den Platz sperren, da die Rostlauben den Boden kontaminierten. Manche Autos standen dort bis zu 14 Jahre. 2022 eröffneten die Polizei eine neue Deponie im Gewerbegebiet Son Oms. Dort können 450 Autos abgestellt werden. „Alle Wagen, die der Eigentümer nach zwei Monaten nicht abgeholt hat, landen in der Schrottpresse“, so der Polizist.

Vor einem Jahr schätzte die Polizei die Zahl zurückgelassener Autos auf 5.000. Sie müssen nun nach und nach abgeschleppt werden. Die Arbeiten verzögern sich, da nicht immer in Son Oms Platz ist, die Behörde nur auf sechs Abschleppwagen zurückgreifen kann und eine Menge Papierkram oder Reinigungsarbeiten zu erledigen sind. „Es kam mitunter vor, dass die Stadtwerke ein zugemülltes Auto gereinigt haben, und als der Abschleppwagen am nächsten Tag erschien, der Wagen schon wieder voller Bauschutt und Müllbeutel war“, sagt der Ortspolizist. In manchen verlassenen Autos hausen auch Obdachlose, die die Polizei nicht einfach auf die Straße setzen kann.

Wann gilt ein Auto als zurückgelassen?

2.519 Mal prüften die Beamten 2023 ein vermeintlich herrenloses Auto. 157 Wracks waren nicht mehr verkehrstüchtig und wanderten mitunter noch am selben Tag in die Schrottpresse. Bei 74 hatten der Eigentümer oder Autodiebe die Fahrgestellnummer, die an verschiedenen Stellen eingraviert ist, unkenntlich gemacht. Theoretisch könnte die Polizei Ermittlungen aufnehmen und die Aufnahmen der umliegenden Kameras prüfen. „Praktisch haben wir dafür keine Zeit und verschrotten die Autos direkt. Uns geht es nicht darum, Bußgelder einzutreiben, sondern den Platz frei zu machen“, sagt der Polizist.

1.066 verlassene Autos waren auf den ersten Blick in einem fahrtüchtigen Zustand. „Besonders nach Regenfällen mit Saharastaub, der die Wagen schmutzig macht, ist es nicht einfach herauszufinden, ob ein Auto zurückgelassen wurde. Jeder Autofahrer hat das Recht, sein Fahrzeug nicht zu reinigen“, sagt der Polizist.

In diesem Fall klebt die Polizei einen gelben Sticker als Warnung an die Frontscheibe. Nach drei Wochen schaut eine Streife vorbei, ob das Auto bewegt wurde. Ist das nicht der Fall, wird der Abschleppwagen gerufen. Von den 1.066 Wagen kamen 840 nach Son Oms. „Etwa zehn Prozent der Besitzer holen ihr Auto auf den letzten Drücker dort noch ab. Da frage ich mich, warum das nicht auch vorher geht.“

Was kostet es, das Auto auf der Straße vergammeln zu lassen?

Der gelbe Sticker bedeutet meist keine Strafe, wenngleich die Polizei ein Knöllchen in Höhe von 90 Euro erteilen darf, wenn ein Auto länger als zehn Tage am selben Fleck auf öffentlichem Grund steht. „Der Abschleppwagen kostet 180 Euro. Die ersten Tage in Son Oms sind gratis, danach kommt ein Tagestarif von 30 Euro hinzu. Richtig teuer ist die Schrottpresse. Die kostet 1.500 Euro“, so der Polizist. Wenn man den Wagen selbst zum Schrottplatz bringt, ist die Verschrottung nicht nur kostenlos, sondern man bekommt noch ein paar Euro bezahlt.

Warum lassen die Leute überhaupt die Autos stehen?

Die Gründe, warum Autobesitzer ihre Wagen am Straßenrand verrotten lassen, seien vielfältig. Mitunter sind es ausländische Inselbewohner, die in die Heimat zurückgekehrt sind. „Darunter sind auch viele Deutsche“, sagt der Polizist. Zudem habe die Corona-Krise Jobs gekostet. Manche Leute könnten sich das Auto nicht mehr leisten. In anderen Fällen bekamen die Fahrzeughalter Strafzettel, die sie nicht bezahlen konnten und die den Wert des Autos überstiegen. Oder aber gegen den Halter bestand eine Zwangsvollstreckung wegen offener Rechnungen bei der Sozialversicherung. Bei dem ein oder anderen Fahrzeug handele es sich auch um Unfallwagen, bei denen sich die Reparatur nicht lohnt oder gar gestohlene Autos. Vandalen holen sich dann die restlichen Autoteile, die noch von Wert sind. Bei fast allen Fahrzeughaltern, die ihr Auto zurücklassen, gelte das Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“.

„Auch die Werkstätten stellen mitunter Autos am Straßenrand ab“, sagt der Polizist. Dabei handelt es sich um Autos, bei denen die Eigentümer die Rechnung nicht zahlten und sich nicht mehr meldeten. „Am Anfang kassieren die Werkstätten eine Gebühr für das Lagern des Autos. Irgendwann reißt der Geduldsfaden der Betreiber, und sie verzichten auf die offenen Rechnung, weil sie den Platz brauchen.“

Regelrechte Friedhöfe

Besonders Gegenden, in denen viel Verkehr herrscht, seien beliebt, um das Auto illegal zu entsorgen: die Gewerbegebiete Can Valero und Son Castelló, die Parkplätze der Einkaufszentren Fan und Carrefour oder die Straßen im Nou-Llevant-Viertel in der Nähe der MZ-Redaktion. „Bei Langzeit-Parkern ist der Parkplatz vom Krankenhaus Son Espases beliebt. Der ist kostenlos, überdacht und videoüberwacht“, sagt der Polizist. Manch ein Auto steht dort über Monate.

Viele Anwohner beschweren sich per Mail. Meist findet die Polizeistreife mehrere Wracks, wenn sie zu einem Standort gerufen wird. Es sind nicht nur ärmere Wagenhalter, die den Wagen stehen lassen. „Wir haben auch schon Bentleys, Ferraris und Teslas eingesammelt. Da blutet einem das Herz, wenn die in die Presse wandern“, sagt der Polizist. Früher habe das Rathaus die Autos versteigert, doch das habe den Arbeitsaufwand erhöht und zu wenig Einnahmen gebracht.

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