Zum Frühstück gibt es Weißbrot mit Butter und Marmelade, Orangen und frisch aufgegossenen Pulverkaffee. „Der Wasserkocher ist unser einziger Luxus", sagen Carola und Mario, eingefleischte Camping-Urlauber aus Sachsen-Anhalt. Dass ihnen auf dem Zeltplatz an der Pilgerstätte Lluc keine Kochmöglichkeit zur Verfügung steht, und der eigens mitgebrachte Gaskocher wegen Waldbrandgefahr im Sommer nicht benutzt werden darf, tut der guten Laune der beiden keinen Abbruch. „Es ist einfach traumhaft hier, mitten in den Bergen."

Um Mallorca hat das Paar bislang einen großen Bogen gemacht - aus einem Grund. „Die Hotelburgen haben uns abgeschreckt." Dass man hier auch wunderbar zelten kann, hatten sie erst beim Recherchieren im Internet erfahren, als wegen der Einladung zu einer Geburtstagsfeier auf Mallorca kein Weg mehr an einem Insel-Besuch vorbeiführte.

Campen und Mallorca sind nicht gerade zwei Begriffe, die man auf Anhieb miteinander in Verbindung bringt - obwohl die Bedingungen perfekt wären: abgeschiedene Buchten und feiner Sand, schattenspendende Kiefern und laue Sommernächte, das Rauschen des Meeres beim Einschlafen im Ohr.

Doch Wild-Campen ist auf der Insel strengstens verboten. Und an offiziell ausgewiesenen Flächen mangelt es. Richtige Campingplätze, wie man sie aus Frankreich oder von der Costa Blanca kennt und auf denen teils Hunderte Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile unterkommen, sucht man auf Mallorca vergeblich. Der in Colònia Sant Jordi ist inzwischen geschlossen, die Anlage an der Playa de Muro seit Jahren verwaist. „Dort gab es Probleme mit der Genehmigung", erinnert sich Andrés Avelino Blasco, Professor für Verwaltungsrecht an der Balearen-Universität. Der Wissenschaftler hat das Phänomen Campen vor einigen Jahren genauer unter die Lupe genommen - und weiß nun, warum es auf Mallorca so gut wie nicht existiert. „Das ist kein Zufall, sondern von der Politik so gewollt."

Richtungsweisend war bereits ein Dekret im Jahr 1986, sozusagen die Fortschreibung des ersten balearischen Tourismusgesetzes von 1984, in dem das Thema Camping erstmals gesetzlich geregelt und quasi gleich im Keim erstickt wurde. Professor Blasco nennt es deshalb gern das „Gesetz zur Verhinderung von Campingplätzen" - das seitdem nicht mehr modifiziert wurde.

Die Auflagen seien so absurd, dass mögliche Betreiber meist von vornherein verprellt werden. So müssen die Plätze beispielsweise Kapazität für mindestens 70 bis 100 Zelte oder Wohnwagen und mindestens halb so viele Autoparkplätze bieten und über Sicherheitsvorkehrungen, Abwasseraufbereitungsanlagen sowie Straßen und Wege, für die eine Mindestbreite vorgeschrieben ist, verfügen. Die gesetzlich festgelegte Mindest­fläche für ein Zelt ist zudem viermal größer als die für ein Hotelzimmer. Und die Ausstattung der Campingplätze muss mindestens die Kategorien „erstklassig" oder gar „Luxus" erfüllen. Die Absicht der damaligen Balearen-Regierung ist in den Augen von Blasco mehr als klar: „Man wollte einfach keine alternativen Übernachtungsmöglichkeiten zu Hotels und Apartments."

So klar sprach das natürlich niemand aus. Man argumentierte damals, dass man keinen Billig-Tourismus haben wolle - also Camper, die sich womöglich ihre Dosen-Ravioli auf dem Gaskocher warm machen statt in Restaurants essen zu gehen und somit kaum Geld auf der Insel lassen würden. Und für Urlauber mit kleinem Geldbeutel gebe es schließlich genug Ein- und Zwei-Sterne-Hotels, hieß es.

Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass es schlichtweg Mallorcas seit jeher eiserne Hotel-Lobby war, die keine Konkurrenz neben sich dulden wollte - und der wiederum der damalige Tourismusminister Jaume Caldera recht nahe stand. Warum es auf Ibiza heute dennoch fünf richtige Campingplätze gibt - ein weiterer liegt auf Menorca - muss dem Wissenschaftler zufolge an den nicht ganz so mächtigen Hoteliers der Nachbarinsel und der dort seit den 60er Jahren stark vertretenen Hippie-Kultur liegen. „Denn die Gesetzeslage ist ja an sich dieselbe."

Möglichkeiten, legal zu zelten, gibt es inzwischen aber auch auf Mallorca einige. Regelrecht paradiesisch gelegen ist der kleine Campingplatz im Naturpark auf der Llevant-Halbinsel in der Gemeinde Artà. Ihn trennen nur wenige hundert Meter vom Traumstrand s´Arenalet des Verger, an den sich auch in der Hochsaison kaum ein Badegast verirrt. Das liegt daran, dass vom Parkplatz aus ein zweistündiger Fußmarsch erforderlich ist, um dorthin zu gelangen - wobei Camper in den Genuss eines Fahrdienstes für Zelte, Schlafsäcke sowie Proviant und Wasservorräte kommen, den die Parkverwaltung anbietet. Park-Mitarbeiterin Aina gibt den Gästen auch eine kleine Einweisung: Hinter dem Zeltplatz sind die Duschen, in einer kleinen Hütten finden sich mit Gas betriebene Kochplatten und Kühlschränke - „frisch renoviert".

Ein Manko ist allerdings die begrenzte Kapazität: Gerade einmal 30 Personen sind dort pro Nacht erlaubt. „Im Sommer ist es, vor allem an den Wochenenden, wirklich schwer, einen Platz zu bekommen", räumt deshalb sogar Joana Xamena von der Naturschutzbehörde Ibanat ein. Dasselbe Problem herrscht auf dem Zeltplatz auf dem Landgut Son Real bei Son Serra de Marina - obwohl dort immerhin 120 Leute unterkommen können. Da er nur zehn Gehminuten vom Strand entfernt liegt, sei er oft wochenlang im Voraus ausgebucht, heißt es bei Mallorcas Pfadfinderbewegung, die diesen und drei weitere Zeltplätze auf der Insel verwaltet.

Die Anlage in Son Real wirkt etwas lieblos, die Freiluft-Duschen sind gerade einmal halbseitig mit Schilf eingezäunt, dafür kostet die Nacht weniger als 8 Euro pro Person - samt Nutzung der voll ausgestatteten Küche. Für ausländische Camper, die per Flugzeug anreisen, sei das ein nicht von der Hand zu weisender Vorteil. Einen Haken hat allerdings auch dieser Camping-Platz. Man muss mindestens zehn Plätze buchen. Für die Online-Reservierung muss zudem eine Steuernummer eingegeben werden, über die wohl kaum ein Tourist, ja nicht einmal ein gewöhnlicher Resident verfügen dürfte.

Einfacher - da gar nicht erforderlich - ist das Buchungsprozedere auf dem Wohnmobilabstellplatz unweit des Strandes von Port Vell zwischen Cala Millor und Costa dels Pins. Das Areal hat die Gemeinde Son Servera erst vor wenigen Wochen für Camper freigegeben. Es gibt bereits einen Wasseranschluss. Trinkwasserversorgung und eine Nutzungsordnung sollen bald folgen.

Gänzlich unkompliziert wird das Thema Campen auch in der Bucht Cala Varques in der Gemeinde Manacor gehandhabt. Dutzende schlagen dort während des Sommers illegal ihre Zelte auf - egal ob Hippies oder Lebenskünstler, Einheimische oder Low-Budget-Touristen. Wer nicht vor dem Risiko einer möglichen Geldbuße zurückschreckt, findet entlang der Küste noch zig andere Flecken, die zum Campen oder Biwakieren einladen - an den Stränden des Coll Baix auf der Alcúdia-Halbinsel, an der Cala Torta in Artà oder auch der kleinen Cala Marmols an der Südküste kann es an den Juli- und Augustwochenenden schon mal voll werden.

Illegales Zelten kam für Carola und Mario aus Sachsen-Anhalt gar nicht erst infrage. „Das müssen wir nicht haben, auch wenn es sicher schön wäre." Zumal es trotz fehlender Spanisch-Kenntnisse kein Problem gewesen sei, zwei der insgesamt 300 Plätze bei Lluc zu reservieren. Aus allen Nähten platzt das Camping-Gelände regelmäßig während der Osterwoche, wenn dort Familien die Feiertage verbringen oder Wanderer während der traditionellen Tramuntana-Überquerung (Sa Travessa) ihr Nachtlager aufschlagen. Im Sommer ist es hingegen vergleichsweise ruhig. „Als wir hier ankamen, waren wir die Einzigen", erzählen die beiden Deutschen. Inzwischen haben sich zwei Jugendgruppen und einige mallorquinische Familien zu ihnen gesellt.

Doch auf dem über einen Hektar große Areal - ehemalige Terrassenfelder mit uralten Olivenbäumen - verlieren auch sie sich. Als der Platz 2007 auf Vordermann gebracht und mit einer Kanalisation versehen wurde, teilte man ihn in drei Zonen ein, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Besucher Rechnung zu tragen. „Sieht wegen der Gatter ein bisschen aus wie auf einer Pferdekoppel", findet Carola. „Aber gestört fühlen wir uns hier von niemandem." Allein ein nebenan krähender Hahn mache sich manchmal schon frühmorgens um halb vier bemerkbar, fügt sie dann hinzu und gießt noch einmal Kaffee nach.

Gut 700 ganz legale Schlafplätze

Zeltplatz Sa Font Coberta de Lluc an der Pilgerstätte Lluc, 300 Plätze, Reservierungen unter Tel.: 971-51 70 70.

Es Pixarells an der Straße von Lluc nach Pollença, 30 Plätze, Reservierungen Tel.: 971-51 70 70.

Zeltplatz S´Arenalet im Naturpark Llevant, 30 Plätze, Reservierungen Tel.: 971-82 92 19.

Son Serra de Marina, 120 Plätze, Reservierungen über die Pfadfinder „Moviment Escolta i Guiatge de Mallorca", www.fundaciomariaferret.org, Tel.: 971-72 51 68.

Camp Escolta S´Alova (Sóller), 50 Plätze, Reservierung: www.fundaciomariaferret.org, Tel.: 971-72 51 68.

Camp Escolta Poble Nou (Alcúdia), 60 Plätze, Reservierung: www.fundaciomariaferret.org, Tel.: 971-72 51 68.

Camp Escolta Sa Torrentera (Sencelles), 100 Plätze, Reservierung: www.fundaciomariaferret.org, Tel.: 971-72 51 68.

Zeltfläche am ehemaligen Trappistenkloster La Trapa bei Sant Elm, Platz für ca. 4 Zelte, das Gelände gehört dem Umwelt­verband Gob, Anfragen unter Tel.: 971-49 60 60.

Wohnmobilabstellplatz der Gemeinde Son Servera am Strand von Port Vell.

Wohnmobile und Wohnwagen abstellen kann man, falls Platz ist, auch am Campamento de la Comuna de Lloret in der Gemeinde Lloret de Vista Alegre, Tel.: 971-59 02 60.

Auf nicht ausgewiesenen Flächen ist Zelten verboten. Bei Polizeikontrollen drohen Geldbußen von mindestens 100 Euro.