Es war der 6. Januar 1583, ein Donnerstag. Nachdem die heilige Messe gefeiert worden war, machten sich der Klerus und die versammelte Dorfgemeinschaft auf den Weg zum ehemaligen königlichen Palast von Sineu. König Jaume II. hatte das imposante Bauwerk im Jahr 1310 anstelle vor einigen alten Häusern, die dort standen, errichten lassen. Nun sollte es einem anderem Zweck überführt werden. Am Gebäude angekommen, übergab man den Schlüssel drei Nonnen. Von diesem Moment an war die ehemalige Königsresidenz das Kloster der Konzeptionistinnen - dem Orden der unbefleckten Empfängnis ­Mariens zu Sineu. Ab da blieben die Türen meistens geschlossen.

433 Jahre später sind die braunen Holztüren immer noch zu. Aber aus einem anderen Grund. Die Konzeptionistinnen haben das Kloster verlassen. Zunächst verstarb am 7. Oktober im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt die Äbtissin Sor Trinitat. Na Paquita, wie sie im Dorf genannt wurde, stammte aus Sineu, war im Jahr 1967 im Alter von 20 Jahren ins Kloster eingetreten. Sor Trinitat war der letzte Neuzugang der Gemeinschaft hinter den hohen Mauern gewesen.

Ihr Tod besiegelte das Ende des Klosters. Es verblieben nur Sor María Inmaculada, eine 43-jährige Schwester aus Honduras, die in einem weiteren Konzeptionistinnen-Kloster in Maó auf Menorca untergebracht wurde, und die 87-jährige Sor Anuncia­ció. Sie lebte seit 64 Jahren im Kloster und hatte ebenso wie Sor Trinitat die Zeiten erlebt, als ihre Gemeinschaft aus bis zu 24 Nonnen bestand. Knapp zwei Wochen nach dem Tod der Äbtissin, ließ sich Sor Anunciació in ein Kloster in der Nähe von Zaragoza bringen.

Mit einem Schulterzucken. Sie schloss sogar selbst die Tür ab.

Bartomeu Pont, als Delegierter für Geweihtes Leben der Verantwortliche für Klöster im Bistum Mallorca, begleitete die alte Frau in ihr neues Heim. „Ich hatte Angst, dass es ein Drama geben würde", erzählt er. „Aber nichts dergleichen geschah. Sor Anunciació schien sich ihrem Schicksal zu beugen. Ich habe seit sie in Zaragoza ist, mehrmals mit ihr telefoniert, und sie scheint sehr glücklich dort zu sein."

Das Convento de las Monjas de la Concepción sei nie reich gewesen, sagt Joan Vanrell. Der 37-Jährige ist der Beauftragte für das Kulturerbe der Gemeinde und hat sich in den vergangenen Jahren auch mit dem Kloster auseinandergesetzt. „Die Nonnen lebten von den Spenden aus dem Dorf. Um etwas Geld zu verdienen, verkauften sie Stickereien. Und bei besonderen Festen gingen im Kloster die Bestellungen für congrets ein. Das ist ein Gebäck aus Eiern, Zucker und Mehl, für das die

Nonnen bekannt waren."

Allerdings sei es auch schon 1983 gewesen, dass die Nonnen ihre congrets für das Dorf backten - zur Vierhundert-Jahr-Feier ihres Bestehens. Zu dieser Gelegenheit verließen auch alle Nonnen das Kloster, um am Gottesdienst in der Kirche von Sineu teilzunehmen. Es war das erste und einzige Mal in der Geschichte. „Vielleicht", spekuliert Vanrell, „wussten sie da schon, dass das Kloster nicht mehr lange bestehen würde. Obwohl damals noch knapp 20 Nonnen dort lebten."

Die Nonnen mögen zurückgezogen gelebt haben, aber für Sineu waren sie von großer Bedeutung - wie auch an der Bestürzung abzulesen ist, die ihr Wegzug ausgelöst hat. Die Konzeptionistinnen seien sehr wohl in das Dorfleben integriert gewesen, sagt Vanrell. „Sie waren über sehr viele Dinge informiert, die im Dorf passierten. So kondolierten sie etwa allen Familien, die einen Angehörigen verloren hatten." Der Umstand, dass einige von ihnen aus Sineu stammten, hätte dazu beigetragen, das Band zwischen der Dorfgemeinschaft und den Frauen aufrechtzuerhalten.

Am Tag nach ihrem Tod wurde der Sarg von Sor Trinitat in der Kirche von Sineu aufgebahrt. Nach dem Trauergottesdienst begleitete die Gemeinde die Trauernden bis zum Kloster, wo die Nonne auf dem Friedhof begraben wurde. „Es war viel Symbolik dabei", sagt Joan Vanrell. „Aber so hat man an die Anfänge der Nonnen in dem Königspalast erinnert." Als Sor Anunciació am vergangenen Mittwoch das Dorf verließ, klangen die Glocken der Kirche eine halbe Stunde lang.

Sogar noch länger im Zeichen des Klosters gelebt als Sor Trinitat und Sor Anunciació hat Francisca Florit - allerdings auf der anderen Seite der Mauer. Seit 1918 wohnt die Familie der 79-Jährigen in einem eingeschossigen Haus gegenüber der Klosterkirche. Ihr Großvater, ihr Vater und schließlich auch sie selbst waren die donats, die Boten des Klosters, die für die Nonnen Erledigungen machten.

Francisca Florit wurde in diesem Haus geboren. Sie bittet he­rein zeigt eine Glocke, die im hinteren Eingangsbereich unter der Decke angebracht ist. „Sie war über eine Schnur mit dem Kloster verbunden. Wenn die Nonnen etwas brauchten, läuteten sie." Später wurde eine Klingel eingebaut. „Der donat kümmerte sich um alles", sagt Florit. „Er holte Brot vom Bäcker oder Brennholz für den Winter. Er besorgte Stroh, um die Matratzen auszustopfen." Wenn Besuch für die Nonnen kam, schlief und aß er bei der Boten­familie. Das Haus gehört dem Bistum, das vor ein paar Jahren ein Zimmer als Lagerraum der Caritas beschlagnahmt hat. Im Gegenzug wurde der Familie die Miete erlassen und der Strom bezahlt. „Eine Zeit lang gab es auch ein Gehalt, das wurde aber irgendwann gestrichen." Florit übergeht die Frage, ob sie traurig sei, dass die Nonnen jetzt weg sind.

Man sei in Sorge, was nun mit dem Kloster und dem Botenhaus geschehen werde, sagt der für die Kulturgüter verantwortliche Joan Vanrell. Das Bistum habe sich gegenüber der Gemeinde noch nicht offiziell geäußert. „Das Kloster war ein eigener Mikrokosmos, mit seinen eigenen Tradi­tionen. Es wäre sehr schade, wenn all das verloren geht." Eines der Dinge, die man auf jeden Fall retten wolle, sei das Archiv. Im Moment habe man aber keinen Zugang. „Wir wissen nicht mal, wer die Schlüssel hat", so Vanrell.

Beim Bistum gibt man sich gelassen: „Als die Nonnen uns vor ein paar Jahren das Gebäude vermacht haben, geschah dies unter der ausdrücklichen Bedingung, dass es ausschließlich für religiöse Zwecke genutzt werden soll", sagt Bartomeu Pont. „Daran müssen wir uns halten. Das Kloster wird also weder für Aktivitäten der Gemeinde geöffnet, noch wird es verkauft und in ein Hotel umgewandelt. Zudem ist das, so wie ich das mitbekommen habe, der Willen der Menschen aus Sineu. Zumindest jene, die sich nicht erst für das Kloster interessieren, seit es leer ist."

Das Bistum stehe bereits in Verhandlungen mit verschiedenen Orden. „Es kann sein, dass sich etwas ändert. Die neuen Bewohner müssen ja nicht unbedingt Nonnen oder Mönche in Klausur sein. Viele Orden setzen ja in neuerer Zeit auf eine Mischform aus Geistlichen, die sich in der Gemeinde engagieren, und jenen, die im Kloster bleiben." Bis es so weit sei, dürften aber noch ein paar Monate vergehen. Man müsse das Kloster erst einmal entrümpeln, um Platz zu machen für die neuen Bewohner. Nicht alles von dem, was man dort finde, könne aufbewahrt werden. Das Archiv der Konzeptionistinnen, so Pont, werde in das Archiv der Diözese übernommen.

Auch für Francisca Florit wird sich dann ihre Zukunft entscheiden. „Ich denke schon, dass sie mich hier wohnen lassen werden", sagt die alte Dame. Sie macht eine Pause. „Nun ja, ich hoffe es zumindest."