Sie liegt idyllisch da, die Platja d’Albercutx in der Bucht von Port de Pollença im Norden von Mallorca. Kinder bauen Sandburgen, Erwachsene rekeln sich auf ihren Handtüchern, manch einer sucht Erfrischung im vergleichsweise kühlen Nass. Doch wer genauer hinschaut, der sieht es: Das Wasser ist hier nicht so kristallklar, wie man es auf Mallorca vielerorts gewöhnt ist. Kein gleißendes Türkis, stattdessen hat es eine trübe, leicht braune Farbe angenommen. Ebenso gut zehn Kilometer entfernt, an der Zufahrt des Yachthafens. Hier steigt ein unangenehmer Geruch vom Meer her auf.

„In unserer Kindheit war das vollkommen anders. Es war ein Paradies, es gab viele Fische, kleine Quallen und Krebse“, schwärmt Dulce Monjo. Miguel Mayrata nickt. Die beiden Mallorquiner kennen sich seit ihrer Kindheit. Zwar stammen sie aus Palma, ihre Familien haben aber seit jeher Zweithäuser in Port de Pollença. „Wir verbringen in den Sommermonaten mehr Zeit hier als in Palma“, sagt Mayrata. Doch ihre Stimmung ist ebenso trüb wie das Wasser der Bucht. „In den vergangenen vier, fünf Jahren ist es hier immer schlimmer geworden. Die Wasserqualität ist schlecht, einige Kinder haben bereits gesundheitliche Beschwerden nach dem Baden bekommen“, beteuern sie. Magenschmerzen und Ausschläge.

Für Monjo und Mayrata steht fest: Schuld daran hat vor allem die Kanalisation. „Abwässer gelangen ins Meer, Fäkalien ebenso wie Öle, die in den Hotels in den Abguss geschüttet werden.“ Seit 40 Jahren sei das Abwassersystem im Küstenort nicht mehr im großen Stil renoviert worden. Gleichzeitig seien in den vergangenen Jahrzehnten aber immer mehr Privathäuser und touristische Unterkünfte entstanden. „Die Kanalisation ist einfach überlastet, sie ist nicht auf so viele Haushalte ausgelegt“, sagt Mayrata. Hinzu käme, so Monjo, dass das Wasser in der Bucht von Pollença viel weniger zirkuliere als an offeneren Küstenabschnitten. Entsprechend schwerwiegend seien verunreinigte Einflüsse.

Ein großes Problem, finden die beiden – und haben viele weitere Anwohner auf ihrer Seite. Die zuständigen Behörden allerdings haben die Missstände lange Zeit geflissentlich ignoriert. Im Sommer 2020 reichte es den Mallorquinern schließlich. Sie organisierten sich erst in einer WhatsApp-Gruppe, gründeten wegen des hohen Zulaufs dann im September eine Vereinigung: Associació per la Defensa del Port de Pollença (ASDEPP). „Wir waren es satt, dass die Politik einfach geleugnet hat, was doch so offensichtlich ist“, so Mayrata, der selbst Ingenieur ist. Gemeinsam mit Dulce Monjo und acht weiteren Mitstreitern im Planungsteam – darunter zwei Anwälten, einem Architekten, einer Meereswissenschaftlerin und einer Doktorin in Biologie und Bio- chemie – sowie rund 150 Vereinsmitgliedern nahmen sie den Kampf auf.

Um etwas Handfestes vorweisen zu können, entnahmen die Anwohner zunächst selbst Proben vom Meerwasser in der Bucht und ließen sie in einem Labor untersuchen. „Sie bestätigten unsere Befürchtungen hinsichtlich der Verunreinigungen“, so Mayrata. Aber wieder stellte sich das Rathaus stur und bezweifelte ihre Echtheit. „Man unterstellte uns, die Proben vielleicht einfach aus unseren Toiletten genommen zu haben.“

Doch die erzürnten Bürger ließen sich nicht abwimmeln. Seit Mai entnehmen Experten des Labors CBBA auf ihre Initiative hin selbst die Wasserproben an sechs strategischen Stellen in der Bucht von Pollença. Alle 15 Tage und noch bis September wird unter strengen wissenschaftlichen Auflagen die Wasserqualität analysiert. Und tatsächlich sind die Ergebnisse, die auch auf der Internetseite von ASDEPP nachzulesen sind, erschreckend: An einigen Stellen ist die gesetzlich vorgeschriebene Qualität für Badewasser nur punktuell nicht erfüllt, an anderen sind die Werte durchgängig unzulässig. Unter anderem finden sich erhöhte Konzentrationen von Enterokokken und Kolibakterien – deutliche Hinweise auf Fäkalwasser. Rund 13.000 Euro kosten die Untersuchungen. „Wir sind froh, dass wir die Meeresforschungsstiftung Fundació Marilles von unserer Initiative überzeugen konnten und sie die Kosten übernimmt“, so Mayrata.

Besonderes Aufsehen erregten die Aktivisten von ASDEPP im Winter, als sie Fotos von Ekelwasser an Zugängen des Strands Llenaire in den sozialen Netzwerken veröffentlichten. Die Bilder gingen viral, der Druck aufs Rathaus wuchs. Im Mai dann ein erster Durchbruch: Pollenças Bürgermeister Tomeu Cifre von der Lokalpartei Tots per Pollença erklärte sich mit einem Aktionsplan bereit, mittelfristig mehr als 100 Projekte an den Abwasserleitungen im Gemeindegebiet vorzunehmen. „Wir haben es geschafft, ihn zu zwingen, das Problem anzuerkennen und Lösungen zu suchen“, so Mayrata.

Doch es sei nur ein Aspekt von vielen, die den Zustand der Bucht von Port de Pollença gefährdeten. Auch die Kläranlage von Pollença bereite Probleme. Sie untersteht aber dem balearischen Wasserwirtschaftsamt Abaqua. Und etwa zehn Meter meereinwärts sammele sich zudem Bauschutt und Unrat auf dem Meeresgrund – was wiederum in die Zuständigkeit der zentralspanischen Küstenbehörde falle. „Letztlich schieben sich die Verantwortlichen der jeweiligen Institutionen den Schwarzen Peter gegenseitig zu und es ändert sich nichts“, so Mayrata.

Auch das könnte sich nun bessern: Für den 7. September ist erstmals ein Zusammentreffen aller beteiligten politischen Institutionen sowie örtlicher Vereine geplant. Auch ASDEPP ist natürlich dabei. „Ein Jahr lang haben wir darauf hingearbeitet. Es ist genau das, was wir wollen. Dass sie sich gemeinsam hinsetzen und aktiv Lösungen planen“, findet Miguel Mayrata. Juristisch gegen die Wasserverschmutzung vorzugehen, liege nicht im Interesse der Anwohner. „Das würden wir nur dann tun, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.“ Auch um Politik gehe es der Vereinigung nicht, fügt Dulce Monjo hinzu. Wie alle anderen musste auch sie bereits Kritik für ihr Engagement einstecken, vom Rathaus, aber auch von Hoteliers. „Uns wurde vorgeworfen, dass wir die Regierung stören wollen. Dabei sind wir absolut unpolitisch. Es geht uns um nichts anderes als darum, dass die Wasserqualität in der Bucht wieder besser verbessert wird. Wenn das der Fall ist, lösen wir die Vereinigung auf.“