Crew auf Kreuzfahrtschiffen: So wird auf Mallorca Lebensrettung trainiert

In Palma üben Seeleute für den Ernstfall auf einem Schiff. Das ist nichts für schwache Nerven, doch ohne die Kurse darf dank einer UN-Konvention keiner von ihnen an Bord

Mitarbeiter einer Yacht proben in Palmas Gewerbegebiet Son Castelló den Ernstfall im Schiffsdienst. Die Kurse folgen einem international verpflichtenden Standard.

Mitarbeiter einer Yacht proben in Palmas Gewerbegebiet Son Castelló den Ernstfall im Schiffsdienst. Die Kurse folgen einem international verpflichtenden Standard. / Nele Bendgens

Diana Serbe

Diana Serbe

Statt rauer See Klassenzimmer-Atmosphäre. In Zweiergruppen angeordnete Tische, Stühle, ein großer Bildschirm. In der Mitte des Seminarraums des Feuerwehr-Übungsgeländes allerdings stehen sechs junge Menschen mit großen schwarzen Atemschutzmasken im Gesicht und silberfarbenen Sauerstoffflaschen auf dem Rücken. Ihre Arbeitgeber, Yachtbetreiber, haben sie in einen alle fünf Jahre notwendigen Auffrischungskurs geschickt, den die britische Firma Crew Training Solutions (CTS) hier in Palmas Gewerbegebiet Son Castelló anbietet.

Seit 1978 ist laut UN-Konvention nach dem sogenannten STCW-Abkommen für alle Crew-Mitglieder auf kommerziellen Kreuzfahrtschiffen ein genormtes Training vor Dienstantritt verpflichtend – egal ob auf Luxusyacht oder Kreuzfahrtriese, egal ob für Koch oder Maschineningenieur. Mit 600 Euro schlägt das bei CTS zu Buche, was in der Yacht-Branche anders als bei Kreuzfahrtanbietern meistens vom Arbeitgeber übernommen wird, wie die sechs Teilnehmer aus Frankreich, Italien, Großbritannien und Namibia erzählen.

Umgang mit den Geräten ist nicht alltäglich

An der Stirnseite gibt Kursleiter Taryn Carmona souverän und lautstark Anweisungen, wie die Ausrüstung im Brandfall zu handhaben ist. Eine Situation, in die kein Crew-Mitglied je kommen möchte – dennoch muss für den Ernstfall geübt werden. Wer kann schon intuitiv den richtigen Feuerlöscher greifen oder eine Sauerstoffflasche justieren, ohne beides je in den Händen gehalten zu haben?

In zehn Jahren als Trainer hätten nur zwei oder drei Teilnehmer den Kurs nicht bestanden, sagt Carmona. Wegen negativen Verhaltens oder weil sie eine der Übungen aus Panik abgebrochen hätten. Einen dieser Angst- Momente hat auch die 23-jährige Carina aus Namibia an diesem Tag. Unter der dichten Atemschutzmaske, die im Falle eines Feuers 30 Minuten Überlebenschance sichert, bekommt die Chef-Stewardess einer Yacht plötzlich keine Luft. Carmona beruhigt sie und zeigt, wie man sich an das Engegefühl gewöhnt und den Atem reguliert. Carinas männliche Kollegen gehen beherzter an die Technik, ihr 28-jähriger Kollege Jon aus Großbritannien kennt das Prinzip seiner Sauerstoffflasche vom Tauchen.

30 Minuten Sauerstoff bleiben im Brandschutzcontainer

Nach der Theorie geht es dann zur Praxis in den Brandschutzcontainer auf dem Gelände. In Dreier-Gruppen müssen die Teilnehmer die Gefahrenzone möglichst schnell verlassen. Die Gefahrenzone: Das sind zwei vernebelte, durch eine Katzenklappen-ähnliche Luke getrennte Räume mit Hindernissen. Zuvor muss ein Brand eingedämmt und eine Attrappe als potenzielles Opfer gerettet werden.

Trainer Taryn Carmona hat über die Jahre ein Gespür für Menschen entwickelt. In Südkalifornien war der gebürtige Spanier jahrelang Feuerwehrmann, auf Mallorca ist er Wachdienstleiter bei der Feuerwehr in Santa Ponça. Neben den Grundlagen des STCW-Trainings vermittelt der 48-Jährige auch soft skills: wie man an Bord mit Vorgesetzten spricht, Selbstsicherheit trainiert oder mit Menschen verschiedener Kulturen umgeht. Seefahrer müssten Teamplayer sein, „sozial, aufgeschlossen und tolerant, auf keinen Fall introvertiert“, sagt er. Carmona selbst empfindet die Anforderungen der Kurse als sehr niedrig – verglichen damit, was an Bord alles passieren kann.

Beim Brandschutz werden Batterien immer mehr zur Gefahrenquelle

Seine Firma Maritime Safety Solutions (MSS) hat sich auf Brandschutz im maritimen Sektor spezialisiert: „Als ich vor 16 Jahren nach Mallorca kam, gab es dafür zu wenig Training.“ Wohlhabende Yacht-Eigner würden ihn zum Training teils auch direkt aufs Schiff bestellen, zum Beispiel in die Vereinigten Arabischen Emirate. Als zunehmend problematisch sieht Taryn Carmona die „Spielzeuge“ der Yacht- Besitzer an – Jetskis und alles, was mit Lithium-Batterien betrieben werden kann. Auch dafür biete er ein spezielles Trainingsprogramm an. Der normale Auffrischungskurs dauert anderthalb Tage, im Basiskurs werden an insgesamt fünf Tagen darüber hinaus Fertigkeiten in Seenotrettung sowie „Safety“ und „Security“ vermittelt. Im Deutschen wird beides mit „Sicherheit“ übersetzt, doch auf See sind damit verschiedene Dinge gemeint. „Safety“ umfasst alles, was an Bord an Gefahren lauert, also zum Beispiel Brände. „Security“ meint Gefahren von außen, etwa Piraterie.

Im Pool ist Teamwork gefragt

Im zweiten Teil dieses Kurses in Palma dreht sich am darauffolgenden Tag alles um Wasser. Die sechs Yacht-Mitarbeiter müssen sich nun in den roten und steifen Tauchanzügen beweisen, die eher an die Teletubbies erinnern. So wird simuliert, wie man mit schwererer Alltagskleidung statt Bikini oder Badehose im Wasser reagiert. Erster Test: Den Tauchanzug in zwei Minuten samt Rettungsweste anziehen. Nachdem der richtige Sprung ins Wasser geübt worden ist – gerade Schultern, Atemwege verschlossen, Schritt nach vorne und dann Beine kreuzen – trainieren die Teilnehmer dann die „Help“- Position. Damit können Schiffbrüchige im offenen Meer auf dem Rücken treibend mit angezogenen Knien stundenlang überleben.

Wichtig ist auch hier wieder der Zusammenhalt in der Gruppe. In einer Art Ring verhaken sich die sechs Teilnehmer in der Mitte des Pools. Was hier zu Gelächter führt, kann auf See Leben retten: Einerseits wird die Gruppe besser gesehen, andererseits kann die Wärme der anderen Körper die eigene Temperatur stabil halten. Verletzte können zudem innerhalb des Kreises geschützt werden.

Die Kraft des Wassers kann den Mensch überwältigen

In Dreier-Ketten durchqueren die Teams danach mit Synchron-Rudern den Pool, bevor jeder einzeln eine große orangefarbene Rettungsinsel im Wasser aufstellen muss, die wie ein Campingzelt aussieht und in die das Team nacheinander hineinkriecht. Da die See im Dienst nicht nur ruhig daliegt, sondern stürmisch sein kann, wird abschließend mit hohem Wasserdruck aus einem Schlauch noch der Seegang simuliert, der sich über die sechs Mitarbeiter ergießt. Auch das wird nicht von allen ohne Panik aufgenommen, das Element Wasser kann überwältigend sein. Doch Taryn Carmona ist weiter die Ruhe selbst: „Am Ende ziehen alle die Übungen durch und merken, wenn sie sich gemeinsam richtig verhalten, sind sie im Notfall sicher.“

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