Stühlerücken bei Mallorcas Katalanisch- Lobby: Die Obra Cultural Balear (OCB) hat ihren Vorstand neu gewählt, Ende Februar löst der Soziologe Joan Miralles den Juristen Josep de Luis als Vorsitzenden ab. Der Dozent (Montuïri, 1976) war zuletzt Kandidat der konservativen Zentrumspartei El Pi bei nationaen Parlamentswahlen sowie Vorsitzender der Vereinigung der Ferienvermieter Habtur.

Die neueste Kampagne der OCB warnt vor einem „Katalanisch-Notstand“. Wie steht es derzeit um die Inselsprache?

Es steht zwar ganz gut um die Katalanisch-Kenntnisse, aber die Verwendung der Sprache ist allgemein zurückgegangen.

Es heißt, dass nur 32 Prozent der Bevölkerung im Alltag Katalanisch verwenden.

Zum einen ist es nun einmal so, dass rund die Hälfte der Bevölkerung von außerhalb stammt und kein Katalanisch spricht. Zum anderen wurde das Ansehen der Sprache nicht genügend aufgewertet. Viele Menschen, die nicht von hier sind, sehen deswegen nicht die Notwendigkeit, Katalanisch zu lernen. Zudem werden einem zuweilen schlechte Manieren unterstellt, wenn man mit jemandem Katalanisch spricht, der nicht von hier ist. Viele wechseln dann automatisch ins Spanische.

Aber riskiert ein Mallorquiner nicht erst recht Widerwillen, wenn er im Gespräch auf dem Katalanischen beharrt?

Man sollte das Katalanische ebenso wie Natur, Geschichte oder auch Strände als kulturelles Erbe wertschätzen, unabhängig davon, woher man stammt. Das ist ein kultureller Wert, den wir alle zusammen hochhalten müssen.

Konsequenterweise müssten also Festlandspanier und Ausländer Katalanisch lernen?

Worauf es ankommt, ist das Verständnis dafür, dass die Menschen von hier ihre Identität bewahren können. Und das Zugehörigkeitsgefühl zur Wahlheimat von Neu-Mallorquinern definiert sich auch über die Sprache. Wir brauchen eine lebendige Sprache, sie ist ein gemeinsames kulturelles Erbe, nicht nur das der katalanischen Muttersprachler.

Katalanisch-Kurse sind meist für Menschen konzipiert, die bereits Spanisch können. Braucht es neue Zugänge für Ausländer?

Wer Katalanisch lernen will, dem stehen die nötigen Ressourcen zur Verfügung, in Pandemiezeiten etwa auch in Form von Online-Kursen. Es ist allerdings auch wichtig, Katalanisch nicht als etwas Obligatorisches anzusehen, sondern als einen Türöffner, als ein Instrument für eine bessere Integration in die mallorquinische Gesellschaft.

Neben dem „Katalanisch-Notstand“ erleben wir auch einen Notstand im öffentlichen Gesundheitswesen, Stichwort Corona. Es läuft eine Klage von Stellenanwärtern, von denen Katalanisch-Kenntnisse verlangt werden. Braucht es nicht mehr Flexibilität?

Jeder, der das öffentliche Gesundheitssystem aufsucht, muss sich in beiden offiziellen Amtssprachen verständigen können. Es kann nicht sein, dass sich jemand von hier fremd fühlt, wenn er zum Arzt geht. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um ausreichend Katalanisch zu lernen. Wer im öffentlichen Gesundheitssystem arbeitet, muss zumindest sein Gegenüber verstehen. Katalanisch und Spanisch sind romanische Sprachen, es bedeutet deswegen einen geringen Aufwand, sich ein passives Sprachverständnis zuzulegen.

In den öffentlichen Schulen muss mindestens die Hälfte des Unterrichts auf Katalanisch gegeben werden, in der Praxis ist der Anteil deutlich höher. Wurde in diesem Bereich die „sprachliche Normalität“ erreicht oder sind weitere Schritte nötig?

In den Schulen wird in der Tat der Grundstein für eine sprachliche Normalisierung gelegt. Die Schulen müssen sicherstellen, dass die Schüler am Ende beide offizielle Amtssprachen umfassend beherrschen. Leider ist das hinsichtlich des Katalanischen nicht immer der Fall. Zum einen werden die Vorgaben nicht immer erfüllt, vor allem aber ist die Unterrichtssprache nur einer von mehreren Faktoren. Es ist aber eine wichtige Investition.

Immer mehr Einfluss haben die sozialen Netzwerke. Sind sie Chance oder Gefahr?

Es ist eine große Herausforderung, dass genügend audiovisuelle Inhalte auf Katalanisch zur Verfügung stehen. Das gilt für digitale Plattformen ebenso wie für soziale Medien. Wir müssen das als Chance sehen.

Was also tun?

Das ist die Frage. Hier sind die öffentliche Verwaltung, die Schulen, aber auch der private Sektor gefragt. Man könnte zum Beispiel Wettbewerbe ausrichten und so dafür sorgen, dass es mehr TikTok-Inhalte auf Katalanisch gibt.

Die katalanische Regionalregierung verhandelt mit Streamingdiensten wie Netflix, HBO oder Disney darüber, mehr Filme und Serien auf Katalanisch zu zeigen oder auch zu untertiteln. Sollte das die balearische Landesregierung ebenfalls tun?

Ja, das sollte sie tun. Im Idealfall würde aber die spanische Zentralregierung eine Politik machen, die die sprachliche Vielfalt des Landes widerspiegelt, so wie es etwa auch die Schweiz tut. Dort wird jede der dort gesprochenen Sprachen bei der Gesetzgebung berücksichtigt. Spanien sollte seine sprachliche Vielfalt international nicht verstecken.

Die balearische Linksregierung hat sich den Schutz der Inselsprache auf die Fahnen geschrieben. Sind Sie mit der derzeitigen Sprachpolitik zufrieden?

Mit Ex-Premier Bauzá gab es erstmals in der Geschichte der Balearen eine katalanischfeindliche Regionalregierung. Dafür wurde sie auch bei den Wahlen abgestraft. Der damals angerichtete Schaden ist noch nicht vollständig wieder repariert. Wir setzen uns dafür ein, dass dies unabhängig davon geschieht, wer gerade regiert. Die OCB ist unabhängig von Parteien und Regierung.

Sind sie also zufrieden mit der derzeitigen Sprachpolitik oder nicht?

Es gibt positive Aspekte, in anderen Bereichen aber auch Verbesserungsmöglichkeiten.

Zum Beispiel?

Daran zu arbeiten, dass es in der Bevölkerung eine positive Grundhaltung zur Sprache gibt. Klarzumachen, dass eine eigene Sprache kultureller Reichtum ist. Da müssen auf vielen Ebenen noch viel mehr Dinge passieren, und das weniger in Form von Vorgaben, sondern in Form von Anreizen und Sensibilisierungskampagnen. So wie die spanische Kulturpolitik das Wissen um Don Quijote fördert, müssen wir unsere Schriftsteller bekannter machen.

Glauben Sie, mit der oppositionellen Volkspartei ist der von Ihnen geforderte Konsens in der Sprachpolitik möglich?

Die Spitzenkandidatur von Marga Prohens bedeutet einen wesentlichen Unterschied zur Ära Bauzá. Nun ist eine Rückkehr zum Konsens der 1980er- und 1990er-Jahre nötig. Allerdings legt der Vorsitzende der PP in Spanien, Pablo Casado, einen sehr viel aggressiveren Ton an den Tag. Wenn Marga Prohens darauf eingehen sollte, wäre das sehr traurig für alle.

Konflikte um die Sprachpolitik auf den Balearen brechen regelmäßig aus. Wo sehen Sie derzeit das größte Konfliktpotenzial?

Ich denke, das Gesundheitswesen ist ein besonders komplexer Bereich, der umsichtiges Vorgehen erfordert. Manchmal entsteht der Eindruck, als müsste man zwischen einem guten Gesundheitssystem einerseits und Katalanisch-Förderung andererseits wählen. Dabei können wir beides gleichzeitig erreichen.