Willi Plattes leitet mit der PlattesGroup die größte deutschsprachige Steuerkanzlei der Balearen. Gemeinsam mit Sabine Christiansen – die auch Konferenzleiterin ist – veranstaltet er seit 2020 das „Wirtschaftsforum Neu Denken“ – einen informellen Meinungsaustausch von Spitzenpersönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Diskutiert wird über die Veränderungen unserer Welt und wie man auf sie reagieren kann. Das Wirtschaftsforum 2022 findet vom 9. bis 11. Juni in Calvià statt (weitere Informationen zu Programm und Anmeldung hier).

Sie sind Mit-Initiator und Organisator des Wirtschaftsforums „Neu Denken“. Was hat Sie veranlasst, eine solche Veranstaltung auf Mallorca anzusiedeln?

Die modernen Lebensverhältnisse sind von hoher internationaler Mobilität geprägt. Unsere Aufgabe besteht darin, die privaten, familiären und geschäftlichen Belange unserer Mandanten unter diesem Licht zu analysieren und zukunftsorientierte Lösungen anzubieten. Dabei müssen wir auch das große Lagebild miteinbeziehen. Um das leisten zu können, bedarf es eines Austauschs mit qualifizierten Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dann stellt sich natürlich die Frage, an welchem Ort wir diesen Gedankenaustausch durchführen. Für Sabine Christiansen und mich war klar: am besten auf der schönsten Insel der Welt. Das meinen auch die Mitinitiatoren Prof. Jens Schönfeld (Partner bei Flick Gocke Schaumburg) und Reinhard Leitner (Partner bei LeitnerLeitner). In diesem Jahr schätzen wir uns glücklich, das Hotel Castell Son Claret ausschließlich für uns zu haben.

" Außenpolitik und Diplomatie können nicht auf Dauer durch Panzer und Raketen ersetzt werden."

Welches Thema steht 2022 im Vordergrund?

Corona und digitale Transformation waren die Themen der beiden vergangenen Events. Nun hat der Ukraine-Krieg einen dunklen Schatten auf die Weltwirtschaft geworfen. Die Energiepreise explodieren, die Inflation galoppiert. Wir sind steigendem Katastrophenstress ausgesetzt und von einer regelbasierten Weltordnung in eine machtbasierte geschlittert. Der Ausnahmezustand ist zum neuen Normal geworden. Mein Vater sagte mir einst: „Dir soll es einmal besser gehen als uns.“ Ich fürchte, so etwas können wir heute unseren Kindern kaum noch mit ruhigem Gewissen sagen. Der Erhalt der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen ist gefährdet wie nie. Um diese Krisen zu meistern, muss man zuerst die harte Realität korrekt analysieren, um dann die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Sabine Christiansen ist es gelungen u.a. die russisch-US-amerikanische Politologin Nina Chruschtschowa, die Urenkelin des Stalin-Nachfolgers Nikita Chruschtschow aus New York als Referentin zu gewinnen. Was bezwecken Sie damit?

Außenpolitik und Diplomatie können nicht auf Dauer durch Panzer und Raketen ersetzt werden. Wir müssen uns auf der Suche nach gewaltfreien Konfliktlösungen in die Schuhe des Gegners stellen. Nicht um dessen Schuhe anzuziehen, aber um den Raum für denkbare Verständigungen zu vermessen. In diesem Kontext ist wichtig zu wissen, warum Putin so denkt, wie er denkt. Mit Nina Chruschtschowa und Michail Chodorkowski, Ex-Oligarch und Kremlkritiker, haben wir zwei Teilnehmer, die uns Einblicke in die Denkstruktur und das Machtgefüge des Kreml geben können.

Zur Person: Willi Plattes

Der Diplom-Kaufmann war in Deutschland als Steuerberater tätig und ist seit 2002 Asesor Fiscal (N° colegiado 862) in Spanien. Er ist CEO der PlattesGroup, die als international tätige Rechts- und Steuerberaterkanzlei mit 80 Mitarbeiter*innen, davon zwölf Steuerberater und sechs Anwälte, auf Mallorca ansässig ist. Plattes ist Herausgeber und Autor zahlreicher Veröffentlichungen in Fachzeitschriften zum internationalen Steuerrecht. Mit „Willipedia“ hat er einen virtuellen deutschsprachigen Wissens- und Themenmarktplatz für spanische Steuer- und Rechtsthemen geschaffen. Mittels Enzyklopädie, Steuerrechner und Wegweiser werden nutzstiftende Informationen für diejenigen angeboten, die in Spanien geschäftlich oder privat Aktivitäten entfalten. 

Der Ukraine-Krieg hat ja neben den furchtbaren menschlichen Schicksalen auch andere, globale wirtschaftliche Auswirkungen. Diskutieren Sie auch darüber?

Aus deutscher Sicht ist festzustellen: Die Energieversorgung wurde an die Russen delegiert, die Sicherheit den USA anvertraut und das Wachstum den Chinesen. Viele Menschen in Deutschland und Europa machen sich große Sorgen um die Zukunft. In diesem Kontext behandeln wir Themen wie: Zeitenwende für den Wohlstand; Energiesicherheit versus Klimaneutralität; Abkehr von der Globalisierung und ob Europa in der neuen Weltordnung noch etwas zu melden hat. Ebenfalls diskutiert werden die Rezession, beschleunigte Inflation und steigende Zinsen und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Verbraucher. Die Bandbreite der Themen ist schwindelerregend. Damit wird uns aber auch die Komplexität der Herausforderungen bewusst. Besonders stolz sind wir aber auch, mit SAP, Isar Aerospace, Wefox, Banxware und anderen Unternehmen und Ihre CEOs dabei zu haben, die millionen- und milliardenschwere Zukunfts-Unternehmen aufgebaut haben. Es geht auch was in Europa, wenn wir nicht nur Neu-Denken, sondern auch Neu-Handeln.

Viele wissen nicht mehr, was sie mit dem Ersparten machen sollen. Aktien? Immobilien? Oder droht auch hier ein Einbruch, weil die Zinsen steigen?

Schwer zu sagen. Solange die Zinsen nicht so schnell steigen wie die Inflationsrate, bleibt es rentabel, in Aktien oder Immobilien zu gehen. Hier möchte ich kurz auf den Immobilienmarkt auf Mallorca eingehen. Die Anzahl der Immobilienkäufe im hochpreisigen Segment ist ja während Corona und seit Beginn der Ukraine-Krise immensgestiegen. Sollten die Zinsen die Ersparnis bei der Vermögensteuer überschreiten, werden wir schon eine nachhaltige Veränderung im Kaufverhalten sehen. Die balearische Regierung sollte wie ein Schiedsrichter mit seinen Rahmenbedingungen einen fairen, freien Wettbewerb ermöglichen, aber nicht selbst mitspielen. Ein gesunder Wettbewerb ist der erfolgreichste Weg zum Wohlstand.

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Was sollte die Politik tun, um all diese Probleme zu bewältigen?

Die Politik muss vor allem mit dem Schuldenmachen aufhören und wieder eine langfristige Strukturpolitik betreiben. Die Regierungen haben in der Pandemie das Geld wie Manna vom Himmel regnen lassen. Mit diesem Streichholz wurde die Inflation entzündet. Klimarettung, Bildung, Infrastruktur, militärischer Schutz – so wichtig die Begründung für neue Schulden sein mag, Schulden sind unmittelbar inflationär. Unseren Kindern werden die Zukunftschancen genommen. Ich bezweifle, dass die Politik das meistern kann.

Wie eng müssen wir den Gürtel schnallen? Stehen wir Ihrer Ansicht nach erst am Anfang einer negativen Wohlstandsentwicklung?

Ja, dort stehen wir. Dass es so kommen wird, ist nicht neu. Wissenschaftler prognostizieren es schon lange, doch ist der öffentliche Diskurs zu kurzatmig, um das zu hören und entsprechende Reaktionen hervorzurufen. Diese Themen sind bisher bei jedem unserer Events angesprochen worden.

Was ist denn Ihre Botschaft?

Das Wirtschaftsforum steht unter dem Motto „Neu Denken“. Daraus werden und wollen wir aber „Neu Handeln“ ableiten. Deshalb auch positive Botschaften und Beispiele auf diesem Forum, wie das gelingen kann: Abbau von Bürokratie, schnellere Genehmigungsprozesse, bessere Vernetzung von Forschung, Technologie, Startups, Begeisterung für Transformation und mehr Digitalisierung im Mittelstand. Mein persönlicher Rat lautet: Sorgt besser selber für Eure Zukunft. Die sozialen Sicherungssysteme sind nicht in der Lage, die Entwicklung des Lebensstandards so fortzuführen, wie wir es gewohnt sind. Je früher das jeder erkennt, umso mehr wird er für die späteren Lebensjahre vorsorgen. Glaubt nicht daran, dass der Staat das schafft.