Entrevista |

Superwahljahr 2023: Wird die Wahl auf Mallorca wieder zugunsten des Linkspakts ausgehen?

Ja, glaubt Soziologe Antoni Tarabini. Im MZ-Interview erklärt er, dass sechs Monate vor den Wahlen viele Wähler aber noch unentschlossen sind - und was er sich von der konservativen Opposition wünschen würde

Sophie Mono

Sophie Mono

Antoni Tarabini (Palma, 1940) war in den 70ern Mitbegründer des Balearen-Ablegers der Sozialisten (PSIB) und des Sozialforschungsinstituts Gadeso, das bis heute regelmäßig Umfragen zu sozialen, wirtschaftlichen und politischen Themen durchführt. Im Telefoninterview antwortet der Soziologe routiniert auf die MZ-Fragen.

In einem halben Jahr sind Wahlen. Sind viele potenzielle Wähler noch unentschlossen?

Sehr viele. Es ist weder klar, ob sie überhaupt wählen werden, noch, für welche Partei. In sechs Monaten kann noch viel passieren. Aber die Tendenz geht momentan dahin, dass es in der Landesregierung zu einer Neuauflage des Linkspakts aus PSIB, Més und Podemos kommen könnte. Warum? Erstens, weil der gemeine Wähler der Ansicht ist, dass es im wichtigsten Wirtschaftszweig, dem Tourismus, politisch aktuell in die richtige Richtung geht. Zweitens erkennen viele Francina Armengols Führungsqualitäten an, auch in Zusammenspiel mit Tourismusminister Negueruela, und zwar unabhängig davon, ob sie den Inhalten ihrer Politik zustimmen. Auch im Inselrat ist es eher wahrscheinlich, dass der Linkspakt weiterregiert. Normalerweise wählen die Leute dieselbe Partei im Rathaus wie im Inselrat und im Balearen-Parlament. Nur in Palmas Stadtrat könnte die Linksregierung ein Problem bekommen. Dort herrscht eine gewisse Unzufriedenheit unter den Bürgern wegen fehlender Sauberkeit und dem Wohnraummangel.

Welche Strategien verfolgen die Parteien, um Unentschlossene zu überzeugen?

Ich glaube, die Sozialisten haben verstanden, auf die Leute zu hören. Sie reden nicht nur von riesigen, millionenschweren Vorhaben, sondern auch von konkreten Projekten, die stabile Beschäftigung und bessere Gehälter garantieren sollen. Die Taktik der PP ist, zu versichern, dass die Linken uns alle in den Ruin führen werden. Mit einem solchen Diskurs ist es jedoch schwer, viele Stimmen zu gewinnen. Natürlich hat die PP konservative Stammwähler, aber damit neue Wähler von anderen Parteien abzuwerben, ist kompliziert. Höchstens von Ciudadanos.

Antoni Tarabini verfolgt seit Jahrzehnten die Politik auf den Balearen.   | FOTO: B. RAMÓN

Antoni Tarabini verfolgt seit Jahrzehnten die Politik auf den Balearen. | FOTO: B. RAMÓN / Sophie Mono

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Werden die Liberalen ganz verschwinden?

Danach sieht es spanienweit aus. Auf den Balearen hatten sie ohnehin nicht viel Einfluss. Viel entscheidender ist Més. Ihr Augenmerk liegt auf ökologischen Aspekten, Umwelt und Massifizierung. Das sind sehr aktuelle Themen, es kann also gut sein, dass sie gute Wahlergebnisse erzielen. Podemos wird wohl stabil bleiben. Und El Pi – das ist eine eigenartige Partei, die sich wohl hält, aber bei der Regierungsbildung wohl nicht ausschlaggebend sein wird.

Wie sieht es aus mit der rechtsextremen Vox?

Vox steht sich auf den Balearen selbst im Weg, der Anführer Jorge Campos ist ein Sonderling. Sie wiederholen immer die gleiche Polemik, und einige Konservative schrecken dann doch davor zurück, die extreme Rechte zu wählen.

Wie verhält sich da die PP?

In der PP mag man Vox nicht, vor allem, weil man im selben Teich fischt. Sie benutzen die selbe Rhetorik: sagen, dass die Regierungsparteien Kommunisten sind, die die Steuern erhöhen werden et cetera. Es wäre wünschenswert, wenn die PP als große Volkspartei mehr zum politischen Diskurs um den Tourismus beitragen würde.

Was wäre bei einem Regierungwechsel von der PP zu erwarten?

Wir wissen nicht, was die PP machen würde. Nur, was sie nicht machen wird. Sie finden, dass Straßen fehlen und es mehr Infrastruktur braucht, auch für die Urlauber. Aber auch das sagen sie nicht mehr so laut wie früher. Denn es gibt mittlerweile einen Teil von Leuten, auch aus den eigenen Reihen, die damit nicht mehr einverstanden sind. Auch bei der Frage der Ferienvermietung bleiben sie im Ungefähren. Und zum Thema Flugverkehr und Nachhaltigkeit äußern sie sich gar nicht, dabei ist es sehr wichtig. Ich sehe kein Projekt, keine Strategie.

Nur gut 16.000 der insgesamt knapp 45.000 Wahlberechtigten EU-Ausländer haben sich bisher ins Wählerregister eingetragen, die Wahlbeteiligung der extranjeros ist traditionell gering. Glauben Sie, das ändert sich noch?

Ich glaube nicht, dass es diesmal bedeutend mehr sein wird. Viele der Deutschen, aber beispielsweise auch der Briten, die hier leben, tauchen nicht tief in die mallorquinische Gesellschaft ein. Sie sehen die Dinge aus ihrer Perspektive. Was den sozialen und politischen Alltag angeht, mischen sie sich nicht ein, und es interessiert sie auch wenig. Es gibt Orte auf der Insel, da kommt man sich vor, als sei man in Deutschland oder Großbritannien. Ich will das gar nicht abwerten, aber diese Leute leben in ihrer eigenen Welt. Einige gehen natürlich trotzdem wählen: weil sie doch ein Thema interessiert, aus ideologischer Überzeugung oder weil man eben wählen geht. Von lokalen Ausnahmen abgesehen, gibt es aktuell keine Partei, die sich im Wahlkampf groß um die Ausländerstimmen bemüht. Sie glauben, es lohnt nicht.

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