Welche Sorgen haben die Bauern auf Mallorca? Fragen und Antworten zu den Problemen und Fortschritten auf Mallorca

Naturschutz, Klimawandel, Digitalisierung, dazu noch die Insellage: Die Landwirte auf der Insel haben einen schweren Stand. Aktuell bedroht die Trockenheit die Ernte. Fernando Fernández, Generaldirektor im Ministerium für Landwirtschaft, über Probleme und Fortschritte

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Fernando Fernández ist der einzige hochrangige Politiker der balearischen Landesregierung, der seinen Posten bei der Machtübernahme der Konservativen im vergangenen Jahr behalten hat. Der studierte Jurist und ausgewiesene Agrar- und Entwicklungsexperte schaffte es zwar als Nummer sechs auf der Liste der Linkspartei Podemos nicht ins Balearen-Parlament, blieb aber auf seinem Posten als Generaldirektor für Landwirtschaft. Kein Wunder: Ob in regelmäßigen Kolumnen in der Lokalpresse oder im Interview mit der MZ – bei Fernández gibt es Zahlen und Analysen statt politischer Phrasen.

Ist die Stimmung auf Mallorca vergleichbar mit dem Rest von Europa?

Es gibt Proteste in Frankreich, Belgien, Holland, auch in Italien und Spanien - das ist kein Zufall. Die EU will einen neuen Dialog mit dem Agrarsektor einleiten, nachdem sie in den vergangenen Jahren hohe Anforderungen zum Klimaschutz, zum Umweltschutz und zum Tierwohl aufgelegt hat. Die Gewinnmargen sind jedoch knapp kalkuliert, Veränderungen brauchen Zeit.

Mallorcas Landwirte haben höhere Produktionskosten durch die Insellage, die meisten Lebensmittel werden ohnehin importiert. Vor allem seit Corona gibt es verstärkte Bemühungen, den Konsum lokaler Produkte zu fördern. Sehen Sie Fortschritte?

Bei Obst und Gemüse gibt es eine leichte Verbesserung, auch beim Fleisch. Aber der Anteil lokaler Lebensmittel am Konsum dürfte weiterhin bei lediglich acht bis zehn Prozent liegen. Alle Inselregionen sind auf den Import angewiesen. Wir sind aber gut beraten, den Agrarsektor zu hegen, nicht zuletzt aus Gründen des Landschaftsschutzes und der Nachhaltigkeit. Die Coronakrise hat bewirkt, dass die Branche wieder mehr wertgeschätzt wird, es gibt eine ganze Reihe neuer Initiativen. Ein wichtiger Schritt ist auch die Vorgabe im balearischen Tourismusgesetz, wonach mindestens drei bis fünf Prozent der Lebensmittel in den Hotels von der Insel stammen müssen. Derzeit erleben wir allerdings wieder einen gewissen Rückschritt im öffentlichen Bewusstsein, bedingt vor allem durch die hohe Inflation.

Fernando Fernánde.

Fernando Fernández. / Nele Bendgens

Mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent kann man schon zufrieden sein?

Die Zukunft der Landwirtschaft ist unlösbar verbunden mit der touristischen Entwicklung. Das können wir nicht leugnen. Drei bis fünf Prozent sind kein geringer, sondern ein realistischer Prozentsatz. Meine Aufgabe war es, diese Vorgabe auszuhandeln. Alle Beteiligten waren sich einig, niemand verlangte zehn Prozent.

Was hat die Vorgabe bislang bewirkt?

Es ist ein wichtiger Impuls. Der Vertriebskanal HoReCa – also Hotels, Restaurants und Cafés – nimmt einen großen Teil der landwirtschaftlichen Produktion ab und könnte noch mehr aufnehmen. Schwierigkeiten gibt es weiterhin beim Fleisch. Dabei ist der Erhalt der lokalen Viehwirtschaft auch deswegen wichtig, weil es niemals eine ökologische Landwirtschaft ohne Viehhaltung geben wird.

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Die Zukunft der Landwirtschaft ist unlösbar verbunden mit der touristischen Entwicklung. Das können wir nicht leugnen.

Warum?

Wir brauchen den regelmäßigen, organischen Dünger der Tiere, um den Kohlenstoffkreislauf im Boden zu erhalten. Auf rund der Hälfte des verfügbaren Bodens auf Mallorca wird Viehwirtschaft betrieben, vor allem auf den besonders kargen Böden. Das ist wichtig für das ökologische Gleichgewicht – die Tiere verbreiten Pflanzensamen und düngen die Böden. Ohne Viehwirtschaft müssten wir den organischen Dünger aus rund 500 Kilometern Entfernung heranschaffen.

Welche Rolle spielt inzwischen der Absatz über Supermarktketten?

Die Situation hat sich radikal verändert, seit ich im Amt bin. Einige Supermärkte engagieren sich merklich. Die Sensibilität hinsichtlich lokaler Produkte, die wir beispielsweise bei Lidl feststellen, unterscheidet sich grundsätzlich zur Lage vor fünf Jahren. Es gibt intensive Kontakte und Gespräche.

Die lokalen Produzenten von Obst und Gemüse haben sich auf Initiative der Landesregierung im Interessenverband Som Pagesos zusammengetan. Sehen Sie erste Erfolge der Initiative?

Die Idee entstand 2020, in der Pandemie. Damals war die Konkurrenz groß, wir wollten die Kooperation in der Branche fördern. Es ist eine Strategie, die auch die EU fördert und die wichtig ist, um sich in der Lebensmittelkette zu eta-blieren. Zu den vier Gründungsmitgliedern sind weitere Erzeuger hinzugekommen. Som Pagesos vertritt nun 70 Prozent der lokalen Produktion. Die Bauern erzielen bessere Preise, können ihre Produkte besser vermarkten und den Anbau besser koordinieren.

Wenn man Ihnen zuhört, könnte man meinen, es hat keinen Regierungswechsel gegeben. Wie ist so viel Kontinuität möglich?

So etwas ist untypisch, aber die vergangene Legislaturperiode war nun einmal positiv für die Landwirtschaftsbranche. Das sieht auch der Bauernverband Asaja so, für die der neue Landwirtschaftsminister Joan Simonet tätig war. Zum anderen hatte ich zu ihm schon vor seinem Amtsantritt ein gutes persönliches Verhältnis. Wir pflegen ein Arbeitsklima, in dem wir alle Themen offen ansprechen und debattieren können. Ich bin seit 30 Jahren in der Landwirtschaft tätig, mich kennen ohnehin alle.

Dabei könnte man denken, dass unterschiedliche Konzepte wie ökologische und konventionelle Landwirtschaft auch parteipolitische Konflikte bergen.

Der Minister und ich sind uns einig darin, dass die ökologische Landwirtschaft eine fundamentale Chance für die Balearen bietet, umweltpolitisch wie finanziell. Sie muss aber wirtschaftlich tragfähig sein, wir reden hier nicht über einen Öko-Garten. Unser Wein, den die Deutschen so schätzen, wird zu mehr als 50 Prozent ökologisch angebaut, genauso das Olivenöl.

Sie haben mitunter kritisiert, dass die PP die Landwirtschaft zu Unrecht als ihr Hoheitsrevier beansprucht. Gab es da keine Reaktionen?

Das ist anekdotisch. Aus soziologischer Sicht ist interessant, wie die verschiedenen Parteien in Europa die Landwirtschaft für sich einspannen wollten. In Deutschland wählten Menschen vom Land traditionell die CDU, und meine Nachbarn ticken ideologisch ähnlich. Manche glauben, dass je nach regierender Partei bestimmte Organisationen besser fahren. So läuft das aber nicht bei mir. In der Branche weiß man, dass ich alle gleich behandle.

Der Vorsitzende des Bauernverbandes Unió de Pagesos, Joan Gaià, auf einem Getreidefeld bei Sineu. | FOTO: JOAN FRAU

Der Vorsitzende des Bauernverbandes Unió de Pagesos, Joan Gaià, auf einem Getreidefeld bei Sineu. | FOTO: JOAN FRAU / joan frau

Die Bauernverbände haben wegen der drohenden Ernteverluste durch die Trockenheit Alarm geschlagen. Wie ernst ist die Lage?

Wir haben vor anderthalb Jahren ein System zur Fernanalyse aufgelegt. Davor hatten wir praktisch keine Daten. Jetzt verfügen wir über einen standardisierten Indikator, den Vegetationswachstumsindex (NDVI). Er wird alle 15 Tage durch Bilder von Satelliten ermittelt, die mit Multispektralsensoren ausgestattet sind. Auch Wetterstationen liefern uns aktuelle Bilder. Besonders in der Inselmitte haben wir ein ernstes Problem durch die Trockenheit, dort vor allem im Intensivanbau, also Getreide, Grünfutter und Hülsenfrüchte. Weniger Probleme gibt es im bewässerten Obst- und Gemüseanbau, bei Oliven, Mandeln und Wein.

Was bedeutet das für die Ernte?

Die Aussaat war im September, Oktober – für die Ernte im Frühjahr gibt es nun die Gefahr eines Totalausfalls. Die Bauern profitieren aber hoffentlich bei der Aussaat im Frühjahr vom jetzigen Regen, könnten so im Sommer eine gute Ernte haben und die Verluste auch durch öffentliche Hilfen kompensieren.

Sie haben 2024 als Jahr des Wandels beschrieben. Warum?

2024 treten zahlreiche neue Regelungen auf einmal in Kraft. Umweltschutz, Tierschutz, Digitalisierung – die Branche durchlebt im Rekordtempo einen tiefgreifenden kulturellen Wandel, da ist Empathie gefragt.

Welche Bedeutung spielen in Mallorcas Landwirtschaft die neuen „Agromillennials“?

Vieles läuft besser, als man denken mag. Da gibt es den Bauern auf Menorca, der auf seiner Handy-App sehen kann, wie viele Stunden jede Kuh geweidet hat und direkt auf die Daten des Melkroboters zugreift. Den unter 30-Jährigen muss man da ohnehin nichts mehr erklären.

Wie attraktiv ist es derzeit, Bauer zu werden?

Es ist ein harter Job, mehr als anderswo. In anderen Branchen lässt sich wohl schneller und leichter Geld verdienen. Aber mit der richtigen Herangehensweise bieten sich Chancen. Die Betriebe müssen groß genug sein, der Anbau muss integral oder ökologisch sein, die Verwaltung digital. 2023 lag die Abbrecherquote von Jungbauern bei 40 Prozent, das ist akzeptabel.

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