Alte Klischees und überraschende Aspekte: Wie die Spanier über Deutschland denken

In einer Umfrage wurden 1.000 Personen befragt

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Länderklischees und Stereotypen halten sich auch im Internetzeitalter hartnäckig. Während in Nordeuropa noch immer das Bild der lebensfrohen, aber wenig seriösen Südländer kursiert, gelten Deutsche in Spanien nach wie vor als tüchtig, ordentlich, aber nur bedingt sympathisch. Eine neue Studie der renommierten spanischen Denkfabrik Real Instituto Elcano in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in Madrid über das Image Deutschlands in Spanien bestätigt viele traditionelle Vorstellungen hierzulande. Die Studie, die auf der Befragung von 1.000 Personen im Dezember basiert, wurde vergangene Woche in der Bertelsmann-Stiftung in Madrid vorgestellt.

Deutschland das beliebteste Land

Die beste Nachricht vorweg: Die Bundesrepublik ist in Spanien erneut das Land mit dem besten Umfragewert. Bei der Bewertung der Meinung über das Land von null (sehr schlecht) bis zehn (sehr gut) schnitt Deutschland mit 7,3 Punkten sehr passabel ab. Weniger als fünf Prozent der Befragten wählten die Bewertung von null bis vier. Spanier haben sogar eine bessere Meinung von Deutschland als von ihrem eigenen Land, das auf einen Wert von 6,7 kommt. Es folgen Frankreich (6,3), Italien (6,2) und Großbritannien (5,9).

Die Bewertung von 7,3 ist der beste Wert seit 2006. Es gab auch andere Zeiten. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 und der harten Sparpolitik, die Spanien und anderen Ländern von der EU auch auf Druck aus Berlin auferlegt wurde, sank der Sympathiewert 2013 auf den Tiefstand von 4,9. Damals gab es in Spanien große Demonstrationen gegen die verhasste Troika und die Austeritätspolitik, die man der Regierung von Angela Merkel zuschrieb. Heute ist das Image der Bundesrepublik wieder so gut wie vor der Finanzkrise.

Umfrage: Was denken die Spanier über die Deutschen?

Umfrage: Was denken die Spanier über die Deutschen? / ELCANO

Deutsche sind "organisiert und rigoros"

An den konkreten Werten, welche Spanier mit Deutschen verbinden, hat sich wenig geändert. „Einige Ergebnisse hatte ich so erwartet, da sie gängigen Klischees entsprechen, andere haben mich überrascht“, erklärte die deutsche Botschafterin Maria Margarete Gosse bei der Präsentation. Auf die Frage, welche Aspekte sie mit Deutschland verbinden, gaben 17 Prozent der Befragten an, dass Deutsche organisiert und rigoros seien. An zweiter Stelle wurde die Wirtschaft genannt, gefolgt von der Qualität der Produkte. Die Marke Made in Germany genießt in Spanien nach wie vor großen Stellenwert, auch wenn das teilweise nicht mehr ganz gerechtfertigt ist. „Wir sind nicht so gut, und viele Dinge funktionieren in Spanien besser als bei uns zu Hause“, räumte Gosse ein.

Nur sechs Prozent der Befragten assoziieren Deutschland vorrangig mit der Nazizeit. Nur fünf Prozent denken an Deutschland zuvorderst als Großmacht. Die Erinnerung an das Dritte Reich hat in Spanien weit weniger Spuren hinterlassen als in anderen europäischen Staaten, die den Horror der Nazi-Besetzung erlitten. Der Historiker und Leiter des Real Instituto Elcano, Charles Powell, verwies auch auf die wichtige Rolle der Bundesrepublik beim Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Deutschland sei das einzige Land mit einer klaren Strategie für die transición gewesen, so Powell, der eine britischen Vater und eine spanische Mutter hat. So förderten die Stiftungen der deutschen Parteien in Spanien den Aufbau von politischen Organisationen und Gewerkschaften.

Der Historiker unterstrich auch einen Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch die Umfragen zieht. „Bewunderung ist nicht gleich Zuneigung.“ So sprachen in der Studie 54 Prozent der Teilnehmer viel oder genügend Bewunderung für die Bundesrepublik aus, aber nur 37 Prozent erklärten, Sympathie zu empfinden. Sechs Prozent sprachen von Angst, zehn Prozent mangelt es an Vertrauen.

Wenig überraschend sind die Antworten auf die Frage, welchen von neun vorgegebenen Aspekten man am ehesten mit Deutschland verbinde. Die Wirtschaft steht an der Spitze mit einem Mittelwert von 8,4, dicht gefolgt von Wissenschaft und Technologie mit 8,3. Am Ende rangiert das deutsche Essen (5,3) hinter der Kultur (6,6). Letzteres war für die Autoren der Studie und die Teilnehmer der Präsentation in Madrid etwas überraschend. Denn in Spanien treffen deutsche Komponisten, Philosophen und Schriftsteller eigentlich auf großes Interesse und Beliebtheit. Carmen González Enríquez, Co-Autorin der Studie, versuchte die geringe Bewertung der Kultur einzuordnen: „Die gegenwärtige deutsche Kultur ist im gegenwärtigen Spanien wenig bekannt.“

Was denken die Spanier über die Deutschen?

Was denken die Spanier über die Deutschen? / Elcano

Kaum Interesse, nach Deutschland auszuwandern

Ein weiterer aufschlussreicher Abschnitt der Studie sind die Fragen, bei denen die Teilnehmer Deutschland mit ihrem eigenen Land verglichen. So glauben 95 Prozent, dass die Bundesrepublik ein besseres Wirtschaftssystem als Spanien habe – wie auch ein höheres wissenschaftliches und technologisches Niveau (90 Prozent). 73 Prozent meinen, dass in Deutschland der Umweltschutz höher gehalten wird. Eine Mehrheit von 62 Prozent glaubt, dass die Bundesrepublik bei der Gleichberechtigung weiter sei – ein Eindruck, über den man angesichts der Statistiken streiten kann. Bei der Lebensqualität fühlt sich eine knappe Mehrheit von 52 Prozent in Spanien wohler.

Dieser Wert könnte auch das geringe Interesse daran erklären, in Deutschland zu leben, zu arbeiten oder zu studieren. Die Werte liegen allesamt im unteren Bereich. Ein Hinderungsgrund könnte auch die deutsche Sprache sein, welche die Teilnehmer für schwieriger und weniger nützlich als Englisch und Französisch halten. „Die Sprache trägt nicht unbedingt zur Attraktivität Deutschlands bei“, so González Enríquez.

Auch wenn Umfragen ein wenig Licht in die Meinungslage bringen, so unterstrich González Enríquez, dass 80 Prozent der Befragten einräumten, nur wenig oder gar nichts über Deutschland zu wissen. „Die Umfrage spiegelt ein Meinungsbild wider, aber nicht unbedingt die Realität Deutschlands.“

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