Würde es eine Wahl zu Mallorcas coolstem Lehrer geben, hätte Luis Paez wohl gute Chancen. Der 51-Jährige läuft ab Samstag (28.9., 10 Uhr) 24 Stunden lang die Treppen des Castell de ­Bellver hoch und runter. Aus Langeweile? Zu Trainings­zwecken? Weder noch. Der Spanier will mit der Aktion Geld für bedürftige Kinder sammeln.

Luis Paez setzte sich schon immer für seine Schüler ein. „Damit gleiche ich aus, dass ich selbst keine Kinder habe", sagt er. 2013 erkrankte einer seiner Schützlinge an Krebs. Der Fall machte Schlagzeilen, als Bruce Springsteen dem 18-Jährigen bei einem Konzert in Madrid einen Song widmete. Der Schüler erlag der Krankheit, und sein Lehrer verarbeitete es auf seine Weise: Er setzte sich in Bewegung. „Ich bin neun Tage lang einen Marathon gelaufen, um Geld für die Familie zu sammeln." Der 51-Jährige war schon zuvor im Extremsport unterwegs, hat Formentera umrundet, den früheren Ultra-Trail durch die Tramuntana absolviert und zwei Mal den Marathon des Sables beendet. „Dort geht es in sechs Etappen mit Distanzen zwischen 40 und 92 Kilometern durch die Sahara. Schlafsack und Essen trägt man mit sich."

Die Treppen des Castell de Bellver sind ein beliebter Trainingsort - etwa für den Ausdauersport-Trend „Everesting". „Normalerweise machen das Radfahrer", erklärt der Hobbysportler aus Cuenca, der auf der Insel mit dem Team Malift Mallorca Trail unterwegs ist. „Es geht darum, einen Berg oder einen Hügel so oft zu erklimmen, bis man die 8.848 Höhenmeter des Mount Everest zurückgelegt hat." Sein Trainer schlug 2017 dem Team spaßeshalber vor, die Treppen des Castell de Bellver dafür zu nehmen. Die Teamkameraden von Luis Paez schauten ungläubig drein, als der Lehrer meinte, er macht's. „Keiner hatte an mich geglaubt, dass ich das schaffe."

151 Mal lief Paez 2017 und 2018 in 21 Stunden die 462 Stufen hoch und runter. „Es zählen nur die Höhenmeter. Das sind knapp 60." Dabei legte er etwa 80 Kilometer Distanz zurück. Geld sammelte er 2017 für die Forschung an infantiler Zerebralparese, einer seiner Schüler ist betroffen. Im Jahr darauf spendeten seine Zuschauer 1.700 Euro für den Betreuung autistischer Kinder.

Diesmal über den Everest hinaus

Sechs Mal wechselte Paez seine durchgeschwitzte Kleidung, drei Mal die nassen Schuhe, da er sich sonst Blasen gelaufen hätte. Der 51-Jährige kennt die Treppe des Castell de Bellver wahrscheinlich besser als der Baumeister. „Nur zwei Blöcke an Treppenstufen haben eine gerade Anzahl." Paez weiß auch genau, an welcher Stufe er beim 151. Mal quasi die Spitze des Mount Everest erreicht. Wobei er sich darum am Samstag keine Gedanken machen muss. Denn dann stockt er seine Herausforderung noch einmal auf. Statt die 8.848 Meter zu erreichen, will er in 24 Stunden die größtmögliche Strecke zurücklegen. Er hat sich zehn Höhenkilometer und 100 Kilometer Distanz vorgenommen. In der Zeit will er nur drei Pausen von je 15 Minuten einlegen, um die Kleidung zu wechseln und zu essen. Das Geld - diesmal für Flüchtlingskinder in der Sahara - wird am Fuß der Treppe gesammelt.

3:45 Minuten braucht der MZ-Reporter, um die komplette Treppe im Eiltempo hochzulaufen. „Eine ordentliche Zeit", attestiert Paez. „Wenn ich renne, schaffe ich es in 2:45 Minuten. Bei meiner Aktion gehe ich jedoch die Treppe hoch, um Kraft zu sparen. Im Durchschnitt brauche ich dann 4:30 Minuten. Hinab laufe ich. Das geht auf die Knie und ist wesentlich anstrengender als hinauf." Das schwierigste Stück seien die letzten Meter bis zum Castell. „Dort hat die Treppe eine Steigung von 26 Prozent. Ich hatte überlegt, das Stück wegzulassen. Doch dann würden mir jedes Mal drei Höhenmeter fehlen."

Während des Rennens denke er an nichts, meint der Lehrer. „Ich gehe nur die Schrittfolge durch. Denn meine Beine sind kurz und manche Stufen zu lang, als dass ich sie mit einem Schritt bewältigen kann." Musik zur Ablenkung höre er nicht. „Es kommen viele Zuschauer. Ich finde, dass ich es ihnen schuldig bin, sie zu hören, wenn sie mich anfeuern." Die Aktion wird wieder Forrest-Gump-Charakter haben. Wie im Spielfilm, wo viele Menschen dem laufenden Tom Hanks folgen, gibt es immer wieder Passanten, die Paez die Treppen hinaufbegleiten. „Ich bin nie allein. Zehn bis 15 Personen sind es bei jedem Gang nach oben." Doch im Gegensatz zu Forrest Gump weiß der Lehrer, warum er läuft: „Für die Kinder."