Pepe Laso ist ein angenehmer Gesprächspartner. „In meinem Alter habe ich keine Geheimnisse mehr", sagt der 82-Jährige. In jüngeren Jahren hat er mit Real Madrid Liga und Pokal gewonnen und 19 Mal für die Nationalmannschaft gespielt. Heute ist der Madrilene beim Zweitligisten Palmer Palma für die Spieler­entwicklung zuständig. Das Team ist am Freitag (16.10.) mit einer Auswärtspleite gegen Real Canoe in die neue Spielzeit gestartet.

Haben Sie nie daran gedacht, in den Ruhestand zu gehen?

Die Familie ist zwar dafür da, einem zu helfen. Ich will aber niemandem zur Last fallen. Solange mein Körper mir sagt, dass es weitergeht, mache ich auch weiter. Ich habe keine Freunde in meiner Altersklasse. Ich umgebe mich immer mit jungen Leuten. Das ist das Geheimnis, warum ich noch am Leben bin.

Warum die Abneigung gegen die Alten?

Ich habe nichts gegen alte Menschen an sich. Ich stehe aber nicht auf diese Unterhaltungen, in denen es nur um die Vergangenheit geht. Mich interessieren Gegenwart und Zukunft.

Können Sie in Ihrem Alter noch die komplexen Bewegungen vormachen?

Das ist seltsam. Meine Beine sind von alten Verletzungen aus Spielertagen lädiert. Zu Hause fällt es mir schwer, die wenigen Meter bis zum Briefkasten zu gehen und die Zeitung zu holen. Auf dem Spielfeld ist das anders. Da spielt das Adrenalin wohl eine Rolle.

Was hat Sie am Projekt hier überzeugt?

In erster Linie Präsident Guillem Boscana. Er ist eine uneigennützige Person. Und natürlich das Projekt mit den jungen Spielern, die nach vorne schauen. Bei meinen Teams zuvor hatte ich mit älteren Basketballern zu tun, wo die Leistung nachlässt. Ich habe keine Energie mehr, die zu motivieren. Daher trainiere ich auch keine Teams mehr und habe meine Trainerkarriere mit 52 Jahren relativ früh beendet.

Sie haben immer wieder betont, dass Sie sich eher als Lehrer sehen. Erklären Sie uns das.

Ich hatte nie die Leidenschaft für den Wettkampf. Ich mochte es mehr, den Spielern etwas beizubringen. Ich hatte gute Jahre als Trainer, war über lange Zeiträume bei den Clubs. Wenn ich mich aber beurteilen müsste, würde ich ­sagen, dass ich ein lausiger Trainer war. Im hochklassigen Basketball spielt Taktik eine wichtige Rolle. Darum habe ich mich nie geschert. Ich habe nie Gegner analysiert, um zu überlegen, wie ich ihr Spiel zerstören kann. Diese Videostudien machen heute alle Trainer.

Sie haben acht Jahrzehnte des Basketballs erlebt. Wie hat sich der Sport verändert?

Das ist wie beim Menschen. Man merkt es kaum, wie man von Jahr zu Jahr älter wird. Wenn man im Basketball mal drei Jahre raus aus dem ­Geschäft ist, ist es schwierig, ­Anschluss zu finden. Der Wandel geht schnell. Den Basketball von früher kann man mit dem von heute nicht vergleichen. Die Spieler sind viel größer. Früher war das Talent am wichtigsten. Heute kann ein Spieler ohne Athletik sein ­Talent nicht entwickeln. Basketballer sind heute die besten Athleten der Welt. Es gibt wohl keinen zweiten Körper wie den von ­LeBron James. Auch die Regeln haben sich verändert. Damit das Spektakel für die Fans größer ist, ­lassen die Schiedsrichter mehr Körperkontakt zu. Heutzutage ist es eine Art Kampf.

Wie halten Sie sich als Trainer über neue Techniken auf dem Laufenden?

Die Spieler selbst bringen es mir bei. Ich nehme immer Ex-Spieler Juan Carlos Navarro, la bomba genannt, als Beispiel. Diese Bomben ­waren verrückte Würfe. Seine Jugendtrainer haben ihn dafür ausgeschimpft. Er hat so aber getroffen. Heute werfen viele Spieler so. Der Trainer muss ein guter Beobachter sein.

Stehen Sie noch mit an der Seitenlinie?

Nein, zum Auftakt in Madrid bin ich nicht mal mitgeflogen. Ich kümmere mich nur um die Spielerentwicklung und gebe allgemein meine Meinung zur Spielweise ab. Die Spiele gucke ich mir im Fernsehen an und analysiere sie dann mit den Spielern. Der Basketball ist so schnell, dass man während der Partie die Spieler nicht auf individuelle Fehler aufmerksam machen kann. Das Orchester spielt. Das kann man nicht stoppen, um dem Flötisten zu sagen, dass er seinen Einsatz verpasst hat. Das macht man am Tag danach.

Was ist die wichtigste Regel, die Sie Ihren Spielern beibringen?

Zuerst versuche ich rauszufinden, ob der Spieler die gleiche Leidenschaft wie ich hat. Wenn der Basketball für ihn nicht die wichtigste ­Sache auf der Welt ist - abgesehen von Familie und Studium -, dann wird es schwierig.

Wären Sie als Jugendtrainer nicht besser aufgehoben?

Nein, wegen meines Alters mache ich keine langfristigen Projekte. Die Kinder von heute würde ich zu ihrem Höhepunkt wohl nicht mehr erleben. Ich brauche sozusagen Bäume, die schon Blüten haben. Einen Spieler, der von einer großen Karriere träumt.

Ist ein langfristiger Plan für die Spielerentwicklung nicht besser?

Das gibt die Zeit nicht her. Die Spieler werden dir weggeschnappt. Ich hatte Bismack ­Biyombo unter meinen Fittichen. Nach acht, neun Monaten zog es ihn zu einem spanischen Erstligisten weiter und wenig später in die NBA.

Können Sie als privater Trainer den Spieler nicht über die ganze Karriere begleiten?

Ich kenne nur einen Fall, wo das passiert ist: Dirk Nowitzki. Er hat seinen Trainer von der zweiten deutschen Liga bis in die NBA mitgenommen. Ich denke mal, dass sie auch heute noch befreundet sind. Für mich hat sich so eine Option nie ergeben.

Sie kritisieren, dass die Spieler nicht selbstständig denken. Wie gehen Sie dagegen an?

Die Trainer drängen die Spieler dazu. Ich sage den Basketballern, dass sie den Trainern zwar die Entscheidung über ihren Körper, aber nicht über ihren Geist überlassen dürfen. Das gilt auch sonst im Leben. Die Spieler müssen dem Trainer zuhören und ihn respektieren. Sie dürfen ihm aber nicht die volle Entscheidungsmacht überlassen. Sonst bist du ein Esel.

Sie gehören zu einer von vier spanischen Familien, wo Vater und Sohn Nationalspieler waren. Haben Sie Ihren Sohn zum Basketball gedrängt?

Ich habe drei Kinder: zwei Söhne und eine Tochter. Ich habe Pablo nie zu etwas gezwungen. Er hat mich immer bedrängt, den ganzen Tag zu spielen. Das Umfeld spielt natürlich eine Rolle. Kinder von Schauspielern oder Musikern gehen auch oft ähnliche Wege wie die Eltern. Meinem anderen Sohn hat der Basketball zwar gefallen, aber nicht so sehr wie Pablo. Wir haben in Vitoria gewohnt, wo es viel geregnet hat. Pablo wollte jeden Tag trainieren, obwohl der Platz nicht überdacht war. Da hab ich seinen Bruder gefragt, der meinte nur: Spinnst du, es regnet doch.

Pablo Laso hält bis heute den Rekord für Assists und Steals in der spanischen Liga. Ist das auch Ihr Verdienst?

Individuell habe ich ihn viel trainiert, als Mannschaftstrainer nur ein Jahr. Als er 18 Jahre alt wurde, habe ich ihm einen Berater ­gesucht. Ich wollte mich als Vater nicht einmischen. Es ist gut gelaufen. Heute weiß er ­wesentlich mehr über Basketball als ich, und wir sprechen nicht viel über den Sport. Ab ­einem gewissen Punkt habe ich gesagt: Es reicht. Als Berater hat er seine Co-Trainer.

Warum nehmen Sie Abstand?

Ich würde sehr nervös leben. Ich kann die Spiele von Real Madrid auch nicht live sehen. Da bin ich zu angespannt und komme aus der ­Vaterrolle nicht raus. Niederlagen schaue ich meist auch im Nachhinein nicht an, da ich zu sehr leiden würde.

Ihr 14-jähriger Enkel Aksel spielt in der ­Jugend von Real Madrid. Setzt er die Fami­liensaga fort?

Er hat das typische Laso-Problem: Er ist klein gewachsen. Ich hoffe jeden Sommer auf einen Wachstumsschub. Er hat zwar das gleiche Talent wie sein Vater, ihm fehlt aber die Athletik.