In Spanien geboren, in Marokko ein Held: Hakimis großes Spiel

Bei Borussia Dortmund trauern sie ihm heute noch nach: Achraf Hakimi ist der auffälligste Spieler in dem bislang so starken marokkanischen Team. Im WM-Achtelfinale trifft er jetzt auf viele Bekannte.

Marokkos Abdelhamid Sabiri (r) jubelt nach seinem Tor zum 0-1 mit Achraf Hakimi (l) und Sofyan Amrabat. Vor dem Achtelfinale gegen sein Geburtsland Spanien ist Hakimi der auffälligste Spieler in dem bislang so starken marokkanischen Team.

Marokkos Abdelhamid Sabiri (r) jubelt nach seinem Tor zum 0-1 mit Achraf Hakimi (l) und Sofyan Amrabat. Vor dem Achtelfinale gegen sein Geburtsland Spanien ist Hakimi der auffälligste Spieler in dem bislang so starken marokkanischen Team. / Foto: Christophe Ena/AP/dpa

Sebastian Stiekel und Ulrike John, dpa

Zumindest einige Reporter aus Marokko erleben bei der Fußball-WM gerade die Zeit ihres Lebens. Sie tragen auch ein Trikot der Nationalmannschaft, wenn sie den Spielern ihre Fragen stellen. Und manchmal gibt es vor der Frage noch einen Schmatzer auf die Wange. Bei Achraf Hakimi allerdings stößt dieser Enthusiasmus an seine Grenzen. Der frühere Spieler von Borussia Dortmund gibt seine Interviews in Katar auf Spanisch. Ausgerechnet den besten Spieler ihrer Mannschaft können die Reporter kaum verstehen.

Hakimi wurde vor 24 Jahren in Madrid geboren und von seinem 8. bis zum 20. Lebensjahr bei Real ausgebildet. Wenn die WM-Überraschung Marokko am Dienstag (16 Uhr/ARD und Magenta TV) im Achtelfinale auf Spanien trifft, kennt er zumindest einige Spieler des Gegners deutlich länger und vermutlich auch besser als die eigenen. Tauschen möchte er trotzdem nicht. "Unser Team ist mehr als ein Team, wir sind eine Familie. Unsere Generation ist da, um Geschichte zu schreiben", sagte Hakimi.

"Können Turnier gewinnen"

Der überzeugende Gruppensieg vor dem WM-Zweiten Kroatien und dem WM-Dritten Belgien bedeutete für Marokko bereits die erste Achtelfinal-Teilnahme bei einer Weltmeisterschaft seit 36 Jahren. Doch das ist dieser Mannschaft noch nicht genug. "Ich sage nicht: Wir werden das Turnier gewinnen. Aber wir können es gewinnen", meinte der Bayern-Profi Noussair Mazraoui nach dem 2:1 gegen Kanada im letzten Vorrunden-Spiel.

Mazraoui und Hakimi stehen gleich in doppelter Hinsicht für Marokkos Erfolg bei dieser WM. Dem Kader gehören Spieler von Bayern München (Mazraoui), Paris Saint-Germain (Hakimi), FC Chelsea (Hakim Ziyech) und dem FC Sevilla (Bono und Youssef En-Nesyri) an. Die individuelle Klasse der Marokkaner übersteigt die der anderen afrikanischen Teams in Katar bei Weitem. 

Eigene Werte einbringen

Und dann ist da noch das Leitmotiv dieser WM-Kampagne, über nichts redet Marokkos Trainer Walid Regragui bei seinen Pressekonferenzen häufiger und lieber. "Wir müssen das Spiel der Europäer kopieren und unsere eigenen Werte einbringen. Wenn wir das machen, gewinnen wir", sagte der 47-Jährige.

Genau wie Hakimi oder Mazraoui wurde Regragui nicht in Marokko geboren. Er kam in einer Vorstadt von Paris zur Welt und spielte als Profi unter anderem für den FC Toulouse und AJ Ajaccio in Frankreich sowie für Racing Santander in Spanien. Wenn er in Katar ständig von "europäischem State of mind" oder "europäischer Haltung" spricht, dann meint er damit das Ergebnisdenken und die Druckresistenz, die Spieler wie Hakimi bei PSG jede Woche brauchen.

Von Madrid nach Dortmund

Der Abwehrspieler verließ seinen Heimatclub Real Madrid einst, weil er dort ausgerechnet an Spaniens Rechtsverteidiger Daniel Carvajal nicht vorbeikam. Erst wechselte Hakimi von 2018 bis 2020 zu Borussia Dortmund, dann für eine Saison zu Inter Mailand, ehe Paris Saint-Germain ihn vor anderthalb Jahren für eine Ablösesumme von rund 68 Millionen Euro in sein Starensemble einreihte.

Jeder seiner Ex-Clubs kann bei dieser WM noch einmal sehen, was er an Hakimi hatte. Der Marokkaner kombiniert Schnelligkeit und Technik in einem Maße, wie das selbst auf diesem Niveau nur selten zu finden ist. Die Dortmunder holten einst den belgischen WM-Spieler Thomas Meunier als Ersatz und Inter den Niederländer Denzel Dumfries. Beide Clubs trauern Hakimi noch immer hinterher.

Spanier wären froh

Selbst die Spanier wären mittlerweile wohl froh, wenn er sich in seiner Jugendzeit für ihr Land und nicht für Marokko entschieden hätte. Sein ehemaliger Konkurrent Carvajal jedenfalls verlor nach einem schwachen Auftritt beim 1:1 gegen Deutschland seinen Platz im Team. 

Für Hakimi stand das aber nie ernsthaft zur Debatte. "Ich hatte Kontakt mit dem spanischen Verband, aber immer vor, für Marokko zu spielen" sagte er schon vor der WM. "Ich bin ein Produkt der marokkanischen Kultur, meine Mutter hat immer arabisch gekocht und ich bin ein praktizierender Moslem." Vielleicht gibt er nach einem Sieg gegen Spanien ja sogar auch ein Interview auf Arabisch.