Vor dem Krieg geflohen: Wie bei einer 19-jährigen Ukrainerin auf Mallorca die Träume zurückkehren

Alisa Barmashyna war auf dem Weg ins Profi-Tennis. Nun setzt sie auf der Insel auf eine alternative Karriere

Alisa Barmashyna lebt seit Kurzem auf Mallorca und schult vom Tennis zum Padel um.  | FOTO: BERNARDO ARZAYUS

Alisa Barmashyna lebt seit Kurzem auf Mallorca und schult vom Tennis zum Padel um. | FOTO: BERNARDO ARZAYUS / Elena García

Elena García

Sie ist erst 19, und doch ist Mallorca für sie ein wenig ihr letzter Strohhalm, was die sportliche Karriere angeht. Die Ukrainerin Alisa Barmashyna träumt auf der Insel von einer Profikarriere als Padel-Spielerin. Die Kreuzung aus Tennis und Squash ist hierzulande beliebt und findet auch in Deutschland immer mehr Anhänger, wobei es weiterhin eine Randsportart ist, von der nur wenige leben können. Für Barmashyna, die quasi schon eine Hand am großen Geldkoffer hatte, den die Tenniskarriere darstellt, ist es dennoch ein kleines Trostpflaster.

Talentscouts aus den USA entdeckten sie

Alisa Barmashyna kam 2003 in Kiew zur Welt. „Mein Opa bestand darauf, dass ich irgendeine Sportart ausübe“, erzählt sie. Skifahren war die erste Option. „Er hat schnell festgestellt, dass ich darin eine Niete bin. Daraufhin hat er mich beim Tennis angemeldet.“ Sechs Jahre war das Mädchen damals alt. Anders als auf den zwei Brettern stellte sich die Ukrainerin mit dem Schläger in der Hand ziemlich geschickt an und war schnell eines der großen Talente ihres Jahrgangs. Mit zehn Jahren spielte sie ihre ersten Turniere.

Im Alter von 16 Jahren wurden Talentscouts aus den USA auf Barmashyna aufmerksam. Die Universität von South Carolina bot ihr ein Stipendium an, damit sie den Leistungssport mit der schulischen Ausbildung unter einen Hut bekommen konnte. „Meine Karriere lief bis zu dem Zeitpunkt wie geschmiert. Vor mir lag praktisch ein roter Teppich, der mich in den Profisport führen sollte“, sagt die Ukrainerin.

Erst Corona, dann der Krieg

Die Corona-Pandemie ließ diesen Traum platzen. Die Universität, die schon zugesagt hatte, verringerte die Anzahl an Studenten, und ihr Stipendium wurde gestrichen. „Das waren schwierige Monate. Ich entschied mich dazu, den Sport für eine Weile ruhen zu lassen“, sagt die 19-Jährige. „Mein Ehrgeiz war verpufft. Da waren keine Ziele, für die es sich zu kämpfen lohnt.“ Wenig später spielte sie zwar wieder, aber nur bei kleineren Tennisturnieren in der Ukraine.

Während es für viele Menschen nach der Pandemie langsam wieder bergauf ging, hatte Barmashyna das Schlimmste noch vor sich. Der Kriegsausbruch zwang die damals 18-Jährige zur Flucht. Sie ließ ihre Heimat und ihre Eltern zurück. Am Tag nach dem russischen Einmarsch war sie schon in Budapest. Anderthalb Wochen später zog sie nach Berlin weiter, wo ihr Bruder lebt. „Ich habe ein neues Leben angefangen. Es sind immer noch harte Zeiten. Meine Familie hat zum Glück keine Toten zu beklagen, aber einige Verwandte kämpfen an der Front“, sagt Barmashyna. Seit ihrer Flucht hat sie ihren Vater nicht mehr gesehen. „Meine Mutter konnte mich hingegen zum Jahreswechsel besuchen kommen“, sagt sie.

Zufällige Begegnung in Berlin

Per Fernstudium studiert die 19-Jährige an der Universität von Kiew Soziologie. Nebenbei jobbte sie als Kellnerin. Wenn es die knappe Freizeit erlaubte, spielte sie hin und wieder gegen Freunde ein Tennismatch. Dann eröffnete sich endlich wieder eine Tür. Zufällig lief sie dem mallorquinischen Unternehmer Matías Bonet über den Weg. Er ist ein Arbeitskollege ihres Bruders. Bonet kämpft dafür, den Padel-Sport in Berlin zu etablieren. Eines Tages lud er den Bruder zu einer Partie ein, und der Bruder fragte, ob seine kleine Schwester mitkommen dürfe. Sie durfte.

Alisa Barmashyna hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie von der Sportart gehört und stellte sich anfangs ziemlich schusselig an. „Wenn ich ehrlich bin, war sie sehr schlecht“, sagt Bonet. „Ich gab ihr zwei Wochen lang einen Intensivkurs. Nach und nach schulte sie dann vom Tennis um.“

Der Mallorquiner ist nunmehr begeistert von dem ukrainischen Padel-Juwel. „Ich schlug ihr vor, auf die Insel zu ziehen, bei meinen Eltern zu wohnen und auf eine Profikarriere zu setzen.“ Barmashyna kannte keine Scheu und sagte zu. Ende Februar landete sie auf Mallorca. „Ich bin voller Vorfreude“, sagt sie. „Na klar ist es schon wieder eine völlig neue Etappe in meinem Leben und weit weg von meiner Familie. Aber es ist das, was ich immer gewollt habe.“

Auf dem Weg zum Profi

Der Wechsel der Sportart fällt Alisa Barmashyna dabei noch immer schwer. Anders als im Tennis gibt es im Padel kein Aus. Der Ball springt von Wänden ins Feld zurück. „Für mich ist es schwierig, nicht abzuschalten, wenn der Ball an mir vorbeirauscht. Ich merke aber, wie ich mich langsam verbessere.“

Derzeit tritt sie in der vierten Inselliga an. „Gen Jahresende könnte ich mich schon bis in die zweite Spielklasse hochgearbeitet haben“, hofft sie. „Auch wenn ich ganz unten anfange, erhalte ich dennoch eine professionelle Ausbildung.“ Morgens studiert sie weiterhin für die Fernuni, mittags schuftet sie mit einem Personal Trainer an der Fitness, und abends geht es auf den Platz. Jeden Tag. „Und am Wochenende spiele ich Turniere.“

Auf der Insel sind die Träume zurückgekehrt. „Ich möchte mein Land bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles vertreten. Ich bin hier schließlich nicht im Urlaub“, sagt sie selbstbewusst. Dass das möglich sein wird, ist eher unwahrscheinlich. Padel ist derzeit noch nicht olympisch und steht –anders als Squash – auch nicht auf der Liste der neuen Sportarten, die für die Spiele 2028 infrage kommen.

Unabhängig davon ist sich die 19-Jährige sicher, dass sie eines Tages in ihre Heimat zurückkehren will. „Ich will eine Pionierin des Padel-Sports in der Ukraine werden. Bei meinem Vater war mir klar, dass er mich dabei unterstützen wird. Mich hat aber überrascht, dass sich meine Mutter so sehr über meine sportliche Entwicklung gefreut hat“, sagt Alisa Barmashyna.

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