Bammel vor Kopfbällen, Angst vor dem Rückfall: Die Sorgen einer Profi-Fußballerin, die den Krebs besiegt hat

Die Mallorquinerin Virginia Torrecilla, Kapitänin der spanischen Fußballnationalmannschaft, im Interview über ihre Rückkehr auf den Platz nach der schweren Erkrankung

Elena García

Im Mai 2020 diagnostizierten die Ärzte bei der mallorquinischen Fußballerin Virgina Torrecilla einen Gehirntumor. Wenig später landete dann auch noch die Mutter der Kapitänin der spanischen Fußballnationalmannschaft nach einem Verkehrsunfall im Rollstuhl.

Über die turbulenten vergangenen Jahre hat die 28-Jährige aus Cala Millor nun ein Buch geschrieben: „Nadie se arrepiente de ser valiente“ (Niemand bereut es, mutig gewesen zu sein, Delecé, 16 Euro). Mittlerweile ist die Mittelfeldspielerin von Atlético Madrid wieder auf den Platz zurückgekehrt, darf aber nicht so viel spielen, wie es ihr lieb wäre.

Wie kam es zu dem Titel Ihres Buches?

Als ich krank im Bett lag, sah ich eine Serie, die von einem Krebskranken handelte. Der verlangte von sich selbst, in jedem Augenblick mutig zu sein. Denn eines Tages würde ihn vielleicht die Angst einholen. Ich konnte mich gut mit diesem Gedankengang identifizieren und habe es als Motto für meine Genesung genommen. So wollte ich auch Probleme angehen. Als ich auf der Suche nach einem Titel war, habe ich darauf zurückgegriffen. Vor der Krankheit gab es einige Dinge, die ich nicht getan habe, was ich späte bereute. Seitdem ich wieder gesund bin, ist das anders.

Wie kam es überhaupt zu der Idee, ein Buch zu schreiben?

Ich habe schon immer gerne gelesen und geschrieben. Das Schreiben hilft mir dabei, Emotionen auszudrücken, und es erleichtert mich. Manchen Menschen mag das merkwürdig erscheinen, aber mir hilft es, Probleme zu überwinden, wenn ich meine Gedanken teile.

Wie läuft das ab? Sind Sie beim Schreiben nicht ziemlich niedergeschlagen?

Na klar. Bei manchen Zeilen, die ich geschrieben habe, habe ich wie ein Schlosshund geheult. Manche Kapitel haben bei mir Herzschmerz ausgelöst. Aber gerade das sind die Stellen, die ich nun als die besten des Buchs empfinde. Ich hoffe, dass sich die Leser in meine Lage versetzen können. Natürlich gab es auch schöne Momente, die ich teilen wollte.

Sie sind sehr aktiv in den sozialen Netzwerken. Kürzlich schrieben Sie dort: „Nichts passiert, alles ist gut, ruh dich aus, erlaub dir, Fehler zu machen und dich zu verbessern.“ Hatten Sie einen Rückschlag erlitten?

Mir geht es gut. Ganz ehrlich. Es geht jeden Tag bergauf. Aber ich kämpfe darum, eine neue Virginia zu sein und mir einige Dinge, die mir der Krebs geraubt hat, zurückzuholen. Mir fällt es derzeit wahnsinnig schwer, zuzunehmen und Muskelmasse aufzubauen. Das sind eigentlich einfache Dinge, die für mich nun große Hürden darstellen. Es ist noch ein weiter Weg, bis ich den Fußball wieder wie früher genießen kann.

In einem früheren Interview haben Sie davon gesprochen, nun Angst vor Kopfbällen zu haben. Ist das eine dieser Hürden?

Angst habe ich vor den Kontrollterminen beim Arzt, wo geschaut wird, ob der Tumor zurückkehrt. Der steht bald wieder an und jeden Tag, den er sich nähert, wächst der Bammel. Als ich die Chemotherapie und das ganze Drumherum abgeschlossen hatte und auf den Fußballplatz zurückgekehrt war, fühlte es sich am Anfang komisch an, den Kopf gegen den Ball zu hauen. Ich hatte Bedenken, dass mir vielleicht schwindelig wird oder irgendwas Schlimmes passiert. Mittlerweile geht es mir in dem Aspekt aber wieder besser. Ich gehe ohne groß nachzudenken in Kopfballduelle. Ganz wie früher ist es aber noch nicht. Es wird noch dauern, bis sich diese Bedenken völlig auflösen.

Wie sehr haben Sie sich in den vergangenen drei Jahren verändert?

Komplett! Ich habe früher selten über Dinge nachgedacht und war ziemlich verrückt. Ich bin in Riesenschritten erwachsen geworden, musste das auf die harte Tour lernen. Ich sehe das Leben nun mit anderen Augen, auf eine bessere Art und Weise, wie ich finde. Dafür bin ich der Krankheit sogar dankbar.

Vorher waren Sie Stammspielerin. Wie gehen Sie damit um, dass Sie sich nun immer wieder auf der Bank wiederfinden?

Ich würde Sie gerne anlügen und erzählen, dass das für mich keine Rolle spielt. So ist es aber leider nicht. Das Leben legt mir Steine in den Weg. Als ich dachte, dass ich das Schlimmste überstanden habe, muss ich mich nun damit auseinandersetzen. Fußball ist alles für mich, und ich komme mit der Situation nicht klar. In all meinen Vereinen war ich stets Stammspielerin. Auch jetzt sehe ich mich in guter Verfassung, sitze aber nur auf der Bank. Verdammt noch mal! Ich habe den Krebs besiegt, meine Mutter hat einen schlimmen Unfall überlebt. Da muss ich doch auch diese Hürde nehmen können und darf nicht das Handtuch werfen.

Sind Sie körperlich schon wieder auf dem gleichen Stand wie vor dem Krebs?

Mir fehlen noch fünf Kilo Muskelmasse, und ich bin noch nicht bei 100 Prozent. Aber ich bin bereit zu spielen. Ich merke, wie meine Fähigkeiten zurückkommen: mein Torschuss, die langen Pässe, mein Tempo. Dem verpasse ich nun noch den Feinschliff.

Sie haben mit 17 Jahren die Insel verlassen, haben in Barcelona und Montpellier gelebt und wohnen nun in Madrid. Haben Sie nach all den Vorfällen Heimweh?

Durchaus. Als Jugendliche habe ich nicht viele Gedanken daran verschwendet. Mir ging es gut, der Familie auch – da machte es nichts aus, dass ich so weit weg lebe. Jetzt suche ich gezielt die Nähe zu meiner Insel und meiner Familie. Ich glaube, meine Rückkehr in die Heimat ist nicht mehr allzu weit entfernt. Das macht mir Mut.

Dafür müsste es aber eine Profi-Frauenmannschaft auf der Insel geben.

Ich würde alles Geld der Welt bezahlen, um auf Mallorca spielen zu können. Und da bin ich nicht die Einzige. Ich habe das Thema schon oft mit den Mallorquinerinnen Patricia Guijarro und Mariona Caldentey besprochen, die mit mir im Nationalteam spielen. Wir würden nur allzu gerne gemeinsam in einem Inselclub spielen, der wirklich auf den Frauenfußball setzt. Mallorca hat viele gute Spielerinnen hervorgebracht. Es ist schade, dass alle das Glück in der Ferne suchen mussten.

Macht es Sie traurig zu sehen, wie Ihr Heimatclub Collerense mittlerweile in der vierten Liga herumkrebst?

Vor allem finde ich es traurig, dass der Frauenfußball auf Mallorca noch nicht die Bedeutung hat, die ihm eigentlich zusteht. Mit dem Drittligisten Atlético Baleares bemüht sich zumindest eine Mannschaft mit vernünftiger Jugendarbeit darum. Collerense wird einfach jedes Jahr schlechter. Dabei hat der Verein einst so vielen Mädchen die Freude am Fußball vermittelt. Zudem wäre es schön, wenn Real Mallorca sich mal in diese Richtung engagieren würde. Früher hatten sie eine Frauenmannschaft, die aber aufgelöst wurde. Mit dem Standing, das Real Mallorca auf der Insel hat, wäre das ein großer Impuls.

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