Wie Deutschlands talentierteste Nachwuchsboxerin Sophie Alisch auf Mallorca an ihrer Profi-Karriere bastelt

Die 21-Jährige gilt als große Hoffnung im deutschen Boxsport und lebt jetzt auf einer Finca bei Campos. Für ihre Karriere haben auch ihre Eltern alles stehen und liegen gelassen

Definiert sich als „Sonnenkind“: Sophie Alisch.

Definiert sich als „Sonnenkind“: Sophie Alisch. / Nele Bendgens

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Die Last auf den Schultern von Sophie Alisch dürfte enorm sein. Die Erwartungen in die 21-jährige Boxerin aus Berlin sind groß. „Wenn es eine ganz nach oben schaffen kann, dann Sophie“, sagte die Ex-Weltmeisterin Regina Halmich über die junge Frau, die seit vergangenem Juli in Campos lebt. Und die Irin Katie Taylor, derzeit als amtierende Weltmeisterin der wichtigsten Verbände das Nonplusultra im Boxsport der Frauen, bezeichnete sie als „one to watch“ – also eine Sportlerin, die man im Auge behalten sollte. „The sky is the limit“, sagen die US-Amerikaner gern. Es sind keine Grenzen gesetzt. Das haben auch ihre Eltern erkannt, die aus Kiki, wie sie sie nennen, ein Familienunternehmen machten.

Schon als Kind war das blonde Mädchen auf Zack. Damit die zwei Töchter – vor drei Monaten kam eine dritte Schwester hinzu – nicht in der Großstadt aufwachsen, war die Familie nach Kitzbühel gezogen. „Ich probierte mich in vielen Sportarten aus. Erst war Berglaufen mein Favorit“, erzählt Alisch. Als Neunjährige landete sie dann aber erst einmal beim Tennisspielen aus. Der Trainer war begeistert. „Er sagte mir, ich solle unbedingt dranbleiben und hätte das Zeug zum Profi. Mir hat es auch großen Spaß gemacht“, sagt sie.

Boxen als Ausgleich für den Tennis

Vier Jahre später zog die Familie nach Berlin zurück. Sophie Alisch prügelte weiter auf die gelben Filzbälle ein. „Mein Trainer meinte, dass mir ein anderer Sport zum Ausgleich guttäte. Er schlug Tanzen oder Boxen vor“, sagt sie. Die Jugendliche entschied sich für die zweite Option und war wie gefesselt. Tennis rückte in den Hintergrund. „Boxen war ein Jungssport. Aber es hat mich nie einer schief angeschaut. Das hat mir gefallen.“ Zumal auch hier der Trainer hellauf begeistert war. „So eine Power und Athletik hatte er bei einem Mädchen noch nie gesehen.“

Nun mussten noch Mama und Papa überzeugt werden. „Der Wechsel von Tennis zu Boxen hat meine Eltern etwas schockiert“, erinnert sich Alisch. Dabei hätten beide Sportarten mehr Gemeinsamkeiten, als man vermuten würde. „Tennis und Boxen sind Ganzkörper-Sportarten, bei denen die Beinarbeit den Unterschied ausmacht.“

Gegen die Jungs durchsetzen

Bammel vor dem Kontakt hatte sie nicht. „Mir war nicht bange davor, Treffer einzustecken oder auszuteilen. Ich musste mich gegen die Jungs durchsetzen.“ Mit 14 stand Sophie Alisch in Schwerin das erste Mal im Ring, im Olympiastützpunkt. Dort trainiere sie heute noch. Da es auch für die Gegnerin das erste Mal war, legte sich die Nervosität schnell ,und Sophie Alisch gewann. „Im zweiten Kampf am selben Tag habe ich mir aber ein blaues Auge und eine Niederlage geholt.“

Sophie Alisch ließ sich davon nicht entmutigen und kletterte zügig die Karriereleiter hinauf. Für die Olympischen Spiele in Tokio stand sie im Perspektivteam. „Ich war die einzige 16-Jährige inmitten der ganzen Veteraninnen.“ Doch der Olympia-Traum platzte: Einerseits wurden die Spiele durch Corona verschoben und standen lange auf der Kippe. Andererseits feierte Alisch im April 2019 ihr Profidebüt, was eine Olympiateilnahme in der Regel ausschließt, da dort Amateure boxen.

„Es sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Die Amateure boxen drei mal drei Minuten, die Profis zehn mal zwei Minuten. Theoretisch wären die Spiele aber für mich noch möglich. Das habe ich noch nicht ganz abgehakt“, sagt sie. Dafür muss sie aber Anträge beim Boxverband stellen und sich umständlich qualifizieren. „Das ist ein steiniger Weg.“

Alle neun Kämpfe gewonnen

Bevor sie den einschlägt, will sie erst einmal schauen, wie weit sie im Profibereich kommt. Alle ihre neun Kämpfe hat sie bislang gewonnen. „Ich stehe aber noch ganz am Anfang meiner Karriere und muss viel trainieren“, sagt sie. Theoretisch könnte sie schon eine Weltmeisterin herausfordern. „Ich würde gegen jeden boxen. Aber es ist auch ein Geschäft. Ich möchte mich gut präsentieren und bereit dafür sein.“

Für den Sport hat die Boxerin vorzeitig die Schule verlassen. „Es war einfach zu viel für mich. Zwei Trainingseinheiten und das Abi habe ich nicht unter einen Hut bekommen“, sagt sie. Derzeit holt sie per Fernstudium das Abitur nach. Den Abschluss peilt sie in diesem Jahr an. Ein weiteres Studium ist derzeit nicht geplant. Sie setzt alles auf die Boxkarriere. „Vom Sport alleine kann man in Deutschland schlecht leben. Mit den sozialen Netzwerken kann ich mir aber gut ein zweites Standbein aufbauen“, sagt Alisch, der auf Instagram 174.000 Leute folgen.

Boxkarriere als Familienunternehmen

Und das scheint mehr als nur ein kleiner Nebenjob zu sein. Die Tochter hat ihre Eltern gebeten, ihre Arbeiten einzustellen, um sie rund um die Uhr unterstützen zu können. „Mein Vater hängt 24 Stunden, sieben Tage die Woche am Telefon und spricht mit Sponsoren. Meine Mutter kauft ein und bekocht mich. Meine Schwester generiert Inhalte für meinen Instagram-Account, den mein Vater ebenfalls verwaltet.“ Dass sie dabei ständig im Mittelpunkt steht und der Erfolg der Familie von ihren Fausthieben abhängig ist, scheint sie nicht zu belasten. „Ich könnte glücklicher nicht sein. Ich führe ein tolles Leben. Die Euphorie, die einen nach einem Kampf durchströmt, lässt sich kaum beschreiben.“

Und die Gefahr, durch all die Lobeshymnen abzuheben? „Ich denke dann immer zurück, wie hart es am Anfang war und wie schnell man scheitern kann. Ich bleib einfach die liebe Sophie, die immer nett ist.“ Auf Mallorca trainiert sie Kraft und Ausdauer. Für das Sparring pendelt sie nach Deutschland. „Ich wollte einfach mal raus aus Berlin“, erklärt sie ihre Auswanderung nach Campos, wo sie auf einer Finca mit Hunden, Katzen und Hühnern lebt. „Ich bin ein Sonnenkind und genieße die Zeit am Strand.“ Falls der Karriereplan überhaupt einen Platz dafür einräumt. Denn in diesem Jahr will sie noch öfter kämpfen.

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