Interview auf Mallorca: Warum Kulttrainer Peter Neururer nicht mehr in der Bundesliga arbeiten möchte

Der 68-Jährige verbrachte den Jahreswechsel auf Mallorca. Die MZ sprach mit ihm auch über die Schalker Krise und die drohende Super League

Abschlagen statt feiern. Peter Neururer verbringt Silvester lieber auf Mallorca.

Abschlagen statt feiern. Peter Neururer verbringt Silvester lieber auf Mallorca. / Privat

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Einst tanzte Peter Neururer vor der Tribüne oder färbte sich nach dem Klassenerhalt mit dem VfL Bochum die Haare in den Vereinsfarben Blau und Weiß. Nicht nur im Pott ist der 68-Jährige Kult. Gefühlt hatte der Marler schon bei allen deutschen Clubs mal seine Finger im Spiel. Zwölf Vereine trainierte er in der ersten und zweiten Liga. Lange Zeit zählte er zu den klassischen Feuerwehrmännern, die mit ihrer motivierenden Art einen Abstieg verhindern sollen. Derzeit kommentiert er die Bundesliga in verschiedenen Fernsehformaten und trainiert die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV). Über den Jahreswechsel war Neururer auf Mallorca Golfspielen.

Was verschlug Sie auf die Insel?

Wir haben dem Trubel in Deutschland seit 15 Jahren Lebewohl gesagt. Ich habe keine Lust mehr auf irgendwelche Partys. Daher bin ich mit meiner Frau immer vom 27. Dezember bis 3. Januar auf Mallorca rund um Canyamel. In der Zeit ist der Geburtstag meiner Frau und unser Hochzeitstag.

Sie trainieren die VDV. Wie funktioniert das Training mit den arbeitslosen Kickern?

Das ist wie ein normales Trainingslager. Am ersten Tag der Transferperiode kommen die Spieler zusammen, die gerade keinen Verein haben und bei der VDV Mitglied sind – das sind fast alle Profis in Deutschland– und bekommen von mir und meinen Assistenten ein Training. Schalke 04 stellt die medizinische Betreuung. Das Trainingslager ist für vier Wochen angesetzt. Meist ist jedoch schon nach dreieinhalb Wochen Schluss, da 80 Prozent der Spieler einen neuen Verein finden. Allerdings machen wir das nur im Sommer. In der Wintertransferperiode gibt es zu wenige vertragslose Spieler.

Sie sind seit gut neun Jahren raus aus dem Bundesligageschäft. Würde Sie die Rückkehr auf eine Trainerbank dort noch reizen?

Was heißt raus? Ich habe Verträge beim Fernsehsender Sport1, wo ich die Liga kommentiere und über Sponsoren Kontakt zu den Vereinen. Ich bin weiter im Tagesgeschäft unterwegs. Ich habe allerdings 2016 gesagt, dass ich nicht mehr in der Bundesliga arbeiten möchte. Ich habe keine Lust mehr, weil ich mit einigen Dingen im weltweiten Profifußball nicht mehr einverstanden bin.

Ich hätte keine Lust, irgendeinem Präsidenten zu erklären, warum ich einen Spieler aufstelle oder eben nicht.

Die da wären?

Haben Sie fünf Stunden Zeit, um mir zuzuhören? Wenn ich schon höre, dass ein Trainer einen Vertrag mit festgeschriebener Ablösesumme unterschreibt .... Wenn ich der Sportvorstand wäre und ein Trainer mit so einer Idee auf mich zukommen würde, würde ich ihm die Tür zeigen. Andersrum versuchen immer mehr Sportdirektoren Einfluss auf die Trainer zu nehmen. Ich hätte keine Lust, irgendeinem Präsidenten zu erklären, warum ich einen Spieler aufstelle oder eben nicht. Ich habe bis zu meinem letzten Tag auf der Trainerbank mit Spaß gearbeitet und keinen Druck empfunden. Geld genug habe ich verdient. Dieser Motivationspunkt, der anfänglich vielleicht einer war, fällt weg. Mehr als ein Steak pro Tag muss ich nicht essen. Die Träume, die ich im Fußball hatte, durfte ich alle erleben. Ich habe 619 Pflichtspiele als Trainer in der ersten und zweiten Liga gemacht. Es gibt keine Herausforderungen auf dem Trainerstuhl mehr für mich. Alles andere mache ich, weil ich den Fußball liebe.

Die seit Jahren geplante Super League hat vor zwei Wochen einen Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof erzielt und droht mal wieder, den Fußball zu revolutionieren. Wie sehen Sie das?

Es wäre das Ende des Fußballs. Wer will da denn überhaupt mitmachen? Real Madrid und FC Barcelona, die sonst nicht zu Geld kommen. Hurra. Fragen Sie mal beim FC Bayern nach. Oder den Dortmundern. Die machen mit Sicherheit nicht mit.

Wer weiß, wenn das Geld lockt.

Die Super League würde alle anderen Ligen uninteressant machen. Was habe ich von einem Titel, wenn die zwei, drei besten Vereine im Wettbewerb nicht mitspielen? Der wäre wertlos. Und das gilt für alle Ligen. Und auf das 20. Aufeinandertreffen von sagen wir mal FC Bayern gegen AC Milan hat der Zuschauer auch irgendwann keine Lust mehr. Dann lässt sich das nicht mehr vermarkten, wenn die Einschaltquoten geringer werden. Wo soll das Geld dann herkommen? Die Zuschauer werden sicher nicht regelmäßig mit dem Flugzeug in andere Länder fliegen, um bei Auswärtsspielen dabei zu sein. Der Fußball wäre somit erledigt. Es blieben nur noch die Amateure.

Ich hoffe, dass den betreffenden Leuten bald mal das Gehirn eingeschaltet wird.

Ist die Super League denn noch zu stoppen?

Ich hoffe, dass den betreffenden Leuten bald mal das Gehirn eingeschaltet wird. Es ist schon verrückt, was in der Champions League passiert. Früher war das mal der Europapokal der Landesmeister. Der Name traf zu. In der vergangenen Saison spielte mit Eintracht Frankfurt der Tabellenzwölfte der Bundesliga mit, weil sie sich als Europa-League-Sieger qualifiziert haben. Das ist paradox. Die Super League würde dem Ganzen die Krone aufsetzen.

Die Bundesliga ist in dieser Saison spannend. Hat Leverkusen das Zeug zum Meister?

Leverkusen verfügt über einen Etat und Spieler, die europäische Spitzenklasse sind. Die stehen berechtigt an der Tabellenspitze und sind auf Augenhöhe mit anderen Kalibern. Das sieht man auch in der Europa League. Das ist eine positive Entwicklung. Ein Fragezeichen ist der Afrika Cup. Leverkusen muss vier Spieler abstellen. Je nachdem, wie deren Nationen abschneiden, fehlen sie bis zu einem Monat. Das könnte dafür sorgen, dass Bayer am Anfang der Rückrunde Probleme bekommt.

Bochum, Schalke, Köln – welcher ist denn nun eigentlich Ihr Herzensclub?

Hannover 96 würde ich noch auflisten. Als Profi habe ich aber keinen Herzensclub mehr. So etwas hatte ich vielleicht als Kind, als ich mit dem 1. FC Köln mitfieberte. Als ich dann dort Trainer wurde, war das vorbei. Das raubt dir sonst jegliche Objektivität. Wenn ich dann mit anderen Teams gegen Köln spielte, freute ich mich logischerweise auch über Siege.

Schalkes Mannschaft ist höchstens Durchschnitt der zweiten Liga.

Heutzutage sieht man Sie oft im Stadion der Schalker. Die haben gemeinsam mit Hertha BSC als Absteiger eine schlechte Hinrunde gespielt. Werden sie wie der HSV nun lange in der zweiten Liga stecken bleiben?

Die Vereine, die bislang nur die Bundesliga gewöhnt waren, sehen sich in der zweiten Liga als Top-Favorit. Sie müssen die Liga erst einmal annehmen, denn der Fußball dort ist komplett anders. Und alle Gegner sehen das Spiel als absolutes Highlight, die Partie des Jahres. Auch in der zweiten Liga ist das Stadion auf Schalke immer ausverkauft. Das muss man dann erst einmal annehmen. Schalkes Mannschaft ist höchstens Durchschnitt der zweiten Liga. Das Ziel ist aber ganz klar Aufstieg. Manch einer im Ruhrpott denkt, damit haben sie die Fans verarscht. Denn ohne diese Zielvorgabe hätten sie keine Dauerkarten verkauft.

Vor der Weihnachtspause ging es ein wenig bergauf. Was ist noch drin für die Schalker?

Die haben 20 Punkte aus 17 Spielen und stehen drei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt. Der Tabellenplatz sagt ganz klar etwas über die Qualität der Mannschaft aus. Schalke wird sicher die Klasse halten, da es andere Teams gibt, die noch schlechter sind. Den Anspruch, oben mitzuspielen oder gar aufzusteigen, können die Schalker komplett knicken. Das war jedem, der mit dem Verein zu tun hat, von Anfang an klar.

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