Arancha Lana klickt sich durch die Screenshots, die sie zuvor aus dem Video einer Unterwasserkamera angefertigt hat. Auf einem sieht man den Kopf eines Fisches, der sich von links ins Bild bewegt. Drei Aufnahmen weiter, als das Tier schließlich ganz zu sehen ist, erkennt die Wissenschaftlerin, um welche Art es sich handelt: einen raor (Schermesserfisch). Die 44-Jährige markiert den Fisch mit der Computermaus und schreibt seinen lateinischen Namen, „Xyrichtys" von Xyrichtys novacula, dazu. „Indem ein Mensch vorgibt, was richtig und falsch ist, lernt das Programm, bestimmte Arten durch einen Algorithmus in Zukunft eigenständig zu erkennen und wir müssen die Videos nicht mehr selbst sichten", sagt die Wissenschaftlerin des im auf Mallorca ansässigen Mittelmeer-Forschungsinstituts Imedea.

Meeresbiologen haben es ungleich schwieriger als ihre Kollegen an Land, die von ihnen erforschten Lebewesen zu beobachten. Jetzt sollen die Computer dabei helfen. Arancha Lana nutzt als Verantwortliche des Projekts „AutoNatura2000dos" Verfahren des sogenannten Maschinellen Lernens. Damit wollen sie und ihre Kollegen die Anzahl und Dichte an bedrohten Fischarten in Meeresschutzgebieten rund um Mallorca besser bestimmen. „Mit den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich dann Schutzprogramme, Fangquoten und -verbote für Hobby-Angler besser koordinieren - und das kann dabei helfen, dass sich die Fischbestände regenerieren und die Biodiversität erhalten bleibt", so Lana.

Big brother is watching you

Schon seit 2012 setzen Wissenschaftler von Imedea an Metallkonstruktionen befestigte Unterwasserkameras zur Fischzählung ein, aktuell in einem 300 mal 600 Meter großen Schutzgebiet nahe dem östlich von Palma de Mallorca gelegenen Ort Cala Blava. Fünf- bis sechsmal pro Tag lassen die Forscher dafür sechs Kameras jeweils etwa eine halbe Stunde in eine Tiefe von 15 bis 20 Metern auf den Grund herab.

Bojen markieren an der Wasseroberfläche die Einlass-Stellen. „An der Konstruktion ist auch ein Netz mit Ködern befestigt. Meistens sind das noch lebende Garnelen und eine Mischung aus Anchovis und Sardinen. Damit werden die Fische angelockt", erklärt Lana. Bisher erkennt das Programm unter anderem Schermesserfische (raors, kat., Xyrichtys novacula), Doraden (Sparus aurata) und Geißbrassen (sargo, span., Diplodus sargus). Bald soll es auch Rochen und Kraken identifizieren können. „Bislang identifiziert es Rochen nur allgemein als ,Fisch'", sagt Lana.

Dass die Arbeit von einer Maschine statt einem Menschen erledigt wird, hat auch einen Nachteil: „Wir können nicht ausschließen, dass das Programm denselben Fisch mehrmals zählt. Das berücksichtigen wir aber in unserer Statistik", sagt Lana.

Technik noch verbessern

Sobald das Programm ausgereift ist, sollen die Kameras dauerhaft am Meeresgrund installiert bleiben. Auch dafür muss sich das Forscher-Team noch eine bessere Technik überlegen, denn bei den aktuellen Aufnahmen kommt es ab und an noch zu Fehlern. „Manchmal ist das Kabel, das zur Boje führt, im Bild, oder der Köder und damit befinden sich auch die angelockten Fische außerhalb des Kamerawinkels. Draußen auf dem Meer haben wir noch keinen Bildschirm, auf den die Aufnahmen direkt übertragen werden. Daher sehen wir erst bei der Sichtung am Computer, ob wir das Material auch verwenden können", sagt Arancha Lana.

Sobald das Projekt im November abgeschlossen ist, sollen die Ergebnisse mit denen von anderen Studien zusammengeführt werden - im Imedea wird derzeit auch in Aquarien das Verhalten von Schermesserfischen und Goldbrassen erforscht, etwa wie aggressiv sie sind und wann sie sich im Sand verstecken.

Echolote und Entnahme von Proben am IEO

Den Bestand der Tiere, die für den kommerziellen Fischfang von Interesse sind, erforscht mit zwei Kampagnen aktuell der balearische Ableger des spanischen Meeresforschungsinstitut (IEO). Im Rahmen des europäischen Projekts Medits (Bottom Trawl Survey in the Mediterranean) nimmt das Forschungsschiff „Miguel Oliver" dafür rund um Mallorca und Menorca Proben am Meeresgrund. Die Wissenschaftler interessieren sich etwa für die Dichte, Vielfalt, Geschlechtsreife und das Ernährungsverhalten der Tiere. Auf der Basis dieser Daten machen sie der EU später Regulierungsvorschläge zur Gemeinsamen Fischereipolitik. Bei einem weiteren Projekt namens Medias (MEDiterranean International Acoustic Survey) erforschen Wissenschaftler mittels Echolot in einer Tiefe von bis zu 200 Metern allen voran die Bestände von Sardinen und Anchovis. „Durch die auf elektroakustischen Signalen basierende Technik können wir Fischbänke in kurzer Zeit erfassen", sagt Projektleiterin Magdalena Iglesia. Dabei

fischen die Wissenschaftler jeweils einige Tiere aus dem Wassser, wiegen und vermessen sie und bestimmen ihr Geschlecht. Ein bisheriges Ergebnis der Studie zeige etwa, dass es um die Balearen immer mehr Anchovis und

immer weniger Sardinen gibt.