Operation Stechrüssel auf Mallorca: Wie die Verbreitung von Moskitos und ihre Bekämpfung erforscht werden

Bei einem internationalen Kongress auf Mallorca haben knapp 200 Experten Erkenntnisse ausgetauscht

Blutgefüttertes Weibchen und harmloses Männchen der Art Aedes caspius.

Blutgefüttertes Weibchen und harmloses Männchen der Art Aedes caspius. / Rubén Bueno

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Um mögliche Brutstätten der Tigermücke zu finden, müssten die Tagungsteilnehmer eigentlich nur vor die Tür: Vor dem Eingang des Universitätsgebäudes Gaspar Melchor de Jovellanos breiten sich nach dem morgendlichen Regenguss Pfützen aus. Schon geringste Wasseransammlungen seien für die Insekten ausreichend zur Vermehrung, sagt Sandra Gewehr, Mitorganisatorin sowie Forschungs- und Entwicklungsleiterin bei der griechischen Firma Ecodevelopment S.A. Das sei eine der Herausforderungen, wenn es darum geht, gegen die Belästigung durch Stechmücken und mögliche Gesundheitsrisiken durch die Übertragung von Krankheiten vorzugehen.

Sandra Gewehr ist eine von 194 Experten aus insgesamt 23 Ländern, die an der Tagung der European Mosquito Control Association teilnehmen. Alle zwei Jahre versammeln sich die Stechmückenexperten, nach Wien nun in Palma. Den Ausschlag gaben gleichermaßen das Anschauungsmaterial vor Ort wie auch die viel zitierte gute Anbindung Mallorcas, wie Tagungskoordinator Carlos Barceló erklärt. Der Biologe von der Abteilung für Angewandte Zoologie und Naturschutz (ZAP) an der Balearen-Universität (UIB) hat die einwöchige Veranstaltung rund ein Jahr vorbereitet.

Forschen, forschen, forschen

Wie sich die Stechmücken vermehren und die Menschen drangsalieren, aber auch, wie ihnen möglichst Einhalt geboten werden soll, das zeigen Schautafeln in der Eingangshalle, die die Delegationsmitglieder mitgebracht haben. Lassen sich die Larven von Tigermücken in Baumlöchern rund um den Wiener Prater nachweisen? Wie verbreitet ist die eingeschleppte Art bereits am Oberrhein? Wie kann man die im Tessin abgelegten Eier verschiedener Stechmücken optisch unterscheiden? Elektrische Felder, Akku-Sprühgebläse, Bioinsektizide auf RNA-Basis – es wird intensiv geforscht und experimentiert, das wird auf den ersten Blick klar.

Wobei die mosquitos immer einen Schritt voraus zu sein scheinen. „Sie existierten schon, bevor es den Menschen gab“, sagt Sandra Gewehr. Mit dem Klimawandel breiten sich Arten wie die Tigermücke (Aedes albopictus) weiter aus. Auf Mallorca sind sie seit ihrer ersten Sichtung 2011 längst etabliert. Nun stoßen sie weiter nach Norden vor und werden gerade noch so von den Niederlanden erfolgreich abgehalten. Ein weitere Herausforderung für die Bekämpfung: Die Auflagen für die eingesetzten Mittel werden in der Europäischen Union immer strenger – es braucht raffiniertere Methoden als bisherige Biozide.

Deswegen werde verstärkt Grundlagenforschung betrieben, sagt Sandra Gewehr. Man müsse mehr über das Verhalten der Stechmücken an sich erfahren. Die Erkenntnisse seien dann Voraussetzung für die Entwicklung künftiger Bekämpfungsmethoden.

Die Methoden

Derzeit habe man mit die besten Erfahrungen mit demBti-Wirkstoff, einem Eiweißkristall, das aus dem Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) gewonnen wird. Es lagert sich in Darmzellen der Stechmücke ab und zerstört sie, schadet aber keinen anderen Tieren, Pflanzen oder dem Menschen.

Speziell bei der Tigermücke gebe es auch Erfolg versprechende Ansätze bei der Ausbringung steriler Männchen, um auf diese Weise die Population zu reduzieren. Barceló verweist auf eine bereits erfolgte Anwendung in der Region Valencia. Die Methode sei jedoch nicht nur teuer, es gebe in manchen Ländern auch einen strengen Insektenschutz zu beachten, in Abhängigkeit davon, ob die Mückenmännchen durch Bestrahlung oder Genmanipulation unfruchtbar gemacht werden.

Neben der Bekämpfung geht es um das Sammeln von Information. Barceló verweist auf ein System zum Nachweis von Krankheitserregern im Speichel infizierter Stechmücken: Zum Einsatz kommen mit Zucker beschichtete Karten, die Stechmücken anlocken. Mit den so eingefangenen Nukleinsäuren lässt sich dann die virale RNA nachweisen.

Die Asiatische Tigermücke kann theoretisch das Dengue-Fieber übertragen, auf den Balearen ist ein solcher Fall bislang nur für Ibiza nachgewiesen. Damit es zu einer Infektion kommt, muss eine Mücke zuvor jemanden gestochen haben, der das Dengue-Fieber von einer Reise mitgebracht hat.

Die anderen Plagegeister

Aber es geht längst nicht nur um Tigermücken. Auf Mallorca wäre da etwa die Brackwasser-Feuchtgebiet-Stechmücke (Aedes caspius), die sich in der s’Albufera breitgemacht hat. Und auch die normale Hausmücke (Culex pipiens) bereitet Sorgen, wie Sandra Gewehr berichtet. Sie überträgt das ursprünglich tropische West-Nil-Virus, das inzwischen auch in der Vogelwelt des östlichen Deutschlands heimisch geworden ist. Die Erreger brauchen Wärme, um sich in den Stechmücken so gut zu vermehren, dass sie bei einem Stich einen Menschen anstecken können. Infizierte bekommen mitunter Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder fühlen sich abgeschlagen, gerade so als wäre es eine Sommergrippe.

Wer hält den Arm hin?

Bei der Tagung stand nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis auf dem Programm. So ging es in einem Workshop darum, in Fallen gesammelte Insekten zu bestimmen. Handelt es sich um blutsaugende Zweiflügler (Diptera) wie Sandfliegen, Stallfliegen und Plattfliegen? Oder vielmehr um nicht blutsaugende Trauermücken, Schmeißfliegen und Fruchtfliegen?

l Beim Arm-im-Käfig-Test werden Schutzmittel erprobt.  l Oben: Blutgefüttertes Weibchen und harmloses Männchen der Art Aedes caspius.   | FOTOS: SARAH DELACOUR, RUBÉN BUENO

Beim Arm-im-Käfig-Test werden Schutzmittel erprobt. / FOTO: Sarah Delacour

Freiwillige waren beim sogenannten Arm-im-Käfig-Test gefragt. Dabei wird die Wirksamkeit von Schutzmitteln im Labor nachgestellt – am lebenden Objekt. Die Probanden müssen ihren mal behandelten, mal unbehandelten Arm in einen Käfig mit einer festgelegten Zahl von Stechmücken halten, danach wird das Ergebnis verglichen.

Und bei einem Treffen im Parc de la Mar ging es nicht um Sightseeing, sondern um eine Demonstration zur Moskitoüberwachung in Auffangbecken und den Einsatz von Drohnen zur Larvenbekämpfung.

Der internationale Informationsaustausch sei elementar, so Barceló. Zumal viele Dinge noch Rätsel aufgäben. Weiterhin etwa gebe es keine befriedigende Erklärung darüber, welche Faktoren in der biochemischen Zusammensetzung der Haut ausschlaggebend dafür seien, dass manche Menschen besonders oft den Stechrüssel zu spüren bekommen.

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