Die Schlangen vor der Ausländerbehörde in Palma sind ja in gewöhnlichen Zeiten schon lang. Aber in diesen Monaten kommen noch die vielen Briten hinzu, die sich angesichts des unmittelbar bevorstehenden Endes der Brexit-Übergangsfrist am 31. Dezember ihren weiteren Aufenthalt auf Mallorca sichern wollen. Dazu genügt nach dem Ausscheiden des Königreiches aus der Europäischen Union nun nicht mehr die sogenannte grüne Residencia-Karte. Die Briten benötigen die „Tarjeta de Identificación de Extranjero" (TIE), die für Ausländer aus Drittstaaten gedacht ist. Bereits Ende des vergangenen Jahres wurde in der Behörde ein eigener Bereich eingerichtet, in dem sich drei Kollegen ausschließlich um die Belange der Brexit-geplagten Briten kümmern.

Seit dem 6. Juli konnten sie die TIEs beantragen, und seit dem ersten Tag wird das Angebot angenommen. Nach Angaben der zuständigen Inspektorin der Nationalpolizei, Ester Ribas, stellt das Ausländeramt Tag für Tag rund 60 der Karten aus. Mehr als 5.000 Termine wurden bis Jahresende vergeben, rund 3.500 Briten haben Stand Ende November ihre Ausländerkarte bereits beantragt. „Die Ausländerbehörde macht hier eine tolle Arbeit", lobt Kate Mentink am Telefon die spanischen Behörden.

Die Gründerin und langjährige Vorsitzende der Ciudadanos Europeos lebt seit fast 40 Jahren auf der Insel und leitete unter der PP-Regierung das Europa-Büro der balearischen Landesregierung. Jahrelang, so sagt sie, hätten Ausländerbehörde und das britische Konsulat an ihre Landsleute auf den Inseln appelliert, sie mögen sich doch regulär anmelden. Jahrelang verhallten alle Appelle im Nichts. Jetzt muss es auf einmal sehr schnell gehen.

Zusätzlich zu den TIEs vergab die Ausländerbehörde mitten in der Corona-Pandemie im Sommer noch einmal 800 Termine für Briten, die zuvor nicht über die grüne Residencia-Karte verfügten, aber trotzdem auf der Insel bleiben möchten und somit eine TIE brauchen. Und trotz des Wettlaufs gegen die Uhr werden auch zu Beginn des neuen Jahres noch sehr viele Briten ohne Aufenthaltsgenehmigung dastehen. Nach Angaben der spanischen Regierung gab es zum Datum 30. Juni auf den Balearen 29.532 britische Residenten. Kate Mentink schätzt die eigentliche Zahl auf rund 60.000.

Dass es in den verbleibenden vier Wochen bis zum Jahresende noch eine Einigung über einen geordneten Brexit mit der EU geben kann, glaubt Mentink nicht. „Dazu sind noch zu viele wichtige Fragen ungeklärt", sagt sie. Derzeit herrsche „Unruhe, Angst und eine große Unsicherheit" unter den in Spanien lebenden Briten, berichtet die Schottin, die große Hoffnungen auf Spanien setzt. „Ich habe volles Vertrauen darin, dass Spanien den hier lebenden Briten keine Steine in den Weg legt. Zumindest war die Behandlung bisher im Brexit-Prozess mustergültig."

Dennoch: Speziell unter den Briten, die bereits im Ruhestand waren und auf den Inseln ihren letzten Lebensabschnitt verbringen wollten, hat eine Rückwanderung in die frühere Heimat eingesetzt. „Da sind viele Menschen dabei, die bereits vor 20 Jahren auf die Insel kamen und häufig bis zu zehn Monate des Jahres hier verbringen, sich aber nie offiziell angemeldet haben", sagt Mentink. Gerade auch angesichts der Corona-Pandemie haben diese nun Angst, aus der Gesundheitsversorgung auf den Balearen herauszufallen.

Gleichzeitig stellt Mentink einen konstanten Zuzug von Briten nach Mallorca fest. Es seien vor allem Menschen im Alter von 35 bis 45 Jahren, viele mit Kindern, die seit diesem Sommer ihre Zelte fest auf der Insel aufschlügen, erzählt sie. „Es findet gerade ein regelrechter Generationenaustausch auf Mallorca statt", sagt Mentink. Für die jüngeren Briten sei nicht zuletzt die epidemologische Situation der Balearen im Vergleich zu Großbritannien ein wichtiger Faktor für einen Umzug gewesen. Viele derjenigen, die sich nun dafür entscheiden, ihren Erstwohnsitz auf den Inseln anzumelden, besaßen bereits eine Immobilie hier.

„Ein weiterer Aspekt, ebenfalls durch die Pandemie begünstigt, sind die neuen Möglichkeiten des Homeoffice", sagt Mentink. Das mache es für viele möglich, nur noch acht- bis zehnmal im Jahr nach Großbritannien zu reisen, um Kontakte zu pflegen und die übrige Arbeit von hier aus zu erledigen. Letztere seien vor allem Briten aus der Mittel- und Oberschicht, die sich britische Privatschulen für die Kinder oder auch eine private Krankenversicherung leisten könnten. Und für diese Menschen stelle auch ein ungeordneter Brexit keine Hürde dar, weil sie sich ordnungsgemäß als Residenten in Spanien anmelden würden, so Mentink. „Die jüngeren Leute haben da ein anderes Bewusstsein."

Für Urlauber indes wird sich auch durch einen harten Brexit nicht viel ändern. Weil Briten auch über das Jahresende hinaus kein Visum für Urlaubsreisen in die Europäische Union benötigen, die kürzer als 90 Tage sind, rechnen Experten mit geringen Auswirkungen auf die Reiseaktivitäten der Briten. Ob die Zahlen der britischen Urlauber sich in Zukunft auf denen des Vorjahres einpendeln, hänge vielmehr davon ab, wie die Corona-Pandemie weiter verlaufe, wie stark die Kaufkraft der britischen Bevölkerung in der Krise bleibe und wie sich das britische Pfund generell im Vergleich zum Euro verhalte, so das Resümee einer Tagung bei der Handelskammer in Palma.