Im Grunde ist es das Normalste der Welt: In dem Ort, in dem man lebt, geht man zum Rathaus und meldet sich an. Das gilt in Deutschland genauso wie auf Mallorca. Doch was tun, wenn man - wie viele Insel-Deutsche - nur einen Teil des Jahres wirklich auf Mallorca lebt? Oder den Schritt aus Furcht vor steuerrechtlichen Folgen scheut ? Sicher ist: Kein empadronamiento auf der Insel zu haben, bringt in der Corona-Pandemie einen schwerwiegenden Nachteil. Ohne die Anmeldung beim Rathaus ist man bei den Impfungen, wenn überhaupt, als Allerletzter an der Reihe.

„Die Balearen bekommen die Impfdosen auf Basis der bei den Rathäusern gemeldeten Einwohner zugewiesen", erklärt eine Sprecherin des balearischen Gesundheitsministeriums. Um also auch die Bevölkerung, die auf den Inseln keinen Wohnsitz angemeldet hat, zu impfen, sei man darauf angewiesen, an weitere Dosen vom spanischen Gesundheitsministerium zu kommen. Doch hier stehe eine endgültige Entscheidung, wie das Prozedere abläuft, noch aus. Laut der Sprecherin des balearischen Gesundheitsministeriums werde an einer Lösung gearbeitet, die für alle Autonomen Regionen identisch sein soll.

Nach Zahlen des spanischen Statistikinstituts INE aus dem Jahr 2020, die auf den Anmeldungen in den Rathäusern beruhen, leben auf den Balearen etwa 18.764 Deutsche. Für dieses Jahr gibt es noch keine aktuellen Zahlen. Bevölkerungsexperten, wie etwa der Geograf an der Balearen-Universität UIB, Pere Salvà, schätzen allerdings, dass allein auf Mallorca bis zu 70.000 Deutsche zumindest drei Monate im Jahr leben. Viele von ihnen wollen aufgrund von befürchteten steuerlichen Nachteilen möglichst wenige Spuren in Spanien hinterlassen. Eine Anmeldung beim Rathaus scheint daher kontraproduktiv. Doch ist die Angst berechtigt? Die MZ hat sich die rechtliche Figur des Empadronamiento näher angeschaut.

Was ist das empadronamiento?

Zunächst einmal ist es für Einwohner in Spanien Pflicht, sich an dem Wohnort anzumelden, an dem sie sich für gewöhnlich aufhalten. Wer mehrere Wohnorte hat, muss sich dort anmelden, wo er die meiste Zeit des Jahres verbringt. Eine Sachbearbeiterin im Rathaus von Palma erklärt, dass Ausländer, die den größten Teil des Jahres etwa in Deutschland verbringen, sich in Spanien im Prinzip nicht bei der Gemeinde anmelden können. Es finde allerdings kein Datenabgleich statt, weshalb mehrere Wohnsitze in verschiedenen Ländern in der Praxis möglich seien.

Wie der frühere Sozialattaché der deutschen Botschaft in Madrid und MZ-Autor Rainer Fuchs feststellt, ist das Empadronamiento eine „reine melderechtliche Angelegenheit. Es besagt nichts über das Aufenthaltsrecht in Spanien und auch nichts darüber, wo der Lebensmittelpunkt ist." Ein Empadronamiento in Spanien ist nur an einem Ort möglich. In den meisten Fällen ist für die Anmeldung bei der Gemeinde ein Gang zum Rathaus nötig, in einigen Gemeinden gibt es inzwischen die Möglichkeit, das Empadronamiento online oder telefonisch zu bekommen. In Palma etwa geht das nicht, hier muss man entweder unter palma.cat oder unter der Telefonnummer 010 (werktags von 14-23 Uhr) eine cita previa beantragen. Um sich bei einer Gemeinde anzumelden, kann man auch einen Wohnsitz bei einem Angehörigen angeben.

Welche Vorteile bringt es?

Aus der Anmeldung bei der Gemeinde ergeben sich unterschiedliche Vorteile. Bürger können damit unter anderem ihren Führerschein erneuern, ein Fahrzeug anmelden, sich zu den Kommunalwahlen anmelden, die Gesundheitskarte beantragen, Behördengänge im Zivilregister absolvieren oder an Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis kommen. Außerdem eröffnet das Empadronamiento den Zugang zu bestimmten Sozialleistungen wie etwa das im vergangenen Jahr eingeführte spanische Grundeinkommen „Ingreso Mínimo Vital". Auch weitere Hilfen, wie etwa für Lebensmittel oder finanzielle Unterstützung für Familien können erst mit einer Anmeldung in der Gemeinde beantragt werden. Und auch wer sein Kind in einer öffentlichen Schule oder einem Kinderhort anmelden will, kann das nur mithilfe des Empadronamiento.

Vorteile rein finanzieller Natur ergeben sich vor allem bei Transportmitteln. Wer über ein Empadronamiento in einer Gemeinde auf den Balearen verfügt, kommt in den Genuss des 75-prozentigen Rabatts für Flug- und Fährtickets zum spanischen Festland, auf die Kanaren oder auf die anderen Balearen-Inseln. Auch das Busfahren etwa in Palma ist mit einer Bürgerkarte, für die das Empadronamiento Voraussetzung ist, deutlich günstiger als für Auswärtige. Beim städtischen Sportinstitut IME in Palma zahlen Bürger der Stadt weniger für Schwimm- oder Fitnesskurse, auch in vielen anderen Gemeinden gibt es Spezialpreise für dort gemeldete Personen.

Bringt das Empadronamiento steuerliche Nachteile?

Hier gehen die Einschätzungen auseinander. Zunächst einmal: Wer sich tatsächlich weniger als sechs Monate auf der Insel aufhält, riskiert im Prinzip nichts. Aber auch Deutsche, die ihren Ruhestand auf Mallorca mit Bezügen aus Deutschland genießen, müssen laut Fuchs wenig Angst haben. Der Ex-Sozialattaché: „Für das Steuerrecht ist das Empadronamiento völlig irrelevant." Wer sich seine Rente auf ein spanisches Konto zahlen lasse, sei bereits dadurch auf dem Schirm der Steuerbehörden, weil es seit 2015 wechselseitige Kontrollmitteilungen der Sozialbehörden über Renten gebe.

Ähnlich, allerdings mit einer kleinen Einschränkung, sieht man das auch bei der Steuerberatungskanzlei European Accounting in Palma. Grundsätzlich bringe eine Anmeldung im Rathaus keine steuerlichen Nachteile. „Es sei denn, man möchte möglichst wenige Indizien für eine steuerliche Ansässigkeit liefern", erklärt ein Mitarbeiter der Kanzlei. Aber auch dann habe die Anmeldung bei der Gemeinde wenig Gewicht. „Uns ist nicht bekannt, dass das Finanzamt bei den Meldeverzeichnissen einhakt, wenn die Ansässigkeit geprüft wird, oder dass ein Datenabgleich stattfindet." Allerdings sei es möglich, dass eine Anmeldung unter bestimmten Umständen Gewicht erlangt. Zum Beispiel wenn ein potenzieller Erbe versucht, die zivilrechtliche Ansässigkeit des Erblassers auf Mallorca zu belegen, weil er sich vom Erbrecht der Insel Vorteile erwartet.

Etwas zurückhaltender bei dem Thema ist der deutsche Anwalt und Steuerberater Manuel Stiff, der Kanzleien in Münster und Palma hat. Er berichtet von Klienten, die mehr als die Hälfte des Jahres auf der Insel leben, sich aber trotzdem nicht beim Rathaus anmelden wollen. „Ich wäre damit auch vorsichtig", sagt Stiff. Ein Empadronamiento könnte für das Finanzamt durchaus ein Hinweis darauf sein, dass man sich regelmäßig auf der Insel aufhalte. Die große Angst vieler Deutscher auf der Insel ist nun einmal die Vermögensteuer. „Viele Leute wollen deshalb kein Zeichen setzen und sich hier anmelden", sagt Stiff.

Das wird von berufener Seite genauso eingeschätzt: Das Finanzamt könne sich durchaus die Melderegister der Gemeinden anschauen, erklärt der Präsident der Vereinigung der Steuersachbearbeiter auf den Balearen, Joan Torres. „Auch ein Empadronamiento kann ein Indiz dafür sein, dass jemand in Spanien steuerpflichtig ist, auch wenn es als Beweis nicht ausreicht." Schließlich gelte die 183-Tage-Regel. Wer sich länger als die Hälfte des Jahres in Spanien aufhält, ist hier steuerpflichtig.