Ein neues Gesetz stärkt die Erblasser auf Mallorca bei Konflikten

Erbschaften zu Lebzeiten können auf den Balearen neuerdings widerrufen werden, wenn es triftige Gründe gibt

Wer seinen Nachkommen bereits zu Lebzeiten etwas vererbt, kann dies nun bei schwerwiegenden Konflikten rückgängig machen.

Wer seinen Nachkommen bereits zu Lebzeiten etwas vererbt, kann dies nun bei schwerwiegenden Konflikten rückgängig machen. / Nele Bendgens

M. Adrover / G.Porcel

Seit Januar gibt es auf den Mallorca und den Nachbarinseln ein eigenes Gesetz, das Erbschaften zu Lebzeiten regelt. Diese waren in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen sehr populär geworden, um einen deutlich höheren Steuersatz bei Schenkungen zu vermeiden. Nun gab es kurzzeitig etwas Verwirrung auf den Inseln, ob eine solche Erbschaft zu Lebzeiten, auf Spanisch auch pacto sucesorio genannt, nun widerrufbar ist oder nicht. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der Balearen vom 13. Januar besagt nämlich, dass es nicht möglich ist, Erbschaften zu Lebzeiten zu widerrufen.

Das neue Gesetz wiederum kommt genau zur gegensätzlichen Schlussfolgerung. Für den Anwalt Miquel Àngel Mas von der Steuerkanzlei DMS Legal Intelligence in Palma ist die Sache klar: Das Urteil des Obersten Gerichtshofs ist ab dem Moment hinfällig, ab dem vier Tage später, am 17. Januar, das neue Gesetz auf den Inseln in Kraft getreten ist.

Keinen Zweifel daran, dass Erbschaft widerrufen werden kann

Steuerberater Mas argumentiert dahingehend, dass sich das Urteil des Obersten Gerichtshofs auf einen Artikel begründet, der mit dem neuen Gesetz nicht mehr gültig ist. Das neue Gesetz lasse keinen Zweifel daran, dass eine solche Erbschaft im Extremfall rückgängig gemacht werden kann. „Der Artikel 50, auf dem das Urteil beruht, wurde mit dem neuen Gesetz außer Kraft gesetzt“, sagt Mas. „Ich verstehe das so, dass diese Rechtsprechung nicht mehr auf die Erbschaften zu Lebzeiten angewandt werden kann, die nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden.“

Im neuen Gesetz wird explizit Bezug darauf genommen, in welchen Fällen die Erbschaft widerrufen werden kann. Zu diesen Fällen zählt etwa, wenn Begünstigte „rechtskräftig in einem Strafprozess verurteilt sind wegen Tötungsabsichten oder schwerer Verletzungen gegen den Erblasser, seinen Ehepartner, festen Partner oder einen seiner Abkommen“.

Vertrag vor dem neuen Gesetz

Im Fall, der schließlich zum Urteil des Obersten Gerichtshof der Balearen geführt hat, wollte ein Vater seiner Tochter die Erbschaft wieder einkassieren, weil diese rechtskräftig wegen Nötigung ihres Vaters verurteilt war. Weil die Erbschaft allerdings vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes, nämlich bereits im Jahr 2010, vertraglich festgehalten worden war, kann der Erblasser nachträglich nichts mehr daran ändern. Glück für die Tochter, denn sie hatte mehrere Grundstücke geerbt und musste zwei ihrer Brüder auszahlen, die offenbar nicht an den Liegenschaften interessiert waren und Geld bevorzugten.

Letztendlich nimmt auch das Urteil bereits Bezug auf das neue Gesetz auf den Balearen, indem es feststellt, dass die Unwiderrufbarkeit der Erbschaft so lange bestehen bleibt, bis es eine Gesetzesgrundlage zu dem Thema gibt. Und, so heißt es weiter im Urteil, genau dafür sorge die neue Verordnung in Zukunft.

Die Erbschaften sollen erleichtert werden

Warum dieser Aspekt im neuen Gesetz anders geregelt ist, erklärt Bartomeu Bibiloni, Kollege von Miquel Àngel Mas bei DMS Legal Intelligence, der bei der Erstellung des Dekrets mitgewirkt hat: „Wer etwas abgibt, wird dadurch ärmer, dass er Geld- oder Sachwerte weitergibt und nichts dafür im Gegenzug bekommt. Diese Personen müssen deshalb den größten Schutz genießen.“

Gedacht war das neue Gesetz mit seinen insgesamt 80 Artikeln vor allem dafür, den Prozess der Erbschaften zu Lebzeiten zu erleichtern. Rechtliche Unsicherheit und Missverständnisse, von denen es rund um das Thema einige gab, sollten so in Zukunft vermieden werden. Vor allem sollte auch die Arbeit der Gerichte erleichtert werden, die in der Vergangenheit zahlreiche dieser Nachlässe ohne eine gesetzliche Grundlage abwickeln mussten. Häufig war es zu Fehlinterpretationen gekommen.

Finanzielle Hilfe sinnvoller zu Beginn des Erwachsenenalters

In vielen Fällen wollen Eltern ihren Kindern bereits lange vor ihrem Tod einen größeren Betrag überschreiben, damit sie ein eigenständiges Leben beginnen, sich eine Wohnung kaufen, eine Geschäftstätigkeit aufnehmen oder Schulden, etwa aus dem Studium, bezahlen können. Die Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten noch einmal deutlich gestiegen, was bedeutet, dass viele Kinder selbst bereits kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter stehen, wenn ihre Eltern sterben.

Deshalb, so erklärt Bartomeu Bibiloni, ergebe es weitaus mehr Sinn, dass die jungen Menschen Unterstützung vonseiten ihrer Eltern bereits zu Beginn ihres Erwachsenenalters, etwa beim Auszug von zu Hause, bekommen können. „Zu dieser Zeit haben sie die Hilfe am nötigsten.“ Gerade angesichts der Wohnungsnot und hoher Preise für Immobilien sind die Erbschaften zu Lebzeiten eine echte Alternative für viele Familien auf den Balearen.

Ein zweiter Grund für die steigende Beliebtheit der Erbschaften zu Lebzeiten ist, dass es viele ältere Menschen gibt, die sich nicht mehr um den Nachlass ihres Vermögens kümmern können oder wollen und das Thema deshalb in die Hände ihrer Nachkommen abgeben. „Sie wollen sich keine Sorgen mehr machen um Mietwohnungen, verbunden mit möglichen Zwangsräumungen oder Schäden, oder um Fincas, die landwirtschaftlich genutzt werden“, sagt Bibiloni. Manchmal seien aber auch Krankheiten, wie etwa eine einsetzende Demenz oder andere neurodegenerative Erkrankungen, Auslöser für eine vorzeitige Nachlassregelung. Die Betroffenen verlieren häufig innerhalb von wenigen Jahren ihre Geschäftsfähigkeit.

Ordentlich Steuern sparen

Steuerlich lohnt sich ein solcher pacto sucesorio im Vergleich zu einer Schenkung auf jeden Fall: Statt der üblichen Steuerbelastung von sieben Prozent bei einer Schenkung wird auf den Balearen und in einigen wenigen anderen Autonomen Regionen hier nur ein Steuersatz von einem Prozent fällig – ebenso wie bei einer Erbschaft nach dem Tod des Erblassers. Bedingung ist, dass der Beerbte auf seinen gesetzlichen Pflichtteil verzichtet. Die günstigen Bedingungen für die Erbschaft bei Lebzeiten stehen auf den Inseln nach einem Urteil im Mai 2021 auch EU-Ausländern zur Verfügung.

Bibiloni erklärt, dass eine Erbschaft teilweise oder auch schon komplett zu Lebzeiten auch durch mehrere pactos sucesorios übermittelt werden kann. Das sei eine Besonderheit auf den Balearen. Im spanischen Zivilrecht ist diese Möglichkeit nicht nur nicht vorgesehen, sondern ausdrücklich verboten.

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