Brüten wie im Fegefeuer: Was die heißen Mallorca-Nächte mit unserem Körper machen

Die glühende "noche tórrida" ist die Steigerung der Tropennacht. Wie sich hitzebedingte Schlaflosigkeit auf uns auswirkt

Wenn die Temperaturen auch nachts nicht unter 25 Grad sinken, finden viele Menschen keine Erholung.

Wenn die Temperaturen auch nachts nicht unter 25 Grad sinken, finden viele Menschen keine Erholung. / Manu Mitru

Patricia Martín

Es ist bezeichnend, dass auf Deutsch keine offizielle Übersetzung für das Phänomen existiert, das uns auf Mallorca im Sommer quält: Die bullig warme noche tórrida nimmt uns in ihren Schwitzkasten, wenn die Temperaturen nachts nicht mehr unter 25 Grad sinken.

Wenn man es positiv formulieren will, hat sie eine solidarische Komponente: Denn wir alle – unabhängig vom Alter und Gesundheitszustand – verkochen in den Öfen, die einmal unsere Betten waren, zu einem leidenden Einheitsbrei und wälzen uns unterschiedslos in unseren schweißnassen Laken. Es sei denn, wir lassen so lange die Klimaanlage laufen, bis wir zur Abwechslung einmal aufwachen, weil wir frösteln.

Heiße Nächte treffen chronisch Schlaflose besonders hart

Wer sich normalerweise einer gesunden Nachtruhe erfreut, kann jetzt nachfühlen, wie es Menschen ergehen muss, die mit chronischer Schlaflosigkeit kämpfen. Und das sind immer mehr: Im Jahr 2000 litten sechs Prozent der Spanier unter dieser Störung, 2018 waren es schon 14 Prozent.

Das Problem ist, dass die heißen Nächte bei Hitzewellen schlaflose Menschen besonders hart treffen. „Vor einem Monat ging es mir besser, aber ich hatte einen Rückfall. Letzte Nacht bin ich um zwei Uhr aufgewacht und habe dann kein Auge mehr zugemacht“, erklärt María, eine Betroffene. „Wenn ich aufwache, habe ich das Gefühl, dass die Hitze mich daran hindert, wieder einzuschlafen. Dann habe ich Angst, wieder am Anfang zu stehen und verzweifele.“ Ein Teufelskreis, der den Einschlafversuch zum Fegefeuer macht.

Hitze löst Prozesse im Gehirn und Körper aus

Hohe Temperaturen ab 22 Grad und eine bestimmte Luftfeuchtigkeit lösen mehrere Prozesse in unserem Gehirn und Körper aus, die verhindern, dass wir erholsam schlafen. Zum einen würden die Neuronen im Hypothalamus, die Schlaf und Wachsein steuern, von Licht und Körpertemperatur beeinflusst, und wenn letztere höher ist, sei es schwieriger zu schlafen, erklärt der Neuropsychologe Diego Redolar-Ripoll.

„Auch werden bei hohen Temperaturen bestimmte Teile des Nervensystems aktiviert, um den Körper vor Überhitzung zu schützen, was dann unserem Gehirn signalisiert, dass wir wach sind“, fügt er hinzu. Ein dritter Faktor: Hitze könne ein Stressfaktor sein und daher Substanzen freisetzen, die den Schlaf verhindern, wie etwa das Stresshormon Cortisol.

Die meisten Betroffenen behandeln sich selbst

Diese Prozesse betreffen uns alle, doch Menschen mit chronischer Schlaflosigkeit sind noch anfälliger – vor allem, wenn diese mit Ängsten verbunden ist. „Angst aktiviert das sympathische Nervensystem, und die Hitze gießt noch zusätzlich Öl ins Feuer“, sagt Redolar-Ripoll. Hohe Temperaturen verursachen zwar keine chronische Schlaflosigkeit, aber sie führen bei bereits Betroffenen häufig zu Rückfällen.

Nach Schätzungen der Spanischen Gesellschaft für Neurologie nehmen weniger als ein Drittel der Menschen mit Schlafproblemen professionelle Hilfe in Anspruch. Der Rest behandelt sich selbst mit milderen Medikamenten von zweifelhafter Wirksamkeit, wie Präparaten mit Melatonin, und anderen stärkeren Medikamenten, die zur Abhängigkeit führen, wie Beruhigungs- und Schlaftabletten. Spanien ist sogar führend beim Konsum von Anxiolytika und Hypnotika.

Die Folgen von Schlafmangel über längere Zeit

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass zu wenig Schlaf über einen längeren Zeitraum kognitive Auswirkungen hat und zu Kopfschmerzen, erhöhter Müdigkeit und Energiemangel führt. Außerdem steigert dies den Appetit auf Fette und Kohlenhydrate und kann so zu einer schlechteren Ernährung führen. Einige Studien deuten darauf hin, dass Schlafmangel auch das Immunsystem beeinträchtigt.

Angesichts der zentralen Bedeutung, die guter Nachtschlaf für die Gesundheit hat, können wir nur hoffen, dass die Zeit der noches tórridas mit dem prophezeiten Temperatursturz ab Sonntag (27.8.) vorerst vorbei ist. Davon zu träumen funktioniert ja momentan nicht.

Abonnieren, um zu lesen