Wenn jemand als spirituelle Kraft des Jazz bezeichnet werden kann, dann der US-amerikanische Tenor-Saxofonist und Flötist Charles Lloyd: Musik geht bei ihm Hand in Hand mit Meditation.

Seit den 1960er-Jahren ist er einer der ganz Großen des Jazz – und blieb doch stets offen für andere Stile. 2021 nahm der 83-Jährige gemeinsam mit The Marvels sein jüngstes Album „Tone Poem“ auf. Während seiner aktuellen Europa-Tournee macht er beim Jazz Voyeur Festival in Son Amar Station.

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Der Veranstalter des Festivals Jazz Voyeur bemüht sich seit Jahren, Sie nach Mallorca zu holen. Wie konnte er Sie überzeugen?

Ich war 2004 schon einmal auf Mallorca. In meiner Erinnerung gab es einen wundervollen Empfang vor dem Konzert. Ich muss dazu sagen, dass ich sehr viele Erfahrungen gesammelt habe und mich nicht mehr an alles erinnere – aber ich kann es noch in meinem Herzen fühlen. Gerade erst hatte ich Auftritte in Wien und Salzburg, auch dort bin ich seit 15 Jahren nicht mehr gewesen. Das Publikum war so glücklich! Und wir waren es auch – wie Kinder, die sich zum ersten Mal begegnen. Es war Liebe, you know?

Im Jahr 1972 haben Sie für das Album „Waves“ einen Song mit dem Titel „Majorca“ aufgenommen. Was hat Sie dazu inspiriert?

Oh, sehen Sie: Ich habe Mallorca gefühlt, sogar als ich noch gar nicht selbst dort gewesen bin! Ich habe dieses Stück vor vielen Jahren komponiert, weil wir alle vielleicht schon ein anderes Leben gelebt haben. Der Planet, auf dem wir leben, ist klein. Ich habe das Gefühl, Mallorca sei in mir. Und die Musik ist in mir. Dann dringt sie nach außen und geht in eine vierte Dimension über. Musik ist nicht vergänglich. Sie ist in der Luft und nichts, was man berühren könnte. Aber wenn man offen dafür ist, erreicht sie die Seele.

Jene Aufnahme stammt aus einer Phase, in der Sie mehrere Jahre der Jazz-Szene den Rücken kehrten. Was brachte Sie dazu?

Ich habe Jazz nie aufgegeben, denn ich liebe Musik schon mein ganzes Leben lang. Aber manchmal muss man den Blick mehr nach innen richten. Als junger Mann habe ich sehr schnell Karriere gemacht. Irgendwann realisierte ich, dass ich es ruhiger angehen lassen musste. Und ich lag richtig: Ich bin immer noch hier, genieße die Vorzüge langer Erfahrung und habe mir dennoch den Anfängergeist und die Neugier bewahrt.

Wie schwer fiel es Ihnen, wegen der Pandemie keine Konzerte geben zu können?

Das war schon sehr schwierig, aber man muss eines über mich wissen: Ich liebe es zu spielen, aber ich liebe auch die Einsamkeit. Wenn ich nicht vor Publikum auftrete, dann mache ich Musik, weil ich von Natur aus Musiker bin. Und ich lebe in Respekt vor diesem göttlichen Geschenk. Ich fühle mich immer noch wie ein Teenager, können Sie sich das vorstellen? Im Inneren habe ich kein Alter.

Sie bringen Ihr neues Quartett mit Gerald Clayton, Reuben Rogers und Kendrick Scott mit. Wie ist Ihre Energie auf der Bühne?

Was ich Ihnen über diese jungen Männer sagen kann, ist, dass ich sie wirklich liebe! Sie haben einen tiefen Respekt vor der Musik, die wir machen, und wir alle haben tiefen Respekt voreinander. Wir lieben es, das Unaussprechliche auszudrücken. Und das tun wir jede Nacht. Wir erfahren die Mystik des Sounds.

Was erwartet uns bei Ihrem Konzert im Rahmen des Jazz Voyeur Festivals?

Ich komme auf eure schöne Insel und möchte etwas von meiner geistigen schönen Insel mitbringen. Es wird frisch und inspirierend werden. Mein Ziel ist, eine tiefe spirituelle Verbindung aufzubauen. Musik berührt das Universelle, sie spricht die Sprache des Geistes und des Herzens. Und sie hat auch etwas damit zu tun, offen für Magie zu sein.

Planen Sie bei der Songauswahl ein Best-of?

Ich habe ein sehr großes Repertoire und auch neue Kompositionen. Aber welche Titel ich davon spiele, kann ich nicht sagen, wenn ich gerade auf einem Hotelbett in Padua sitze, sondern erst wissen, wenn ich vor Ort bin. Ich entscheide das intuitiv – so wie ein Arzt, der etwas vom Heilen versteht. Die Stücke werden genau die richtigen für diesen Besuch sein. Da wir uns ja nicht oft sehen, möchte ich etwas liefern, das von Dauer ist.

28.11., 20 Uhr, Son Amar, Eintritt: ab 27,50 Euro, Karten: jazzvoyeurfestival.es