Konzert auf Mallorca: Der klassische Querflöten-Solist, der sich über Alicia Keys freut

Der Schweizer Emmanuel Pahud spielt auf der Insel das Flötenkonzert von Carl Reinecke. Der Genfer liebt die klassischen Werke, steht aber auch modernen Einflüsse aufgeschlossen gegenüber

Emmanuel Pahud an der Flöte.

Emmanuel Pahud an der Flöte. / Josef Fischnaller

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Emmanuel Pahud gehört zu den ganz Großen seiner Generation an der Querflöte. Der 1970 in der Schweiz geborene Musiker ist bereits seit vielen Jahren Solist bei den Berliner Philharmonikern. Am kommenden Donnerstag (14.3.) gastiert der Genfer bei den Balearen-Sinfonikern. Im Rahmen der Abo-Reihe spielt Pahud die Sonate von Francis Poulenc und das Flötenkonzert op. 283 von Carl Reinecke. Pahud hat bereits mehrere Auftritte mit den Balearen-Sinfonikern hinter sich.

Welche Erfahrungen verbinden Sie mit Mallorca?

Als ich das erste Mal auf die Insel gekommen bin, gab es da so etwas wie Vorurteile, à la „das ist die typische Urlaubsinsel“. Hier angekommen, habe ich dann aber gemerkt, dass es ein wunderschöner Ort mit eigenen Traditionen und einer lebendigen Kulturszene ist. Die Sinfoniker sind da ein wichtiger Teil davon. Ich habe leider nicht viel Zeit, um hier tiefer in die Kulturszene einzutauchen. Es reicht mal für einen Kathedralenbesuch oder auch die Besichtigung eines Museums. Ich bin ja vor allem zum Arbeiten hier.

Wie haben sich die Balearen-Sinfoniker in den vergangenen Jahren entwickelt?

Es gibt ja kein Orchester-Ranking. Ich spiele weltweit mit vielen Ensembles zusammen, aber es macht mir sehr viel Spaß, auf Mallorca zu arbeiten. Seit Pablo Mielgo das Zepter übernommen hat, sind die Programme deutlich internationaler geworden. Und wenn ich auf dem spanischen Festland spiele, dann sehe ich auch immer wieder bekannte Gesichter von Musikern, mit denen ich schon auf Mallorca aufgetreten bin.

Was macht die Balearen-Sinfoniker für Sie aus?

Es gibt hier eine ganz besondere Beziehung zwischen Musikern, dem Publikum und auch den Studenten der Nachwuchsakademie. Das Publikum wird sehr eng miteinbezogen, das Orchester ist nahbar. Das erlebt man im kälteren Nordeuropa so nicht.

Sie spielen in Palma unter anderem das Flötenkonzert von Carl Reinecke. Was bedeutet Ihnen das Stück?

Es ist ein hochromantisches Werk. Reinecke ist selbst kein sehr bekannter Komponist, aber er hat viel für die Verbreitung der Musik von Tschaikowsky in Deutschland getan und war auch mit Robert Schumann und Franz Liszt sehr eng befreundet. Er war ein richtiger Akteur in der Musikszene, ein Macher, und er hat auch selbst wunderbare Stücke komponiert. Das Flötenkonzert ist immerhin fast sein 300. Werk. Und es ist zauberhaft: sehr schwungvoll und verträumt am Anfang – und sehr virtuos am Ende. Das Stück hat alles, was es braucht. Reinecke komponierte das Konzert 1910, also ziemlich spät. Da haben andere Komponisten bereits atonale Musik geschrieben. Reinecke gehört aber noch in die Tradition des 19. Jahrhunderts.

"Mit sechs konnte ich dann mit größter Mühe die Querflöte halten. Es war also eine zufällige Begegnung, die nichts mit einer Familientradition zu tun hat."

Sie haben mit vier Jahren begonnen, Flöte zu spielen. Warum wollten Sie dieses Instrument lernen?

Als ich knapp fünf war, sind meine Eltern mit mir von Madrid nach Rom umgezogen aufgrund des Berufs meines Vaters (er arbeitete für ein international tätiges US-Unternehmen, Anm. d. Red.). In der Nachbarwohnung wurde musiziert, da waren viele Instrumente zu hören: Geige, Klavier, Cello, Flöte. Ich habe im Treppenhaus manchmal eine Melodie gepfiffen, und als ich eines Tages den Nachbarn traf, sagte er: Oh, das ist das Flötenkonzert von Mozart. Das war meine Lieblingsmelodie. Ich habe den Nachbarn gebeten, mir das Stück beizubringen. So habe ich erst mal auf der Blockflöte angefangen. Mit sechs konnte ich dann mit größter Mühe die Querflöte halten. Es war also eine zufällige Begegnung, die nichts mit einer Familientradition zu tun hat.

Sie haben unter vielen der besten Dirigenten der Welt gespielt, etwa Rattle, Celibidache, Abbado oder Karajan. Was macht diese Persönlichkeiten aus?

Sie sind allesamt ein Medium, das die Proben organisiert, damit wir alle auf der Bühne zusammenspielen. Ihre Aufgabe ist es, die Musiker anders spielen zu lassen, als diese es sonst machen würden. Diese Weltklasse-Dirigenten haben eine magnetische Ausstrahlung. Das merkt man noch vor dem ersten Ton. Jeder hat zwar seinen eigenen Stil, eine eigene Vorstellung von Musik und auch eine andere Methode. Aber das Ziel ist dasselbe: Das Werk ist immer ein bisschen wie ein Theaterstück, und das müssen wir Musiker auf der Bühne als Hologramm wiederbeleben.

Es scheint, die Querflöte erlebt eine Art Renaissance auch in anderen Musikstilen. Wie bewerten Sie das?

Es ist ja noch kein Massenphänomen. Ich freue mich aber über einen Hashtag, wenn mich jemand verlinkt oder wenn eine Anspielung auf die Klassik stattfindet und damit ein breiteres Publikum erreicht wird. Es ist toll, wenn im Hip-Hop oder Rap auch mal Teile von Beethoven, Bach oder Ravel eingebaut werden, wie etwa Alicia Keys das tut, die ja auch eine klassische Ausbildung genossen hat.

Haben Sie sich auch mit Rappern wie André 3000 oder Lizzo auseinandergesetzt? Die beiden Künstler haben neue Stücke herausgebracht, in denen sie Querflöte spielen.

Die kenne ich natürlich. Zwar nicht persönlich, aber ihre Musik. Ich würde allerdings nicht zu einem Konzert dieser Musiker gehen, da habe ich kein Interesse. Jeder macht sein eigenes Ding.

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