Initiativen, die zeitgenössische Kunst „neu denken“ wollen, liegen gerade schwer im Trend. „Wir behaupten nicht, dass wir die Ersten oder die Einzigen sind“, räumt Bartomeu Marí am Telefon ein, der mitverantwortlich für den neuesten Streich in der hiesigen Kulturlandschaft ist. Dennoch klingt die frisch ins Leben gerufene, gemeinnützige „Fundación ALTTRA“ durchaus vielversprechend. Allein schon das Gründer-Trio ist interessant: Neben Marí, Kurator und Ex-Direktor großer Museen wie dem Museo de Arte Contemporáneo de Barcelona oder dem Museo de Arte de Lima, und der auf geistiges Eigentum und Kunstrecht spezialisierten Anwältin Blanca Cortés zieht die mallorquinische Aristokratin und Kunstexpertin Rosario Nadal die Fäden.

Während des Lockdowns 2020 habe sich bei allen dreien der Gedanke durchgesetzt, dass die Welt nach der Pandemie nicht mehr so sein wird wie zuvor. „Es war der richtige Moment, um nach anderen Wegen zu suchen, wie Kunst eine relevante Rolle in der heutigen Gesellschaft spielen kann“, meint Marí. Obwohl keiner von ihnen daran zweifle, dass Museen und Galerien weiterhin wichtig bleiben, brauche es neue Strukturen, die über das Etablierte hinausgehen und Kunst von ihrem Elfenbeinturm herunterholt.

Fokus auf Nachhaltigkeit und Natur

Konkret bedeutet das: Künstler sollen auf den Balearen über einen längeren Zeitraum einzigartige Projekte entwickeln können. Ein Fokus liege dabei auf den immer wichtiger werdenen Themen Nachhaltigkeit und Respekt vor der Natur. Auch sollen „flüchtige“ Formate für eine sehr kurze Dauer entstehen. Was dabei jeweils genau herauskommen wird, bleibe aber bis zuletzt spannend. Manche Projekte würden sich unter freiem Himmel abspielen, daher sei man bei der Planung auch dem unplanbaren Wetter ausgeliefert: „Unsere Arbeitsbedingungen haben damit etwas Schönes und Positives, stellen aber auch ein Handicap dar“, sagt der Kurator.

Bereits angekündigt ist die Zusammenarbeit mit renommierten Künstlerinnen und Künstlern wie Cristina Iglesias (Premio Nacional de Artes Plásticas), Cildo Meireles, Miralda oder Núria Marquès. „Mit diesen und noch einigen weiteren, deren Namen wir noch nicht publik gemacht haben, sind wir an konkreten Projekten dran“, so Marí. Einige Termine seien schon fest angesetzt. „Wir hoffen daher, dass wir im Laufe des Jahres 2023 zwei bis drei dieser Arbeiten präsentieren können.“

Kunstprojekt in Brennpunktvierteln von Palma

Ein erstes Lebenszeichen gibt die Stiftung, die sich aus Mitgliedsbeiträgen und der Unterstützung durch Mäzene finanziert, bereits jetzt von sich: Sie eröffnet am 9. November im Col·legi Oficial d’Arquitectes de les Illes Balears eine erste Ausstellung mit Werken der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles, die zuletzt 2020 eine Ausstellung im Es Baluard hatte. „Sie ist eine der wichtigsten Künstlerinnen ihrer Generation“, sagt Marí.

ALTTRA verleiht etwa einer ihrer Arbeiten Sichtbarkeit, die sie während der Pandemie in Palmas Brennpunktvierteln wie Verge de Lluc, Corea und Son Gotleu entwickelte: ein partizipatives Projekt, das von Nachbarschaft und Gemeinschaften marginalisierter Gruppen erzählt – und von der Rolle, die dabei die Stadtplanung spielt. Es umfasst Werke in verschiedenen Techniken – Fotografien, Videos oder Arbeiten, die die Stimmen der Bewohner eingefangen haben – und ist quasi das Produkt einer kollektiven Kreativität.

„Die Arbeit untersucht, wie innerhalb von Palma unsichtbare Linien existieren, die sich in tatsächliche Grenzen verwandeln, die zerteilen und ausschließen“, erklärt der ehemalige Museumsdirektor. Letztlich seien die Architekten dafür verantwortlich, unsere Lebensräume zu gestalten und zu bauen. Die Architektenkammer sei daher der perfekte Schauplatz, um über ein Werk zu diskutieren, das sagt: Die Stadt, das sind nicht nur ihre Gebäude, sondern vor allem sind es die Menschen, die in ihr leben.

Teresa Margolles, „Not Today“, Vernissage: 9. November, 19-21 Uhr, bis 10. Dezember, Mo.-Fr. 10-14 Uhr, Col·legi Oficial d’Arquitectes de les Illes Balears, Carrer de la Portella, 14, Palma, Infos unter: alttra.org