Wer braucht da schon Schwäne? Beim Tschaikowski-Festival auf Mallorca gibt es kein Ballett, aber klasse Konzerte

Im September findet das Festival im Claustre de Sant Domingo in Pollença statt

Stimmungsvoll: Das Festival im vergangenen Jahr war Brahms gewidmet.

Stimmungsvoll: Das Festival im vergangenen Jahr war Brahms gewidmet. / Veranstalter

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Fast hätte die Unsicherheit, die ein Wahljahr für die Planung von Kulturveranstaltungen mit sich bringt, dem Pianisten Magí Garcías und dem Komponisten und Dirigenten Bernat Quetglas einen Strich durch die Rechnung gemacht: Erst seit Ende Juni steht fest, dass die vierte Ausgabe ihres Klassik-Festivals wieder im Claustre de Sant Domingo in Pollença stattfinden kann. „Wir hatten schon nach einem Plan B gesucht“, gesteht Bernat Quetglas im Telefonat mit der MZ. Ganz umsonst war diese Mühe aber nicht: Dank der Gespräche, um das Festival möglicherweise zu verlegen, wird nun eines der Konzerte ein zweites Mal im Conservatori de Palma aufgeführt. Ein schöner Bonus – und eine Möglichkeit, auch Zuschauer zu gewinnen, die den Weg nach Pollença scheuen.

Wie immer dreht sich das Festival um einen Komponisten, bei dem ein Gedenktag ansteht. Nach Beethoven, Mozart und Brahms ist die Ehre diesmal an dem russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893), dessen 130. Todestag ansteht und der zu den populärsten Vertretern der Romantik überhaupt zählt. Selbst wer nur wenig versiert in klassischer Musik ist, hat vermutlich schon eine Melodie aus dem „Schwanensee“ mitgepfiffen.

Der Komponist und Dirigent Bernat Quetglas.

Der Komponist und Dirigent Bernat Quetglas. / Veranstalter

Romantik kommt beim Publikum gut an

„Tschaikowski hatte ein turbulentes Leben und vermochte das durch seine Musik auszudrücken“, sagt Quetglas. Der Ausdruck des Selbst, der Leidenschaften und Gefühle sei stets in seinem Werk präsent. Obgleich wir in einer ganz anderen Welt leben würden, herrsche heute ein ähnlicher individualistischer Geist, der es uns leicht mache, zu dieser Musik Zugang zu finden, so der Dirigent. „Man könnte fast von einer neo-romantischen Epoche sprechen. Deshalb kommen Komponisten wie Tschaikowski, Mahler oder Strauss so gut beim aktuellen Publikum an.“

Das erste Konzert am 9. September sei direkt das Highlight des Festivals, sagt Quetglas. Es ist der sinfonischen Musik des Komponisten gewidmet, mit zwei charakteristischen und universellen Stücken: „Wir spielen eines der besten Violinkonzerte und eine der besten Sinfonien, die je geschrieben wurden. Jeder Musikliebhaber, der das liest, wird sich denken: Das wird ein Hammer-Konzert!“ Nicht zuletzt deshalb, weil Tschaikowskis berühmtes Violinkonzert D-Dur op. 35 hier von der vielfach preisgekrönten Violinistin Ana María Valderrama gespielt wird, die laut dem Dirigenten spanienweit zu den Top fünf zählt. Diesen Part des Konzerts wird es im Rahmen des Festivals exklusiv in Pollença zu hören geben.

Die Violinistin Ana María Valderrama.

Die Violinistin Ana María Valderrama. / Veranstalter

Tschaikowskis letzte und persönlichste Komposition

Der zweite Teil mit dem mallorquinischen Kammerorchester unter Leitung von Bernat Quetglas wird tags darauf, am 10. September, noch einmal in Palma zu hören sein. Auf dem Programm steht die legendäre Sinfonie Nr. 6 „Pathétique“ in h-Moll (op. 74) – Tschaikowskis letzte und persönlichste Komposition, geschrieben kurz vor seinem Tod, ein Abschied vom Leben. „Ihr emotionaler und autobiografischer Inhalt macht diese Sinfonie so besonders“, erklärt Quetglas, der sich schon wie ein Schneekönig auf die beiden Aufführungen freut. „Sie lässt niemanden kalt – jeder Zuhörer ist davon ergriffen!“

Mit dem Klavierkonzert am 16. September erinnert das Festival an den Gedenktag eines weiteren bedeutenden russischen Komponisten: Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow, der vor 150 Jahren geboren wurde. So gibt der renommierte spanische Pianist Enrique Bagaría an diesem Abend Klavierstücke von Tschaikowski, Rachmaninow sowie von Skrjabin zum Besten – ergänzt von „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ von Bach. „Es wird ein sehr spirituelles und introspektives Konzert“, verspricht der Dirigent.

Enrique Bagaría gibt ein Klavierkonzert.

Enrique Bagaría gibt ein Klavierkonzert. / Veranstalter

Ein Crossover von Klassik und Jazz

Neben ihrem Konzept, ein breites Spektrum des ausgewählten Komponisten aufzuzeigen, wollen die beiden Festivalleiter stets die Fühler nach neuem Publikum ausstrecken. Diesmal geschieht das in Form eines Crossovers von Klassik und Jazz beim Abschlusskonzert am 23. September. „Es ist kurios, aber die Musik von Tschaikowski nimmt bereits Harmonien und kompositorische Mittel vorweg, die im frühen Jazz zu finden sind“, sagt Quetglas. „Sie haben zwar völlig unterschiedliche Ursprünge, aber sie kommen letztlich zum selben Punkt.“

Dass diese Mischung funktioniert, will der auch klassisch ausgebildete Jazz-Pianist Diego Hervalejo mit seinem Trio – Giuseppe Campisi (Bass) und Luís Naval (Perscussion)– unter Beweis stellen. Bei seinem Projekt „Refractio“ mit Magí Garcías war ihm eine Klassik-Jazz-Fusion bereits hervorragend gelungen.

Bringt Jazz in das Klassik-Festival: das Diego Hervalejo Trio.

Bringt Jazz in das Klassik-Festival: das Diego Hervalejo Trio. / Veranstalter

Festival Tchaikovsky Mallorca 2023: 9.–23. September, jeweils 20 Uhr, Claustre de Sant Domingo, Pollença. Eintritt: 15–25 Euro, Karten: ticketib.com. Infos: festivaltchaikovskymallorca.com