Die Unverblümte von Mallorca: Wie Samantha Hudson mit cleverer Provokation zum Star wurde

Samantha Hudsons Karriere begann mit einem Schulprojekt auf Mallorca, in dessen Folge sie exkommuniziert wurde. Mittlerweile hat sie einen MTV Europe Music Award in der Tasche. Am Samstag gibt sie ein Konzert im Es Gremi in Palma

Die Künstlerin Samantha Hudson.

Die Künstlerin Samantha Hudson. / Clara Orozco

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Wenn man sich den ersten Song anhört, den Samantha Hudson 2015 ins Netz stellte, hätte man ihr nicht zwangsläufig eine langjährige Karriere in der Musikindustrie vorausgesagt. Zu unausgereift war die Stimme des 16-jährigen Iván González – so der bürgerliche Name der Kunstfigur. Dafür zeigte sich hier schon das Talent für clevere und provokante Texte der Künstlerin, die in der britischen Urlauberhochburg Magaluf aufwuchs.

Vom Bischof exkommuniziert

„Maricón“ – zu Deutsch: Schwuchtel – hieß der Song, der im Rahmen eines Schulprojekts entstand. Hudson singt begleitet von einem minimalistischem Elektro-Beat über ihr Unverständnis darüber, zwar gläubige Christin zu sein, aber trotzdem aufgrund der sexuellen Neigung nicht in der Kirche akzeptiert zu werden. Während das Kolleium den Song und das dazugehörige Video für ausgezeichnet befanden, zettelte der Religionslehrer eine Fehde an, die damit endete, dass Iván González vom damaligen Bischof Xavier Salinas exkommuniziert wurde.

Ein kleiner Skandal, der eine durchaus erfolgreiche Karriere ins Rollen brachte. Heutzutage muss man in Spanien nicht mehr erklären, wer Samantha Hudson ist. Den Erzkonservativen von Vox nicht, weil sie immer wieder versuchen, Auftritte der 24-Jährigen zu verhindern. Und dem linken Publikum sowieso nicht. Denn Hudson hat es in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft, durch provokante, häufig aber auch humorvolle Projekte für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Ein Song für den Diktator

Bestes Beispiel ist der 2021 gemeinsam mit der mallorquinischen Band Papa Topo veröffentlichte Song „Por España“. Darin besingt Hudson den spanischen Diktator Francisco Franco und fordert ihn auf, sie im Namen Spaniens sexuell zu unterwerfen. Im dazugehörigen Video liefert sich die Künstlerin mit der blonden Perücke in einer Neonazi-Bar eine Schlägerei mit der dortigen Kundschaft, bevor sie einem Franco-Darsteller mit einem Gewehr den Schädel wegpustet.

Musikalisch verbindet das Lied Elemente der elektronischen Musik und des traditionellen Liedguts der coplas sowie sevillanas. Der Song erschien am 12. Oktober – dem spanischen Nationalfeiertag. Das Echo in den Medien war quasi gratis vorprogrammiert.

Belebend für Fernsehsendungen

Derweil entdeckten auch die spanischen Fernsehmacher, dass Hudson mit ihrer unverblümten Art belebend für jegliche Art von Programm sein kann. Im öffentlich-rechtlichen TVE nahm sie 2021 als Kandidatin der Kochsendung „MasterChef Celebrity“ teil. Netflix verpflichtete sie als Moderatorin für die Sendung „Amor con fianza“, in der Paare sich einem Lügendetektortest unterziehen müssen.

Und immer wieder ist sie auch als Gast in Talkshows und Late-Night-Sendungen zu sehen, unter anderem war sie vergangenes Jahr in der bekannten Show „La Resistencia“ von David Broncano. Dort riss sie das Gespräch an sich und erklärte nebenbei, sie würde gern mal der Klimaaktivistin Greta Thunberg ins Gesicht treten. Ein bisschen Provokation geht bei Samantha Hudson immer.

Dass sie auch anders kann, zeigte sie erst kürzlich, als sie bei „Operación Triunfo“ zu Gast war – dem spanischen Pendant zu „Deutschland sucht den Superstar“. Dort sprach sie mit den nur wenige Jahre jüngeren Kandidaten über die Folgen der Berühmtheit – etwa die negativen Kommentare im Netz. Wohl kaum eine Figur der aktuellen spanischen Musikszene dürfte so überzeugend über den Online-Hass sprechen. Samantha Hudson erklärte den Kandidaten beispielsweise: „Nichts hat wirklich eine große Tragweite. Meistens haben die Leute nach einer Woche schon vergessen, was man getan oder gesagt hat.“

Im Fokus immer die Musik

Derweil hat die Mallorquinerin ihre Musikkarriere nicht außer Acht gelassen. Im Jahr 2021 veröffentlichte sie ihr Debutalbum „Liquidación total“, im vergangenen Jahr folgte „AOVE Black Label“. Während die Songs auf dem Debut sich an verschiedenen Genres bedienten, ist das neue Werk vom Techno der 90er-Jahre inspiriert.

Thematisch setzen sie sich eher mit Partykultur als mit besonders provokanten Aussagen auseinander. „Musik für jene, die allein im Club geblieben sind, weil die Freundinnen keine Kraft mehr hatten“, resümierte das Online-Musikmagazin „Je Ne Sais Pop“ in der Rezension. Doch Hudson scheint mit diesem Konzept mittlerweile auch den Mainstream erreicht zu haben. Im November 2023 wurde sie bei den MTV Europe Music Awards als beste spanische Künstlerin ausgezeichnet. Da sich unter den Konkurrenten um den Titel unter anderem auch der kanarische Shootingstar Quevedo befand, ist dies keine kleine Ehre.

Samantha Hudson (M.) bei einem Konzert in Palma.

Samantha Hudson (M.) bei einem Konzert in Palma. / Pere Joan Oliver

Live ist Hudson übrigens hoch unterhaltsam. Ihre Bühnenshow ist energiegeladen und funktioniert ohne viel Schnickschnack. Ein paar Tänzer begleiten sie bei dem ein oder anderen Song. Ansonsten lebt die Performance ganz von ihrer Persönlichkeit. Wer sich ihre Show einmal selbst zu Gemüte führen möchte, hat am Samstag (10.2.) dazu Gelegenheit. Da tritt Samantha Hudson ab 21.30 Uhr im Konzertsaal Es Gremi im Rahmen der Konzertreihe Mallorca Live Nights auf. Die Karten kosten 24 Euro (hier erhältlich). Und wer weiß, was sie da so vom Stapel lässt.

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