Das verwinkelte Haus von Nils Burwitz (81) in Valldemossa quillt über von Kunst, die im Laufe eines erfüllten Lebens entstanden ist. Und drei wichtige Elemente, die sich in den Werken des Künstlers widerspiegeln, sind hier ganz nah: Menschen, Natur und Spiritualität. Man braucht nur hinauszutreten, um im lebendigen Ortskern zu sein; die Terrasse gibt den Blick auf die Tramuntana frei, und über dem Innenhof mit duftenden Rosen öffnet sich die Weite des Himmels.

Wenn Burwitz hier an seinem Tisch aus mallorquinischer Eiche, den er einst im Austausch für ein Bild bekam, seine Erinnerungen teilt, überwältigen ihn mehr als einmal die Emotionen. „Das große Abenteuer“ nennt er seine Anfangszeit auf Mallorca, wo er seit 1976 lebt.

Wanderer zwischen den Welten

Es war nicht die erste Station des „Wanderers zwischen den Welten“, wie eine Ausstellung im Jahr 2019 hieß: Der 1940 in Swinemünde geborene Künstler wanderte 1958 zunächst nach Südafrika aus. Dort leistete er mit seiner Kunst aktive Protestarbeit gegen die Apartheid.

Als ihm das zu gefährlich wurde, verließ Burwitz das Land mit seiner Frau Marina und den drei gemeinsamen Kindern. Sie waren damals zehn, neun und ein Jahr alt. Alle schlugen beeindruckende Lebenswege ein: Natasha wurde Diplombibliothekarin, Expertin für spanischen Tanz und arbeitet im Hotel Can Bordoy, Alexander wurde Pilot und Luftfahrtexperte und Vadim Astrophysiker am Max-Planck-Institut in München.

Nils Burwitz - Preisträger der Mallorca Zeitung 2022

Nils Burwitz - Preisträger der Mallorca Zeitung 2022 Javier Fernández / La Siesta

Vor allem dem Nachwuchs und dem persönlichen Kontakt zur Schule sei es zu verdanken gewesen, dass die Familie damals mit sehr viel Herzlichkeit empfangen wurde. „Es war eine Umarmung!“, sagt Burwitz. Und springt gedanklich gleich ins Olympische Jahr 1992, wo er zur Feier der Heiligen Catalina im Klosterhof über Variationen des Themas „Umarmungen“ sprach. „Man hatte mich eingeladen, die Festrede zu halten – auf mallorquí, weil sie wussten, dass ich mit den alten Damen des Dorfes einen Kurs belegt hatte“, erzählt er.

Schlüssel zum Schatzkästchen

Burwitz macht keinen Unterschied zwischen den Sprachen. Bei der Streitfrage Katalanisch oder Spanisch plädiert er für harmonische Lösungen. Versöhnung, Vermittlung und Verknüpfung der Kulturen gehören zu seinen großen Themen. Die Integration auf der Insel gelang ihm so vollkommen wie kaum einem anderen Wahlmallorquiner aus dem Ausland, wobei ihm die Bedeutung seiner eigenen Sprachkenntnisse dabei wohl bewusst ist: „Ich habe mit dem Schlüssel der Sprache den Zugang zu dem besonderen Schatzkästchen“ – so formuliert es der Künstler.

Doch um wirklich anzukommen, braucht es laut Burwitz noch mehr: Es gelte, das zu geben, was man am besten kann, die Fühler auszustrecken und etwas in Bewegung zu setzen. „Hier gibt es ein tolles Kulturprogramm, zum Beispiel das des Sinfonieorchesters. Dort regelmäßig hinzugehen, ist auch schon ein Beitrag“, meint der Künstler. Er selbst engagiert sich seit Langem für die Blutspende und verarbeitet das Thema in seiner Kunst, etwa als metaphorisches Bild eines Blutstropfens, der die Schere stoppt, die im Begriff ist, den Lebensfaden der drei Schicksalsgöttingen durchzuschneiden.

Leben und Kunst gehen bei Burwitz immer Hand in Hand, und solange Blut in ihm fließt, wird er malen. Auch wenn er heute zerbrechlich wirkt, in sich gekehrt: Sein jüngstes Werk strotzt vor Kraft, es ist die expressive Darstellung eines Blitzeinschlags in einen Baum. Der Natur von Mallorca gilt sein Interesse ebenso wie der Natur des Menschen, die er in Bildern von seiner Familie auslebte oder auch bei Porträts von wichtigen Persönlichkeiten der Inselkultur wie dem Schriftsteller Baltasar Porcel.

Blick ins Atelier von Nils Burwitz: Links eine neue Arbeit, die einen Blitzeinschlag zeigt. Javier Fernández Ortega

Terrassen von Valldemossa

Eine besondere Werkserie, bei der beides, Natur und Mensch, miteinander verschmilzt, bilden die mehreren Hundert, über 40 Jahre entstandenen Aquarell-Briefe „Marinas Terrassen“, die die immer gleiche Ansicht der Landschaft von Valldemossa mit persönlichen Worten an seine Frau kombinieren.

Zum 50. Jahrestag ihrer Hochzeit schrieb er ihr, wie er sich an die erste Begegnung erinnerte. „Ich sah sie, als sie aus dem Schwimmbad der Universität in Johannesburg kam. Sie stieg aus dem Wasser, beugte den Kopf und wrang das Wasser aus dem langen, dicken Zopf“, erzählt Burwitz. Marina verstarb 2019 im Alter von 79 Jahren. Sie war jahrzehntelang seine rechte Hand, Managerin, Archivarin und Verlegerin.

Tiefe Bewunderung empfindet Burwitz für Ramon Llull (1232–1315): Er hat nicht nur vieles von dem mallorquinischen Philosophen, Mystiker, Dichter und Begründer der katalanischen Literatursprache gelesen, sondern fand in dessen Lehre auch eine wichtige Inspirationsquelle für sein eigenes Schaffen.

Ein eindrucksvolles Beispiel ist die riesige Glaskuppel im Atrium des Castillo Hotel Son Vida. Eine Figur aus Llulls „Ars breve“, der Zusammenfassung seines philosophischen Systems, diente Burwitz hierbei als Vorlage. „Es ist unglaublich, was Raimundus Lullus geleistet hat“, sagt der Künstler. Und fügt gedankenversunken hinzu: „Wahrscheinlich ist er vor 700 Jahren genau hier durchmarschiert auf seinem Weg von Palma nach Miramar…“

Inspiriert von Ramon Llull: Die Lichtkuppel im Atrium des Castillo Hotel Son Vida. Privat/Burwitz

Ewiges Licht

An Valldemossa schätzt Burwitz vor allem die intelligenten und guten Gespräche, die sich dort mit den Menschen eröffnen. „Auch mit den einfachen Leuten. Das ist dann Herzensbildung“, betont er. Als „letzte Umarmung“ versprach der Künstler damals bei seiner Rede im Jahr 92, die Fenster der Klosterkirche zu restaurieren. Das erste Bleiglasfenster, das er für die Insel schuf, waren indes die zwölf Apostel für die anglikanische Kirche in Palma. Weitere Aufträge für Kirchen bis hin zu Buntglasarbeiten für die Kathedrale von Palma folgten. „Die einzige Lichtquelle im Kloster Lluc durfte ich machen“, sagt Burwitz stolz.

Gott sei in jedem seiner Werke, betont er. Was die Fenster in einer Kirche von einem Gemälde abheben, sei ihre Wirkung auf andere: Manch einem soll durch deren Anblick sogar ein Wunder widerfahren sein. In jedem Fall sind sie eine Ehrbezeugung an die Insel, die lange fortbestehen wird. „Obwohl ich das ursprünglich anonym machen wollte. Aber jeder weiß davon“, sagt Burwitz.

Eine der schönsten Genugtuungen sei für ihn jedoch eine Auftragsarbeit der Stadtverwaltung von Palma gewesen: ein Triptychon zu Ehren der Muttergottes des Heils. „Es steht beim Bürgermeister im Empfangszimmer neben Ankermanns berühmtem Bild von Ramon Llull. Tiefer kann man ins Herz der Insel kaum eindringen.“