Zwischen Datenschutz und Kunstfreiheit: Was Sie bei Straßenfotografie auf Mallorca beachten müssen

Street Photography in der Praxis, Teil 1: Jens Kruse gibt Tipps, wie Sie sich beim Fotografieren im öffentlichen Raum keinen Ärger einhandeln

Einsteiger sollten mit Silhouetten loslegen: Wie bei diesem Datenschutz-konformen Foto aus Palma.

Einsteiger sollten mit Silhouetten loslegen: Wie bei diesem Datenschutz-konformen Foto aus Palma. / Jens F. Kruse

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Ungestellte Bilder, die ohne einen akuten Anlass unser Alltagsleben einfangen – die Straßenfotografie liefert als Kunstform mit dokumentarischem Charakter bedeutende Zeitzeugnisse, sagt Jens F. Kruse, der sich dieser Disziplin professionell widmet: „Ohne sie könnte es uns in naher und ferner Zukunft schwerfallen, unser damaliges Leben einzuordnen und zu verstehen.“ Nichtsdestotrotz stehen Straßenfotografen vor einigen Hindernissen, wenn sie ihre Kunst ausüben. Kruse gibt an dieser Stelle einen Überblick über die Lage und einige praktische Ratschläge. Vertiefen lässt sich dieses Thema in einem individuellen Workshop auf Mallorca.

Obwohl die abgelichteten Menschen bei der Street Photography, im Gegensatz zur journalistischen Fotografie, nicht als Privatpersonen gemeint sind, sondern als anonyme Figuren einer allgemeinen menschlichen Situation, ist die Rechtslage etwas heikel. Auf der einen Seite ist es – zumindest in Deutschland – grundsätzlich verboten, ohne Einwilligung der abgebildeten Personen Aufnahmen zu erstellen oder zu verwerten. Es sei denn, die Personen sind darauf nicht erkennbar.

"Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter"

Auf der anderen Seite steht die Kunstfreiheit: „Es gibt eine Ausnahmeregelung, sofern das Bild in einer künstlerischen Art und Weise aufgenommen und verbreitet wird. Und genau das machen wir Straßenfotografen“, betont Kruse. Der Fotograf ist überzeugt, dass bei einem Rechtsstreit im Zweifelsfall die Kunstfreiheit gewinnen würde. Außerdem gelte immer noch die Devise: „Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter.“

Es sei zwar nicht unmöglich, aber doch sehr unwahrscheinlich, in Palma ein Bild zu schießen und in die Situation zu geraten, dass die entsprechende Person dieses Foto einmal entdecken wird – und dann auch noch etwas dagegen hat, selbst daraus Kapital schlagen oder gar klagen möchte.

Mit einer Rückenansicht wie dieser können Sie absolut nichts falsch machen.

Mit einer Rückenansicht wie dieser können Sie absolut nichts falsch machen. / Jens F. Kruse

Unauffällig fotgrafieren

Kruse ist Verfechter eines entspannten Umgangs mit Fotografie im urbanen Raum, wie er in vielen Ländern – etwa in den USA, Großbritannien oder Japan – bereits Realität ist. Seinen Workshop-Teilnehmern rät er stets, „nicht wie ein Stalker rumzulaufen“, sondern zu lächeln, die Leute anzusehen und eine offene Körperhaltung zu haben. Grundsätzlich mache er keine Bilder, die Menschen diffamieren und bloßstellen. „Lustig darf es sein, aber nicht peinlich“, sagt der Straßenfotograf.

Man sollte möglichst unauffällig fotografieren – aus zweierlei Gründen, wie Kruse erklärt: „Ich möchte ja ungestellte Fotos haben und deshalb nicht, dass die Leute sehen, dass sie fotografiert werden.“ Wobei es durchaus stylische Leute gebe, die nichts dagegen hätten. „Aber sobald man etwas merkt, hat man sofort eine andere Haltung oder posiert – und das will ich ja eben nicht.“ Der zweite Grund: „Ich möchte natürlich auch keinen Ärger.

Unverfänglich: Hier ist niemand zu erkennen.

Unverfänglich: Hier ist niemand zu erkennen. / Jens F. Kruse

Die meisten zeigen Verständnis

Dass jemand im Nachhinein bemerkt, dass er vor die Linse des Straßenfotografen geriet und sich beschwert, passiere nur sehr selten. „Meistens komme ich dann aus der Nummer wieder raus, indem ich ihnen Komplimente mache“, sagt Kruse. Er erkläre den Menschen, warum er sie in einem Bild festhalten wollte: etwa aufgrund ihrer schönen Körperhaltung, ihres besonderen Outfits, ihrer Art zu gehen oder weil sie einen interessanten Schatten geworfen haben. „Dann gebe ich ihnen meine Karte, zeige ihnen das Bild auf dem Display und sage ihnen: Schreiben Sie mir eine Mail, dann schicke ich Ihnen das Bild zu. Meistens ist die Sache damit erledigt.“

Häufig bemerke er den Moment, wenn die Passanten etwas bemerken. Dann gehe er aktiv auf sie zu, mit den Worten: „Ja, Sie haben recht. Ich habe Sie fotografiert!“ Wenn das einmal nicht funktioniere, lösche er auf ausdrücklichen Wunsch das Bild – „auch wenn das rechtlich nicht verlangt werden kann“, wie Kruse betont. Denn strittig könne es überhaupt erst dann werden, sobald das Foto die Kamera verlässt und man es veröffentlicht, ins Netz stellt oder damit auch noch wirbt. Meldet sich dann jemand mit einer Beschwerde, sollte man das Bild von der Website nehmen.

Beine sind immer ein dankbares Motiv.

Beine sind immer ein dankbares Motiv. / Jens F. Kruse

Tipps für Anfänger, die unsicher sind

Richtig brenzlige Situationen auf der Straße hat Kruse so gut wie nie erlebt, sagt er. In all den Jahren habe ihm nur ein einziges Mal ein frustrierter Jugendlicher die Kamera aus der Hand gerissen. Wichtig sei, Momente zu erspüren, die potenziell gefährlich werden könnten. Und im Zweifelsfall lieber einmal zu wenig als einmal zu oft die Kamera zu zücken. Die Fähigkeit, Risiken richtig einschätzen zu können, verbessere sich durch die Erfahrung.

Viele Anfänger haben erst einmal Berührungsängste und fühlen sich unsicher. „Dann geht es mit Silhouetten und Rückenansichten los. Damit hat man schon eine Menge zu tun und arbeitet sich daran ab“, so Kruse. Mit Bildern von hinten oder Ausschnitten ohne Köpfe und Gesichter ist man garantiert auf der sicheren Seite. Denn wenn die Person nicht zu erkennen ist, gibt es auch keine Probleme. „Dazu rate ich auch erst einmal jedem“, sagt der Fotograf. Irgendwann reiche einem das nicht mehr und man verliere ganz von allein die Angst. „Das ist ein organisches Wachsen.“

Street Photography mit dem Profi: Im nächsten Teil geht es vertiefend um das Thema Silhouetten. Infos zu Kruses Workshops gibt es hier: jfkstreetphotography.com. Halbtages-Entdeckungen buchen Sie unter: airbnb.de/experiences/4330887 

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