Die Fristen gibt die Balearen-Verfassung vor: Bis zum 8. Juli muss ein neuer Premier gewählt werden, das Parlament muss sich bis zum 23. Juni konstituieren. Es bleiben also einige Wochen, um die Grundlage für ein neues Linksbündnis zu legen, das die konservative Volkspartei (PP) an der Macht ablöst. Die Stimmen der Sozialisten (PSOE), des linksökologischen Bündnisses Més per Mallorca und der neuen Linkspartei Podemos reichen für eine absolute Mehrheit im Balearen-Parlament.

Alternativen gibt es kaum - mal abgesehen von einer Minderheitsregierung aus PSOE und Més, die Podemos tolerieren könnte, und einer großen Koalition, die aber von den Sozialisten kategorisch abgelehnt wird, oder aber einer Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Nach dem dramatischen Stimmenverlust der PP würde Premier José Ramón Bauzá selbst eine Einigung mit der neuen Partei Ciudadanos und der Regionalpartei El Pi keine ausreichende Mehrheit verschaffen - mal abgesehen von den ideologischen Hindernissen, die es zu überwinden, und den Bedingungen, die es zu erfüllen gäbe.

Die drei Linksparteien dagegen liegen inhaltlich eng beieinander - von der Sozial- über die Sprach- bis hin zur Tourismuspolitik. Während Podemos nach anfangs radikalen Tönen vor allem in der Wirtschaftspolitik den Kurs korrigierte, näherten sich die Sozialisten inhaltlich Podemos an, um hinter der neuen Konkurrenz im linken Lager nicht zurückzustehen.

Jede Menge Gesprächsbedarf besteht dagegen beim Politikstil - Podemos hat im Wahlkampf auch die Sozialisten als Partei der „Kaste" beschimpft, die den politischen Niedergang Spaniens mitzuverantworten habe. Und dann wäre da noch die Frage, wer die Spitzenposten besetzen darf. Hatte sich Sozialisten­führerin Francina Armengol bislang mit Verweis auf Geschichte und politische Erfahrung als Regisseurin einer politischen Alternative zur PP gesehen, übt sie sich nach dem Stimmenverlust in Demut: Sie erhebe nicht unbedingt Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten. Man wolle die Einigung in den Inhalten über personelle Fragen stellen, heißt es derzeit bei allen drei Parteien fast schon gebetsmühlenartig.

Dass sich die drei möglichen Koalitionäre den Vorsitz in den wichtigsten Insel-Institutionen gegenseitig überlassen - eine Partei darf den Premier stellen, eine den Inselratspräsidenten, eine Palmas Bürgermeister - lehnt zumindest schon mal Podemos ab. „Wir verhandeln separat über jede Institution", so Spitzenkandidat Alberto Jarabo - das Postengeschacher sei ein Fehler früherer Koalitionen, den man nicht wiederholen werde.

Ecotasa, zweiter Anlauf

Vergleichsweise klar positionieren sich alle drei Parteien in der Tourismuspolitik. Trotz unterschiedlichen Akzente sind sich PSOE, Més und Sozialisten einig, dass eine neue Ecotasa eine gute Idee ist, um Einnahmen zu generieren, die wiederum dem Tourismus zugute kommen sollen. Beflügelt werden die Vorstöße von den guten ­Erfahrungen mit Touristenabgaben und Kur­taxen in anderen Destinationen wie Katalonien. Am schwammigsten ist die Position der Sozialisten - Armengol macht die Einführung davon abhängig, ob auch über eine Reform der Regionenfinanzierung ausreichend Geld fließen könnte. Einig werden müssten sich die Koalitionäre zudem über die Höhe der Gebühr und die Einzugsart - sowie auch über einen neuen, unbelasteten Namen für die Abgabe.So sehr die PP den Hoteliers als hörig gilt, so deutlich weisen die Linksparteien die Lobby in ihre Schranken. Eigentümer von Apartments können deswegen darauf hoffen, dass die Auflagen für die Ferien­vermietung gelockert werden. Bislang

ist die touristische Vermarktung nur im Fall von Einfamilien- und Reihenhäusern möglich.

Neue Steuern im Anmarsch

Versprach die PP noch im Wahlkampf Steuersenkungen, haben die Parteien links der Mitte klar gemacht, dass sie auf zusätzliche Einnahmen für eine expansive Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nicht verzichten wollen. Es gibt konkrete Vorschläge: Podemos etwa möchte die Einkommensteuer für Bürger mit einem Jahreseinkommen ab 50.000 Euro erhöhen, statt bislang drei soll es künftig fünf Steuerstufen geben. Ähnlich klingt der Vorschlag von Més. Auch die Vermögensteuer, die die PP zuletzt wieder abzuschaffen versprach, soll nach dem Willen von Podemos erhöht werden.

Mehr Geld soll neben einer stärkeren Verfolgung von Steuer­sündern auch eine Reform der Regionen­finanzierung liefern - weil darüber die spanische Zentralregierung entscheidet, fordert Més, dass sowohl Sozialisten als auch Podemos von ihrer Parteileitung in Madrid die feste Zusage einholen, dieses Ziel auf der Prioritätenliste ganz nach oben zu setzen.

Weg mit dem TIL

Keinerlei Uneinigkeit dürfte es in der Bildungspolitik geben. Sozialisten, Podemos und Més ­wollen das von der PP gegen breiten Widerstand durchgesetzte Drei-Sprachen-Modell einkassieren. Die Schulen sollen wieder mehr Eigenverantwortung bekommen, um selbst über die Unterrichts­sprache zu entscheiden - dass das in den meisten Fällen auf Katalanisch hinausläuft, ist im Sinne aller drei Parteien. Eine bessere Finanzierung soll nicht nur die Weiterbildung der Lehrer und die Förderung der Schüler sicherstellen, sondern auch soziale Leistungen wie Schulspeisung, Schulmaterial oder Schultransport garantieren. Gemeinsames Ziel: die Senkung der spanienweit höchsten Schulab­brecherquote.

Bürger statt Banken retten

Mit am teuersten dürfte die geplante Sozialpolitik werden - Podemos hat hier die Latte hoch gelegt, etwa im Fall einer Art Hartz IV (renta mínima). Diese Sozialhilfe dürfte Grundvoraussetzung für einen Konsens sein. Aber auch die PSOE hat die progressive Einführung einer renda bàsica geplant. Und auch Més führt eine renda garantida im Programm, die Familien mit geringem Einkommen erhalten sollen. Die Frage wäre also, nach welchen Kriterien die Sozial­hilfe gezahlt wird - auch Jarabo stellt klar, dass sie kein Geschenk, sondern an klare Bedingungen geknüpft sei, die man auch vor dem Hintergrund der finanziellen Situation erst noch definieren müsse.

Zur Sozialpolitik gehört zudem, den Opfern von Zwangsräumungen zu helfen. Auch hier hat Podemos die Messlatte hoch gehängt und Druck auf die Banken angekündigt. PSOE und Més schwenkten in ihrem Wahlprogramm auf eine ähnliche Linie ein. Umgekehrt fordern die Sozialisten am lautesten die Stärkung der Arbeitnehmerrechte, Initiativen zur Fortbildung, Qualifizierung und besseren Vermittlung von Arbeitslosen sowie Arbeitsbeschaffungsprogramme für Langzeitarbeitslose - Ziele, die auch im Sinne von Podemos und Més sind.

Arztbesuch für alle

Die PP versuchte, den Haushalt im Gesundheitssystem unter Kontrolle zu bringen. Das hatte nicht nur zur Folge, dass die Wartelisten immer länger wurden. Auch der von Madrid verordnete Ausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung aus dem staatlichen Gesundheitssystem - Ausnahmen galten nur für Notfälle, Kinder und Schwangere - wurde auf den Balearen besonders streng durchgesetzt. Nach dem Willen der Linksparteien soll es die Gesundheitskarte wieder für alle geben, zudem soll die Grundversorgung durch den Hausarzt ausgebaut werden, um die Notaufnahme zu entlasten.

Mehr Bus & Bahn

Der Ausbau des öffentlichen Personentransports ist vor allem ein Anliegen von Més per Mallorca - zu dem Parteienverbund gehören neben der regionalistischen PSM auch die grüne Iniciative Verds. Die Wiederaufnahme des von der PP gestoppten Zugprojekts Manacor-Artà steht aber nicht zur Debatte, zumindest solange dafür kein Geld da ist. Auch die Straßenbahn zur Playa de Palma gilt inzwischen als viel zu teuer. Geplant sind stattdessen mehr Bus- und Bahn­frequenzen, die komplette Elektrifizierung des Eisenbahnnetzes und ein neues Schnellbus-System für Palma.

Mehr Demokratie wagen

Més fordert es schon seit Langem, Podemos am lautesten, und die PSOE hat nachgezogen: Die politische Krise soll mit mehr Transparenz, mehr Partizipation und parteiinterner Demokratie sowie harter Hand gegen die Korruption angegangen werden. Das Plus an Demokratie würde schon beim Koalitionsvertrag beginnen - nicht nur nach dem Willen von Podemos müsste er zunächst von der Parteibasis abgesegnet werden.

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