So können Sie auf Mallorca den Erdbeben-Opfern in der Türkei helfen

Türkische Einwohner auf Mallorca organisieren eine Lieferung von Hilfsgütern. Und ein deutscher Mallorca-Resident ist sogar direkt ins Krisengebiet geflogen. Wie jeder Einzelne helfen kann

In Can Valero sammeln türkische Einwohner auf Mallorca Sachspenden für die Opfer des starken Erdbebens in der Türkei und Syrien.

In Can Valero sammeln türkische Einwohner auf Mallorca Sachspenden für die Opfer des starken Erdbebens in der Türkei und Syrien. / B. RAMON

Jaume Bauzà

Von Mallorca soll bald Hilfe für die Opfer der Erdbeben kommen, die in der Türkei und in Syrien bisher mehr als 35.000 Todesopfer gefordert haben. Türkische Einwohner der Insel haben in Zusammenarbeit mit der NGO #Somos1Más im Industriegebiet Can Valero eine Sammelstelle für Lebensmittel, Kleidung und Erste-Hilfe-Material eingerichtet. "Meine Familie hat mir erzählt, wie schlimm die Lage vor Ort ist. Es gibt Gegenden, die die Rettungsteams noch nicht erreicht haben, weil der Staat es ihnen nicht erlaubt, dorthin zu gelangen", sagt Sadi Gokcer. Der Türke lebt seit 15 Jahren auf Mallorca und hat diese Initiative ins Leben gerufen. "Die Hilfe für die betroffenen Gebiete kommt nur tröpfchenweise an, sodass es die Bürger selbst sind, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Nachbarn helfen", ergänzt er.

Mit einer Gruppe von Freiwilligen verpackt Gokcer das gesamte Material. Die Helfer nehmen Sachspenden von 8 bis 16 Uhr entgegen. Sie sagen, dass sie bereits über genügend Kleidung und Decken verfügen und dass sie vor allem nicht verderbliche Lebensmittel (Nudeln, Reis, Hülsenfrüchte), Erste-Hilfe-Material, Milchpulver für Babys, Windeln und Kartons zum Verpacken benötigen. Auch freiwillige Helfer zum Verpacken und Sortieren der Spenden werden noch gesucht. Bis Mittwochnachmittag 15.2.) werden diese Hilfsgüter in dem Lager gesammelt, das die Firma Mallorca Logispeed zur Verfügung gestellt hat. Dann wird das Material nach Barcelona geschickt, von dort aus wird das türkische Konsulat dafür sorgen, dass es mit einem Frachtflugzeug in die Türkei transportiert wird.

Viele Türken haben Todesfälle in der Familie

Wie viele andere Türken hat auch Sadi Gokcers Todesfälle in der Familie zu beklagen. "In Adiyaman lebte eine 42-jährige Cousine von mir. Sie, ihr Mann und ihren beiden Töchter sind gestorben", erzählt er. Verwandte hätten die Leichname aus den Trümmern bergen müssen, weil es keine andere Hilfe gab. "Und das nur einer von vielen Fällen", stellt Gokcer fest. "Die Situation ist so schrecklich, dass ich keine Worte habe, um sie zu erklären."

Auch der Deutsch-Türke Serkant Mr Simit hilft bei der Spendenannahme mit. Als die MZ ihn auf dem Handy erreicht ist er schwer beschäftigt und kurz angebunden. "Wir haben hier zur Zeit etwa 30 Helfer, aber wir können weiter jede helfende Hand gebrauchen, ganz egal welcher Nationalität", sagt er. Wichtig sei, dass die Spenden nicht in Gläsern, sondern in Dosen abgegeben würden. "Und bitte möglichst keine Flüssigkeiten und natürlich kein Schweinefleisch spenden", betont er. Wer unterstützen möchte, kann ihn auf dem Handy erreichen: 655789478. Er will organisieren, dass auch über Mittwoch hinaus noch Spenden abgegeben werden können. "Wer mich kontaktiert, kann noch bis Freitagnachmittag haltbares Essen abgeben."

Sibel Cemtosun, eine Türkin, die seit 16 Jahren auf Mallorca lebt, hat sich ebenfalls gemeldet, um ihren Landsleuten zu helfen. Sie weiß, wie es ist, ein Erdbeben zu erleben. 1999 lebte sie noch in der Türkei, als in ihrer Gegend ein starkes Erdbeben alles zerstörte. "Es ist wie ein Krieg", sagt sie. Jede Hilfe sei notwendig. "Selbst wenn man nur mit einer Packung Kekse oder einem Päckchen Taschentücher beitragen kann", sagt sie. Cemtosun muss bei den verheerenden Erdbeben nicht den Verlust von Angehörigen beklagen, denn der größte Teil ihrer Familie lebt schon lange in Deutschland. "Aber das heißt nicht, dass ich nichts tun werde. Wir sollten alle mit anpacken", fügte Cemtosun hinzu.

Mallorca-Deutscher hilft direkt vor Ort in der Türkei

Der Mallorca-Deutsche Timo Boll hilft in der Türkei vor Ort

Der Mallorca-Deutsche Timo Boll hilft in der Türkei vor Ort / privat

Timo Boll ist es nicht genug, auf Mallorca Spenden zu sammeln. Der 27-jährige Deutsche, der seit acht Jahren in Cala Ratjada lebt, hat noch aus seiner Heimat viel Kontakt zu türkischen Freunden. Kurz nachdem die Nachrichten von der Katastrophe sich verbreiteten, entschied er sich, vor Ort zu helfen. Setzte sich in den Flieger und flog in die Türkei, schlug sich dort bis zur Millionenstadt Adana durch. "Ich kann ein bisschen Türkisch", berichtet er der MZ am Telefon. Immer wieder unterbricht er das Gespräch kurz, um auch auf Englisch mit Personen im Hintergrund zu reden. Von Adana aus fahre er in die kleineren Orte nahe der syrischen Grenze. Jene, die nicht in den Medien auftauchen. "Teilweise sind hier noch keinerlei Hilfsgüter angekommen, wirklich gar keine", so Boll. Und er bezweifelt, dass sich das in den kommenden Tagen und Wochen ändere.

Auch in Osmaniye, wo er sich während des Interviews am Dienstagvormittag (14.2.) aufhält, sei bisher nichts angekommen. "Dabei gibt es hier so viele Menschen, die einfach nichts mehr haben, nichtmal fünf Euro in der Tasche." Und genau da setze er an. Frage die Leute, was sie am dringensten brauchten, gehe einkaufen und bringe ihnen die Sachen. 600 Euro habe er durch einen online-Spendenaufruf zusammenbekommen, etwa 4.000 weitere habe er aus eigener Tasche aufgebracht. Wie auch die Kosten für einen einwöchigen Hotelaufenthalt für eine Familie mit zwei Babys. "Sie haben gar nichts mehr, sind komplett schutzlos, also habe ich sie nach Adana gebracht. Ich weiß, es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber es ist immer noch besser als wegzuschauen."

Tatsächlich schaut Boll hin, vielleicht mehr, als ihm gut tut. "So viele tote Kinder und Babys, wie ich in den letzten Tagen gesehen habe - da werde ich vermutlich nie wieder richtig schlafen können", sagt er. Er klingt erschöpft, gleichzeitig ist er aber nicht gewillt, schon aufzuhören. "Ich kann nicht verstehen, dass viele deutsche Rettungsmannschaften schon wieder abziehen. Hier werden immer noch Überlebende unter den Trümmern geborgen." Auch an die Mallorquiner und ausländischen Mallorca-Residenten appelliert er: "Jeder kann helfen. Jeder Euro zählt. Ein Euro sind 20 Lira, davon kann ich vier Brote kaufen. Bei dem Unwetter in Sant Llorenç brauchten wir auf Mallorca doch auch Hilfe. Und was uns Deutsche angeht: Deutschland hat den Türken sehr viel zu verdanken. Da darf man einfach nicht tatenlos bleiben."

Noch mindestens eine Woche werde Timo Boll auf jeden Fall in der Türkei bleiben - alleine schon, weil gerade keine Flüge für Ausländer mehr gehen. Wer ihn unterstützen möchte kann dies über eine Spendenplattform tun (hier). Jeder Cent werde für die Hilfe eingesetzt. Eine Kontaktaufnahme mit dem deutschen Mallorca-Residenten ist über seinen Instagramaccount möglich. Hier hält er die Follower auch mit Bild- und Videomaterial auf dem Laufenden. /mwp, somo

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