Wie die Polizei auf Mallorca den Lieferwagen fand, aus dem ein Deutscher auf die Autobahn geworfen wurde

Die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" hat den Leiter der Mordkommission interviewt

Chefermittler Ángel Ruiz von der Nationalpolizei.

Chefermittler Ángel Ruiz von der Nationalpolizei. / Bosch

Die Lage schien aussichtslos. Die Polizei wusste zwar, dass der 20-jährige deutsche Mallorca-Urlauber Tim V. im Oktober 2022 aus einem weißen Lieferwagen auf die Autobahn gestoßen und danach überfahren worden war, Hinweise auf die mutmaßlichen Mörder aber gab es kaum. Ángel Ruiz, Leiter der Mordkommission bei der spanischen Nationalpolizei auf den Balearen, schildert im Interview mit der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" neue Details, wie sein Team den Fall lösen konnte.

Derzeit vermuten die Angehörigen von anderen deutschen Unfallopfern an diesem Autobahnabschnitt, dass es sich ebenfalls um Mord gehandelt haben könnte. Auffällig sind die Parallelen besonders im Fall des 23-jährigen Alexander L. sowie des 21-jährigen Pascal H.

Wie lange hat es im Fall des Deutschen gedauert, bis Sie feststellten, dass es sich um einen Mord handeln könnte?

Die Leiche tauchte an einem Samstagabend auf, und wir übernahmen den Fall am Dienstagmittag. Zunächst sah es nach einem Unfall aus, und die Guardia Civil übernahm die Ermittlungen. Als sie Hinweise darauf hatte, dass es sich um einen Mord handeln könnte, übergaben sie den Fall an ihr Verbrechensdezernat. Da es sich um das Gebiet von Palma handelte, wo wir zuständig sind, nahmen sie Kontakt mit uns auf und übergaben uns die bis dahin durchgeführten Ermittlungen.

Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits einen klaren Hinweis darauf, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelte. Ein Zeuge hatte gesehen, wie das Opfer aus dem Lieferwagen geworfen wurde.

Ja, als uns der Fall übergeben wurde, war bereits klar, dass es sich um ein Verbrechen handelte. Und nicht nur wegen der Zeugenaussage, sondern auch weil niemand das Opfer auf der Autobahn hatte umherirren sehen. Einige Tage später erhielten wir Videoaufnahmen, auf denen der Verstorbene an der Playa zu sehen war. Es war unmöglich, dass er zu Fuß zur Autobahn gelangt war.

Wie haben Sie mit der ungenauen Info "weißer Lieferwagen" die mutmaßlichen Schuldigen ausfindig gemacht?

Es war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zunächst mussten wir die Marke und das Modell bestimmen, was ziemlich kompliziert war. Auf der Grundlage dieser Informationen baten wir den Fahrzeughersteller um Hilfe. Wir wollten herausfinden, wann das Fahrzeug in Spanien auf den Markt gekommen war. So konnten wir die Suche auf fast 100.000 zugelassene Fahrzeuge eingrenzen. Danach haben wir geprüft, welche Person, die dem von uns ausgearbeiteten Profil entsprach, Zugang zu diesem Fahrzeug gehabt haben könnte. Hätte wir keine Person ausfindig machen können, hätten wir die Suche wiederholen und die Kriterien erweitern müssen.

Wie viele Verdächtige gab es?

Letztlich kamen fünf Fahrzeuge infrage. Wir konnten aber nicht nachweisen, dass sie in der Gegend unterwegs waren.

Was war dann der nächste Schritt?

Wir haben die Suchkriterien erweitert. Anfangs suchten wir nur nach unbeschrifteten Lieferwagen. Als wir das änderten und auch den Zeitpunkt der Beschriftung miteinbezogen, fanden wir heraus, dass das Tatfahrzeug wenige Tage nach dem Tod von Tim V. umlackiert worden war.

Gab es weitere Verdächtige?

Schon beim ersten Fahrzeug mit den neuen Suchkriterien passten der Zeitpunkt der Umlackierung, das Profil des Nutzers und dessen Umfeld. Als wir dieses Umfeld unter die Lupe nahmen, bestätigte sich unser Verdacht.

Was kann das Motiv der mutmaßlichen Täter gewesen sein? Tim V. und die Festgenommenen kannten sich nicht.

Nein, sie kannten sich nicht. Wir glauben, dass es ein improvisiertes Verbrechen war. In diesen Fällen geht es meist um Geld.

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