Mallorca war in den vergangenen Tagen Schauplatz von Europapolitik. Der stellvertretende deutsche Außenminister und Staatsminister für Europa, Michael Roth, weilte mehrere Tage auf der Insel, um sich mit seinem spanischen Amtskollegen Juan González-Barba zu bilateralen Gesprächen zu treffen. Zudem traf der SPD-Politiker die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol und den Bürgermeister von Palma, José Hila. Im Mittelpunkt standen bei den Gesprächen die Projekte, die die Insel mithilfe der EU-Wiederaufbauhilfen im Zuge der Corona-Krise finanzieren will. Zum Gespräch mit Roth traf sich die MZ auf Vermittlung des deutschen Konsulats im Brondo Architect Hotel in Palma.

Warum haben Sie sich Mallorca für ein Treffen mit Juan González-Barba ausgesucht?

Es war der ausdrückliche Wunsch meines spanischen Amtskollegen, hierherzukommen. Nicht nur, weil es einer der schönsten Orte der deutsch-spanischen Beziehungen ist, sondern weil einer der Schwerpunkte der spanischen Regierung die Verbesserung der Lage von bewohnten Inseln ist. Mallorca soll ein Modell werden für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und sanften Tourismus.

Welchen Eindruck haben Sie gewonnen? Ist Mallorca auf einem guten Weg dahin?

Als Freund Mallorcas habe ich natürlich die Entwicklung der Insel aufmerksam verfolgt und bin sehr beeindruckt von der mutigen Politik der hiesigen Regierung, frühzeitig auf Nachhaltigkeit zu setzen sowie die Versöhnung von Umwelt, Natur, Tradition, Kultur und Tourismus entschlossen auf den Weg zu bringen. Das finde ich sehr schön, zumal die Insel nach wie vor unter dem Klischee leidet, ein Ort des exzessiven Abfeierns zu sein, wo man sich respektlos gegenüber den hier lebenden Menschen verhält.

Und das selbst dieser Tage. Tausende vor allem junge Menschen kommen an der Playa de Palma zusammen, um ohne Hygieneregeln zu feiern. Wie wird das in Deutschland wahrgenommen?

Leider spricht man zu wenig darüber, was hier alles getan wird, um die Pandemie zu bekämpfen. Davon bin ich sehr beeindruckt. Auf der anderen Seite können wir nur immer wieder dazu auffordern, die wiedergewonnene Freiheit nicht durch Leichtsinn und Rücksichtslosigkeit aufs Spiel zu setzen.

Ist die Politik in Deutschland besorgt über die Party-Urlauber, die durch ihr Verhalten zu einer neuen Welle beitragen könnten?

Natürlich sind wir verärgert über Bekloppte, die es leider überall gibt. Ich kann nur noch einmal appellieren: Es müssen sich alle an die Regeln halten, auch mir geht das Tragen der Maske manchmal auf die Nerven. Aber das ist nach wie vor das beste Mittel. Und vor allem: impfen, impfen, impfen. Das ist die nachhaltigste Antwort im Kampf gegen die Pandemie. Ich mag mir überhaupt nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn wir noch einmal über einen Lockdown zu entscheiden haben. Das halten wir ja weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich aus. Und das betrifft nicht nur diese schöne Insel, das betrifft ganz Europa. Wir haben gerade 750 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen in der EU abzufedern. Ein solches Programm können wir nicht jedes Jahr auflegen. Das gilt auch für Deutschland. Wir sind irgendwann am Limit.

Stichwort EU-Hilfen. Sie waren nach den Treffen mit Francina Armengol und José Hila beeindruckt davon, was mit den Geldern auf der Insel finanziert werden soll. Was im Speziellen?

Erst einmal: Der Schwerpunkt des Aufbauprogramms entspricht exakt den Schwerpunkten, die sich die balearische Regierung gegeben hat: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Digitalisierung oder auch wirtschaftliche Diversität. Und die Pläne waren ja allesamt sehr konkret.

Welche Pläne hat man Ihnen vorgestellt?

Das ging von der E-Mobilität bis zu den erneuerbaren Energien, die man hier massiv ausbauen möchte. Der Tourismus wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Er wird sich aber ändern – zum Besseren. Die Präsidentin der Balearen bekommt ja für ihre mutige Politik nicht nur Lob, sondern da gibt es auch Kritik, weil sie einschneidende Maßnahmen ergreift.

Woran denken Sie da speziell?

Etwa an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, die in letzter Zeit eingeführt wurden. Limits von 30 und 80 km/h – das will was heißen. Ich weiß nicht, ob eine Regierung in Deutschland das politisch überleben würde.

Wie sehr wurde um die 750 Milliarden EU-Hilfen auf europäischer Ebene gerungen? Das sind ja riesige Ausgaben.

Sie sind angesichts der Krise angemessen und notwendig. Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Bisweilen gab es den berechtigten Vorwurf, dass die Solidarität in der EU auf der Strecke geblieben ist. Es liegt aber auch im deutschen Interesse, dass wir Armutsinseln um jeden Preis verhindern. Denn arbeitslose Spanier kaufen keine Produkte aus Deutschland. Das heißt, bei uns sind Arbeitsplätze und Wohlstand bedroht, wenn es unseren Freunden anderswo schlecht geht. Auch wir in Deutschland haben Solidarität anderer erfahren. Das vergessen wir bisweilen.

Sie waren während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch für die Reise-Regeln innerhalb der EU zuständig. Warum gibt es nach knapp eineinhalb Jahren Pandemie immer noch einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Regelungen in Europa?

Ich bedauere das. Natürlich war die Lage am Anfang schwer absehbar, niemand hatte einen Plan. Da setzt man erst einmal auf das, was einem vertraut ist. Aber ich hätte mir gewünscht, dass wir uns stärker auf gleichwertige Maßnahmen verständigt hätten.

Am 1. Juli startet das digitale Covid-Zertifikat. Welche Hoffnung verbinden Sie damit?

Es erleichtert das Reisen, darauf bin ich stolz. Am Anfang gab es in der EU viele Vorbehalte, aber ich habe schon erlebt, wie einfach das geht. Man zeigt die App vor und geht einfach weiter.

Gab es da nicht datenschutzrechtliche Bedenken?

Es gab auch in meiner Regierung am Anfang Vorbehalte. Manche hatten Angst davor, dass die Europäische Union noch einmal den Mund sehr voll nimmt und am Ende nicht pünktlich und zuverlässig liefern kann. Diese Debatte um das Zertifikat spielte sich schließlich auf dem Höhepunkt der Diskussion um zu knappe Impfstoffvorräte ab.

Werden wir im Hochsommer weiterhin ohne Test nach Mallorca reisen können?

Das wird maßgeblich davon abhängen, wie wir mit der Impfkampagne vorankommen und davon, ob wir uns weiter an die Regeln halten. Und es hängt davon ab, wie sich die Mutationen weltweit entwickeln. Wir sind ja keine Festung. Natürlich ist es auf der Insel noch ein bisschen einfacher zu kontrollieren, und zur Not kann man die Insel dichtmachen. Aber das will ja niemand. Wir sind ein offener Kontinent. Das zeichnet die Europäische Union aus.