Der "Oberbürgermeister von Mallorca" über Bürokratiemonster, Müll-Sorgen und Straßenkatzen

Jaume Ferriol ist neuer Vorsitzender des Gemeindetags auf den Balearen (Felib). Im Interview mit der MZ erklärt er die anstehenden Herausforderungen

Jaume Ferriol ist Bürgermeister von Maria de la Salut und neuer Felib-Chef.

Jaume Ferriol ist Bürgermeister von Maria de la Salut und neuer Felib-Chef. / Nele Bendgens

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Wenn es auf den Balearen einen Oberbürgermeister gäbe, dann wäre das Jaume Ferriol. Der Bürgermeister der Gemeinde Maria de la Salut im Inselinnern von Mallorca, dem Pla, hat Ende Oktober den Vorsitz des Verbands der Gemeinden auf den Balearen (Felib) übernommen. Der Vereinigung gehören alle 66 Kommunen auf den Inseln mit Ausnahme der Balearen-Hauptstadt Palma an. Der Politiker der konservativen Volkspartei (PP) hat angekündigt, die pragmatische Linie seines Vorgängers Antoni Salas, Bürgermeister von Costitx, fortzuführen.

Es erscheint fast als eine Art Zugangsvoraussetzung, dass der Felib-Vorsitzende stets auch Bürgermeister eines kleinen Dorfes im Insel- innern von Mallorca sein muss ...

Das wäre nicht schlecht, dann würde immer den Bedürfnissen kleiner Dörfer Rechnung getragen. Auch mein Vorvorgänger kam aus dem Pla, Joan Carles Verd aus Sencelles.

Welche Sorgen umtreiben derzeit die Bürgermeister auf den Balearen?

Unsere größte Sorge ist gerade der Umgang mit den Straßenkatzen, nachdem im September das neue Tierschutzgesetz in Spanien in Kraft getreten ist.

Unsere größte Sorge ist gerade der Umgang mit den Straßenkatzen, nachdem im September das neue Tierschutzgesetz in Spanien in Kraft getreten ist. Es ist sehr viel restriktiver. Früher war die Adoption keine teure Angelegenheit, heute braucht es Chip, Impfung, Sterilisierung. Und wenn der Tierhalter sich nicht kümmert, werden die Gemeinden in die Pflicht genommen. Überlegen Sie mal, wie viele Katzen es in Mallorcas Dörfern gibt.

Sie haben angekündigt, dass Verwaltungsvorgänge, die alle Gemeinden gleichermaßen betreffen, künftig stärker zentralisiert werden sollen. Bislang ist das nur beim Stromeinkauf der Fall. Was genau sind die Pläne?

Auch den Einkauf von Polizeiuniformen oder die Wartung von Aufzügen haben wir bereits zentralisiert. Viele weitere Bereiche werden folgen, zum Beispiel der Erwerb von Fahrzeugen, etwa wenn Hilfen für E-Autos beantragt werden müssen. Wenn alle 66 Gemeinden auf den Balearen Fahrzeuge kaufen, werden 66 Anträge und 66 Berichte angefertigt – ein Bürokratiemonster. Das könnte man zentralisieren. Dasselbe gilt für viele Verordnungen, die 66 Mal aufgesetzt werden. Dafür ließen sich Vorlagen erstellen, und unsere Beamten könnten in der eingesparten Zeit sinnvollere Dinge tun.

Wäre es da nicht folgerichtig, über die Fusion kleiner Gemeinden nachzudenken?

Das wäre sehr kompliziert. Maria de la Salut zum Beispiel gehörte bis vor 90 Jahren zu Santa Margalida. In der Bevölkerung herrscht aber das Gefühl einer eigenen Identität vor, das kann man nicht einfach übergehen.

Was muss sich bei der Anbindung der Dörfer an den öffentlichen Nahverkehr tun?

Im Winterhalbjahr wird der Fahrplan stark ausgedünnt. Das ist in diesem Jahr zum Glück weniger der Fall, aber gerade in den Gemeinden im Pla ist die Anbindung weiterhin sehr defizitär. Um beispielsweise von Maria de la Salut nach Palma zu fahren, benötige ich eine gute halbe Stunde mit dem Auto. Mit dem Bus wären es rund zwei Stunden. Da merkt man, wie wenig in all den Jahren investiert wurde, das lässt sich nicht von heute auf morgen ändern.

Wie viel Hoffnung macht Ihnen da die neue Landesregierung?

Immerhin werden 27 Linien beibehalten, die in den vergangenen Jahren im Winter ausgesetzt wurden. Wir müssen in Vorleistung gehen, neue Sachen ausprobieren. Wenn man immer dasselbe macht, ändert sich nichts.

Warum tun sich die Gemeinden so schwer mit der Mülltrennung? Der Biomüll landet vielerorts weiterhin im Restmüllcontainer.

Da kann ich hoffentlich meine Erfahrung als Bürgermeister von Maria de la Salut einbringen. Wir haben in der Gemeinde bereits vor zwölf Jahren die vollständige Mülltrennung eingeführt, statt Containern gibt es Wertstoffsäcke, die separat pro Haushalt abgeholt werden. Und wer Restmüll entsorgen will, muss dafür einen roten Müllsack bei der Gemeinde kaufen.

Und jetzt werden Sie dafür sorgen, dass das alle Gemeinden so machen?

Das wäre sehr sinnvoll. Die Gemeinden mussten vor rund zwei Jahren die Müllgebühren erhöhen, vor allem wegen der gestiegenen Transportkosten. Je mehr Wertstoffe aber getrennt werden, allen voran der Biomüll, desto mehr sparen die Gemeinden. Das Wichtigste ist, einen gut funktionierenden, zentralen Wertstoffhof zu haben, wo es immer einen Ansprechpartner gibt, und die Container von den Straßen zu verbannen. Das erfordert Investitionen und ziemlich viel Geduld, weil es bei der Umstellung jede Menge Probleme gibt. In größeren Kommunen wie Marratxí ist das zudem komplizierter, aber man kann das ja Viertel für Viertel umsetzen. An dem Thema wird langfristig keine Gemeinde herumkommen.

Sie haben davor gewarnt, dass den Gemeinden zunehmend das Wasser ausgeht.

Jedes Jahr gibt es mehr Gemeinden mit Problemen – nicht nur hinsichtlich der Qualität, sondern das Wasser bleibt ganz und gar aus. Die Landesregierung muss dringend das Wasserleitungsnetz erweitern und in weitere Entsalzungsanlagen investieren.

In den Dörfern geht es darum, eine Laterne oder die Kanalisation instand zu setzen. Das Allgemeinwohl ist keine Frage von links oder rechts.

Vor drei Jahren wurde die Ley Montoro aufgeweicht, ein spanisches Gesetz, das den Gemeinden im Zuge der Wirtschaftskrise von 2008 strenge Auflagen bei den Ausgaben auferlegte. Wie ist die Situation heute?

Wir sind besorgt. Wir haben November und wissen nicht, was am 1. Januar passieren wird. Dann laufen die fiskalischen Ausnahmeregelungen aus, die für den Zeitraum 2021 bis 2023 beschlossen worden waren. Infolge der derzeitigen politischen Situation hat die spanische Regierung noch keinen Haushalt für 2024 verabschiedet, in dem diese Frage geklärt werden muss. Derzeit haben viele Gemeinden Überschüsse aus früheren Jahren, die sie weiterhin nicht ausgeben dürfen, obwohl damit wichtige Investitionen möglich wären, gerade in kleinen Gemeinden. Wir haben vom spanischen Finanzministerium gefordert, die Regeln weiter zu lockern, wurden aber vertröstet.

Die ideologischen Gräben zwischen den Parteien in Spanien vertiefen sich derzeit weiter. Was ist davon auf Gemeindeebene zu spüren? Immerhin haben Sie in Maria de la Salut in der vergangenen Legislaturperiode eine Zeit lang mit der Linkspartei Més koaliert ...

Genau genommen war es nicht Més, sondern eine lokale Gruppierung der Partei. Aber es war letztendlich ganz einfach. Wir haben einfach gesagt: Wir reden nicht über die Monarchie oder den Separatismus. Das hat bestens geklappt. In den Dörfern geht es darum, eine Laterne oder die Kanalisation instand zu setzen. Das Allgemeinwohl ist keine Frage von links oder rechts. Deswegen kann jetzt auch die Koalition von PP und Més in der Gemeinde Capdepera funktionieren, und nicht nur dort.

Wie steht es aus Ihrer Sicht als Vorsitzender der Vereinigung der Gemeinden um die Integration der deutschen Residenten?

Ich kann nur von den Deutschen in Maria de la Salut sprechen, und die sind bestens integriert. Ich sehe sie praktisch jeden Tag in den Bars auf dem Dorfplatz, sie machen bei allen Aktivitäten mit. Wenn ein Ausländer ein Haus in einem Dorf im Inselinnern kauft, will er auch hier leben und sich nicht auf seiner Finca absondern. Ich kann aber nicht für Palma oder andere größere Gemeinden sprechen.

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