Auf diese Schlagwörter und Logos sollten Sie im Supermarkt auf Mallorca besser nicht reinfallen

Strohhalme, Tüten oder Einwegbecher aus Plastik sind weitgehend vom Markt verschwunden. Jetzt glauben wir, mit den angeblichen Bio-Alternativen alles richtig zu machen. Doch die halten in den wenigsten Fällen, was sie versprechen

Besonders bei angeglichenen Alternativen von Plastikbesteck, -tellern, -bechern oder -strohhalmen gilt es genau hinzuschauen.

Besonders bei angeglichenen Alternativen von Plastikbesteck, -tellern, -bechern oder -strohhalmen gilt es genau hinzuschauen. / Save the Med

Simone Werner

Simone Werner

Umweltfreundlich, biologisch, biologisch abbaubar, kompostierbar, nachhaltig, wiederverwendbar, plastikfrei ... Die Schlagwörter, die man auch auf Mallorca auf zunehmend mehr Verpackungen und Produkten liest, hören sich alle erst einmal gut an. Doch was bedeuten die Bezeichnungen und die dazu gedruckten Logos eigentlich genau? Garantieren sie dem Konsumenten wirklich, dass er es mit einem umweltfreundlichen oder weniger schädlichen Produkt zu tun hat?

Sieht man sich im Supermarkt die Produkte, die man regelmäßig kauft, einmal genauer an, fällt auf, dass auf den Verpackungen sehr viele verschiedene Slogans, Farben und Logos prangen. Oft enthalten sie Abbildungen von Blättern, Blumen, Pflanzen oder Pfeile, die auf Recycling hindeuten sollen. Fast immer kommen Grün- oder Brauntöne zum Einsatz (siehe Logos unten rechts). Sie sollen stets einen geringeren ökologischen Fußabdruck in Aussicht stellen. Quasi nie ist für Laien auf Anhieb zu verstehen, was die Abbildungen besagen.

Beispiele für nicht offizielle Logos.

Beispiele für nicht offizielle Logos. / simone Werner

Und hört man sich bei verschiedenen Experten um, welche der Logos überhaupt offiziell zugelassen sind und Konsumenten somit eine Orientierung beim Einkaufen bieten könnten, fällt die Antwort ernüchternd aus: Die wenigsten sind wirklich zertifiziert. „Wenn Sie ein Produkt mit einem offiziellen Logo finden, verleihe ich Ihnen einen Preis“, scherzt Alfonso Rodríguez, Sprecher der Verbraucherschutzorganisation Consubal auf den Balearen. Nur Verbraucher, die sich im Detail mit dem Thema beschäftigen, wüssten, zu welchen Produkten sie guten Gewissens greifen können.

„Falsche Alternativen“

Ob bei Strohhalmen, Besteck, Tellern oder Bechern: Dass Einwegplastik so weit wie möglich aus unserem Alltag verschwinden und durch nachhaltigere Alternativen ersetzt werden soll, ist mittlerweile wohl bei jedem angekommen. Doch so einfach ist es dann doch nicht.

Als oberste Regel gilt, dass der Ersatz eines Einwegprodukts durch ein anderes Einwegprodukt, unabhängig von dem Material, aus dem es hergestellt ist, um jeden Preis vermieden werden sollte. Als „falsche Alternativen“ bezeichnet die Stiftung Save the Med Produkte, die der Öffentlichkeit vorgaukeln, dass ihre Umweltauswirkungen gleich Null oder zumindest geringer sind als die des Produkts, das sie ersetzen.

Als Faustregel gilt: Man sollte immer auf wiederverwendbare Produkte setzen. „Plastik an sich ist nicht automatisch schlecht, jeder Einweggegenstand aber schon. Wenn ein Produkt aus Plastik also wiederverwendbar ist, kann das unter Umständen gut sein“, betont die bei der Stiftung Save the Med arbeitende Umweltwissenschaftlerin Leticia Serramalera.

Die aus dem einstigen Verein Ondine hervorgegangene Stiftung hat einige Tipps zusammengefasst, die man insbesondere auf der Suche nach Kunststoffalternativen beherzigen sollte. Diese sind ausführlich in einem 47-seitigen Leitfaden nachzulesen, der sich eigentlich an Hotels, Restaurants und Catering-Dienste richtet.

Braucht es das wirklich?

Zuallererst sollte man sich laut Serramalera fragen, ob das Produkt, das man vorhat zu kaufen oder zu konsumieren, wirklich notwendig ist. „Braucht man wirklich Strohhalme für eine Party? Reichen nicht einfach nur Gläser?“, gibt die Umweltwissenschaftlerin als Beispiel. Falls man auf ein bestimmtes Produkt nicht verzichten könne, sollte man es in jedem Fall durch ein wiederverwendbares ersetzen, ob aus Glas, Metall oder Papier. „Diese Materialien können deutlich besser recycelt werden als Plastik“, erklärt Serramalera.

Nicht doch aus Plastik?

Dabei kommt der Verbraucher auch nicht drum herum, sich genau anzuschauen, aus welchem Material und aus welchen Inhaltsstoffen die vermeintlichen Alternativen genau bestehen. Dabei gilt es, nicht auf in die Irre führenden Logos hereinzufallen. Denn obwohl auf der Verpackung womöglich anderes versprochen wird, erhalten viele Produkte auch weiterhin Plastik. „Wenn es wie Plastik aussieht und sich wie Plastik anfühlt, ist es das wahrscheinlich auch“, warnt Save the Med.

Vorsicht sei auch bei der Bezeichnung „auf Pflanzenbasis hergestellt“ (origen vegetal) geboten: Aus Pflanzen hergestellte Produkte und Verpackungen können immer noch stark verarbeitet sein. Statt Eigenschaften aufzuweisen, die man Pflanzen zusprechen würde (Fasern, Gewebestruktur, Zerbrechlichkeit etc.), ähneln sie oft vielmehr Plastik (Flexibilität, durchsichtige Farben oder solche, die in der Natur nicht vorkommen).

Papier und Karton

Auch Papier- und Karton-Produkte würden teils als ökologischere Alternativen zu Kunststoff beworben werden. Schaue man allerdings genauer hin, seien es oft Einwegprodukte, die Abfall erzeugen, und die – weil sie wasserdicht sein müssen – zudem eine dünne Kunststoffschicht enthalten. Laut der Stiftung macht es dieser Materialien-Mix unmöglich, die Produkte zu recyceln.

Wirklich kompostierbar?

Zudem weist Serramalera darauf hin, dass für Verpackungen, die als biologisch abbaubar und/oder kompostierbar vermarktet werden, bestimmte Standards und Normen gelten. In der EU werde dafür die Norm EN 13432 verwendet. Unternehmen, die entsprechende Produkte getestet haben, versehen sie etwa mit dem Logo „OK Compost. Tüv“.

Nach diesem Logo kann man auf den Verpackungen im Supermarkt Ausschau halten.

Nach diesem Logo kann man auf den Verpackungen im Supermarkt Ausschau halten.

Ein weiterer Aspekt, den Verbraucher im Hinterkopf behalten sollten: „Kompostierbare“ Produkte sind laut Save the Med nur in Industrieanlagen kompostierbar und können nicht zwangsweise im Garten der Verbraucher kompostiert werden.

Zudem seien nicht einmal alle Kompostieranlagen in der Lage, die Produkte zu verarbeiten. Daher landen sie letztlich auf der Mülldeponie oder werden verbrannt. Auch auf den Balearen sei dies der Fall. Bis dato gebe es zudem keine eindeutigen Nachweise, die die Vorteile dieser Produkte im entstehenden Kompost beweisen.

Der Tüten-Check

Schauen wir uns mit dem Umweltwissenschaftler Lluis Amengual zwei Biomüll-Tüten an: Auf dem Modell „Bolsas compostables para basura 45x48 cm 10 litros rollo 15 unidades“ von El Corte Inglés ist das „OK compost/Tüv“-Logo aufgedruckt, das sich auch auf den Tüten im Obst- und Gemüsebereich in den Lidl-Märkten der Insel findet. „Es bestätigt, dass eine Organisation geprüft hat, dass sie tatsächlich kompostierbar sind. Eine kompostierbare Tüte ist automatisch auch biologisch abbaubar. Umgekehrt ist eine biologisch abbaubare Tüte aber nicht zwangsläufig auch kompostierbar“, so Amengual.

Den als „compostables“ ausgezeichneten und mit über sechs verschiedenen Logos bedruckten Tüten von Mercadona kann er hingegen kein Gütesiegel verleihen. „Die Logos und Begriffe enthalten nicht die eigentlich erforderlichen Informationen. Es ist etwa auch nicht angegeben, nach welcher Norm die Tüten kompostierbar sein sollen“, so Amengual.

Als „kompostierbar“ ausgewiesene Abfalltüten...

Als „kompostierbar“ ausgewiesene Abfalltüten... / Werner

Die Logos sagen so gut wie nichts aus.

Die Logos sagen so gut wie nichts aus. / Werner

Er selbst hält es nicht für notwendig, sich die oft teureren Tüten mit der Aufschrift „compostable“ zu kaufen. Rechtlich verstößt man damit zwar gegen die hierzulande gültigen Gesetze. In der Praxis würden die Tüten aber sowieso geöffnet, das Material ausgekippt und beides voneinander getrennt werden. Statt die richtige Tüte zu kaufen, finde er es viel wichtiger, den Biomüll zu Hause richtig von den anderen Müllsorten zu trennen.

Umweltbewusstere Verbraucher

Leticia Serramalera sieht die Verantwortung eher bei den Produzenten als den Konsumenten. „Sie müssen aufhören, solche Produkte auf den Markt zu bringen oder zumindest, sie als vermeintlich bessere zu bewerben“, mahnt die Expertin. Laut Sebastià Sansó, dem Leiter der Abfall-Abteilung im balearischen Umweltministerium, sind die Verbraucher mittlerweile viel sensibilisierter für das Thema als noch vor einigen Jahren. Er erinnert sich etwa an ein Musikfestival, bei dem die Veranstalter, obwohl es ihnen verboten war, Einwegbecher ausgaben. „Viele Besucher haben in den sozialen Netzwerke auf den Verstoß aufmerksam gemacht“, so Sansó. Ob im Restaurant, im Supermarkt oder bei einer Veranstaltung: Wem ein Fall von Greenwashing oder ein Verstoß auffällt, kann ihn beim Umweltministerium oder der Verbraucherschutz-Behörde melden (Tel.: 971-17 66 84 (Umweltministerium) oder 971-17 79 79 (Verbraucherschutz), E-Mail: residus@caib.es).

Nicht in die Irre führen lassen

Halten wir fest: Biologisch abbaubare oder kompostierbare Kunststoffe wie auch Biokunststoffe sind nur bedingt plastikfreie Alternativen. Ganz im Gegenteil: Sie erwecken fälschlicherweise den Eindruck, dass sie als besonders umweltfreundliche Produkte in kurzer Zeit in der Natur verschwinden können. Dabei können auch sie Produkte auf Erdöl-Basis und andere schädliche chemische Zusätze enthalten. Für deren Abbau wären eigentlich besondere Bedingungen erforderlich. Da ein Großteil der Biokunststoffe zudem Einweg-Produkte sind, fördern sie die Wegwerfkultur. Wiederverwendbare Alternativen sind in den meisten Fällen die wesentlich bessere Lösung.

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