Pflücken streng verboten! Diese Mallorca-Pflanze steht inselweit unter Schutz

Die Strandlilie wächst in Habitaten in Meeresnähe. Ihre Blüten öffnen sich mitten im Sommer und ziehen mit ihrem süßen Duft nächtliche Bestäuber an

Eine Sommerwiese während der Hitze: Die Dünen-Trichternarzisse bildet im Naturschutzgebiet s’Albufereta weitläufige Kolonien.

Eine Sommerwiese während der Hitze: Die Dünen-Trichternarzisse bildet im Naturschutzgebiet s’Albufereta weitläufige Kolonien. / Barbara Pohle

Blüten von Wildpflanzen, so weit das Auge reicht, das ist auf der hitzegeplagten Insel derzeit eine seltene Überraschung. Doch es gibt sie, denn die Strandlilie braucht für ihr Gedeihen und ihre Vermehrung wüstenähnliche Habitate. Eines von ihnen ist das Naturschutzgebiet s’Albufereta bei Alcúdia. Das mit Tauen abgesperrte Terrain schließt sich zum Meer hin direkt an einen Streifen Sand an. Die Erde ist hier fest, mit vielen Muscheln bestückt und reicht auf der anderen Seite bis zum Radweg an der Straße. Der Boden bietet hier ideale Bedingungen für die Überlebenskünstlerin, die weitläufige Kolonien gebildet hat. Das Ganze könnte wie ein Ziergarten wirken, gäbe es da die Nachbarpflanzen nicht, die vertrocknet sind und längst Samen gebildet haben.

Tolle Knolle mit Überlebensstrategie

Die Nachbarn der weiß blühenden sommerlichen Schönheit wachsen kriechend und ducken sich so vor den winterlichen Stürmen und Wellen. Die Trichternarzisse kann sich den Luxus erlauben, ihre Blüten rund 40 Zentimeter in die Höhe zu strecken. Denn während ihrer Blütezeit zwischen Juni und September sind Unwetter selten, und wenn die herbstlichen Stürme kommen, ist ihr Vegetationszyklus schon zu Ende. „Die neuen Blätter wachsen ab Herbst“, sagt Juan Rita, Biologe an der Universität der Balearen. Die spiralenförmig sprießenden, blaugrünen Blätter sind schmal und können eine Länge bis zu 60 Zentimeter erreichen. Doch jetzt liegen sie verwelkt am Boden neben den Blüten.

Der Zeitraum des Vegetationszyklus und die wetterfesten Blätter sind nur ein Teil der Überlebensstrategie, die die Trichternarzisse in diesem harten Klima entwickelt hat. Die Nährstoffe, die es ermöglichen, mitten im Sommer große Blüten zu bilden, sind in den Knollen gespeichert. Diese sind weiß, länglich, von etwa sechs Zentimeter Länge und umgeben von mehreren Membranschichten. Die Nährstoffspeicher stecken bis zu eineinhalb Meter tief in der Erde, hohen Salzgehalt und Trockenheit halten sie ohne Weiteres aus.

Die Blüte einer Trichternarzisse, auch Pancratiium Maritimum genannt.

Die Blüte einer Trichternarzisse, auch Pancratiium Maritimum genannt.William Beniston / William Beniston

Die Tausammlerin

Im Sommer entwickeln sich Blütenstängel, in denen mehrere Blüten stecken und eine Dolde bilden. Für den stattlichen Durchmesser von 15 Zentimetern sind sechs ausgebreitete meist weiße Blütenhüllblätter verantwortlich. Sie sind länglich oval, mit spitzem Ende. Fest mit ihnen verwachsen stehen in ihrer Mitte die trichterförmigen zwittrigen Blütenblätter, die Narzissen ähneln und an ihrem oberen Rand mit zwölf dreieckigen Zähnen enden

Die Trichterform ermöglicht es den Pflanzen, in den Morgenstunden Tau zu speichern, denn Niederschläge sind zur Blütezeit nicht zu erwarten. Die sechs Staubfäden sind auf ihrer gesamten Länge mit den Blütenhüllblättern verwachsen und liegen am obersten Ende frei. Die dünnen Griffel enden in einer quer liegenden Narbe. Die Blüten öffnen sich abends aus dem gleichen Grund, weshalb weiße Gewächse in Gärten gesetzt werden: Sie sind auch in der Dunkelheit zu erkennen.

Die Vermehrung - ein Takeszyklus

Bei Wildpflanzen, wie in der s’Albufereta, dient das leuchtende Weiß dazu, nächtlichen Bestäubern den Weg zu zeigen. Zusätzlich entwickelt die Blüte einen süßen, auch für Menschen angenehmen Duft, der wie eine Wolke über den Blüten schwebt und der nachts besonders intensiv ist. Der Lichtmangel veranlasst nächtlich blühende Gewächse, zusätzliche Lockmechanismen entwickeln. Die chemischen Verbindungen der Duftstoffe sind deshalb flüchtiger als andere. So können sie sogar weit entferne Nachtinsekten erreichen.

So zum Beispiel den Windenschwärmer (Agrius convolvuli), einen nachtaktiven großen Falter. Man erkennt ihn an der graubraunen Musterung von Thorax und Flügeln und an rosafarbenen Streifen auf dem Hinterleib. Die Schmetterlinge saugen ab der Abenddämmerung bis etwa Mitternacht Nektar aus einer Vielzahl von Blüten ab.

Morgens beginnen die Blüten zu welken, mittags senken sie sich schlaff zu den Blättern auf die Erde. Doch am Nachmittag öffnen sich weitere Knospen.

Jede Blüte bildet in der Folgezeit Früchte: eng aneinanderliegende eiförmige Kapseln mit drei Fächern, jede etwa mit zehn Samen. Diese sind pechschwarz, elf bis dreizehn Millimeter groß und von einer korkähnlichen Hülle umgeben. Die Verbreitung der Samen, so die Biologen, erfolgt über das Meer. Auf dem Land schleppen sie etwa Ameisen an andere Stelle.

Ein Bild der geschützten Strandlilien in s'Albufereta

Ein Bild der geschützten Strandlilien in s'Albufereta / Barbara Pohle

Präventiv geschützt

Die Dünen-Trichternarzisse hat viele Namen, sie heißt auch Strandlilie, Seelilie, Möwenzwiebel oder Pankrazlilie (Pancratium maritimum bot., azucena marina span., lliri de mar kat.). Im Alten Testament wird sie als Rose der fruchtbaren Scharonebene gepriesen und deshalb auch Rose von Scharon genannt.

Der botanische Name Pancratium kommt aus dem Griechischen, meint so viel wie „ganz stark“. Die Pflanzengattung zählt zur Familie der Amaryllisgewächse, die für spektakuläre Blüten bekannt sind. Pancratium-Arten kommen auf den Kanarischen Inseln, in Westafrika und im tropischen Asien, im Mittelmeerraum sowie auf den Balearen-Inseln Mallorca, Menorca, Ibiza, Formentera und Cabrera vor. Meist stecken ihre Knollen in festen Dünen, selten auch auf Wanderdünen. Das Gewächs ist in den balearischen Katalog der Balearen für bedrohte Arten aufgenommen worden – es darf also weder gepflückt noch ausgegraben werden, selbst für Forschungszwecke ist eine Genehmigung einzuholen. Denn vielerorts ist die Trichternarzisse durch Bebauung, Strandnutzung oder Sandaufschüttung heftig bedroht, auf Mallorca ist ihr Schutz eher präventiv: „Wir können von Glück sagen, dass diese Wildpflanze bei uns in so großer Zahl gedeiht“, sagt Rita.

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