Vox gibt den Ton vor – wie Konservative und katalanische Separatisten Fremdenhass in Spanien salonfähig machen

Die Rechtspopulisten in Spanien befürchten bei den anstehenden Wahlen Stimmverluste. Ihre Botschaften haben aber längst in anderen Parteien Wurzeln geschlagen

Die Ministerpräsidentin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso.

Die Ministerpräsidentin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso. / Alberto Ortega/ Europa Press

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Die Großdemonstrationen gegen den Rechtspopulismus in vielen deutschen Städten werden auch in Spanien aufmerksam verfolgt. Vergleichbare Proteste blieben hierzulande bislang aus. Doch häufen sich die Anzeichen dafür, dass sich rechtsextremes und fremdenfeindliches Gedankengut ausbreitet, und zwar nicht nur im Fall der rechtspopulistischen Vox, der drittstärksten Kraft im Parlament.

Bis vor wenigen Jahren war Spanien eine Ausnahme in Europa – hier fanden rechtsextreme Parteien keinen Weg in die Parlamente. Das änderte sich mit der 2012 gegründeten Vox, die zunächst bei den Regionalwahlen in Andalusien 2018 mit elf Prozent der Stimmen ins Regionalparlament einzog. Mittlerweile sind die Rechten mit Ausnahme von Galicien in allen regionalen Kammern vertreten. In fünf Regionen regiert Vox in Koalition mit der konservativen Volkspartei (PP), die keine Brandmauer vor den Rechten zieht. In anderen Regionen wie den Balearen gibt es von Vox unterstützte Minderheitsregierungen der PP.

Kraftprobe bei Regionalwahlen

Bei den Parlamentswahlen von Juli 2023 errang Vox mit 12,4 Prozent der Stimmen 33 Mandate – ein Rückschritt gegenüber 2019. Die Partei erlebt derzeit eine interne Krise. Einige prominente Politiker wie Macarena Olona oder Iván Espinosa de los Monteros haben die Partei verlassen. Um eine Gegenkandidatur zu verhindern, hat der Vorsitzende Santiago Abascal den Parteitag auf Ende Januar vorgezogen, um so der einzige Kandidat zu sein.

Am 18. Februar steht Vox eine wichtige Kraftprobe bei den Regionalwahlen in Galicien bevor. Laut Umfragen muss die Partei erneut um den Einzug ins Parlament zittern, wie auch beim bevorstehenden Urnengang im Baskenland. Bei den Wahlen zum Europaparlament im Juni wird sich zeigen, wie stark Vox auf nationaler Ebene noch ist.

Auch wenn die Partei schwächelt, so hat sie doch rechtsextreme Ideen in Teilen der Gesellschaft hoffähig gemacht und Politiker anderer Formationen angesteckt. Die PP übernimmt in Regionen, wo sie auf die Unterstützung der Rechtspopulisten angewiesen ist, stückweise deren Agenda. Anders als rechte Parteien in Ländern wie Deutschland, Italien oder Frankreich geht Vox nicht vornehmlich mit rassistischen Äußerungen gegen Migranten auf Stimmenfang. Das Feindbild sind vielmehr vor allem die Separatisten in Katalonien und dem Baskenland sowie die Sozialisten von Premier Pedro Sánchez mit ihrem linken Koalitionspartner Sumar, die dank der Befürworter der Unabhängigkeit regieren können. Außerdem wettert Vox gegen den Feminismus oder die LGTBI-Bewegung.

Angst vor minderjährigen Migranten

Doch machen die Rechtsextremen natürlich auch mit Fremdenhass Stimmung. Sie schüren die Angst vor unbegleiteten, minderjährigen Migranten, den Menas. Vox lässt dabei kaum eine Gelegenheit aus. So fuhr vor Kurzem Rocío Monasterio, die Sprecherin der Partei im Rathaus von Madrid, ins benachbarte Alcalá de Henares. Dort hatten vier Bewohner eines Flüchtlingsheims eine Auseinandersetzung, es gab Verletzte. Monasterio verlangte die Schließung der Anstalt und die Ausweisung der mehr als tausend Geflüchteten.

Einen Tag davor hatte die Ministerpräsidentin der Region Madrid ebenfalls vor dem Lager einen kontroversen Auftritt. Isabel Díaz Ayuso, die dank einer absoluten Mehrheit auf die Stimmen von Vox verzichten kann, äußerte sich besorgt über die Situation im Auffanglager. „Es wird auch wegen sexueller Übergriffe auf Frauen aus der Stadt ermittelt“, erklärte Díaz Ayuso. Die linke Opposition in der Hauptstadt, Más Madrid, warf der PP-Politikerin „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“ vor. Der Delegierte der Zentralregierung, Francisco Martín, sprach von einer „unmöglichen Kriminalisierung der Migranten“ und dementierte Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs gegen Bewohner des Lagers.

Díaz Ayuso ruderte tags darauf zurück. Ihre Parteifreunde bei der PP nahmen sie vor den Vorwürfen in Schutz. „Die einzigen, die mit einem fremdenfeindlichen und rassistischen Diskurs Kriminalität und Migration in Verbindung bringen, sind die Partner von Pedro Sánchez“, erklärte Cuca Gamara. Die Nummer zwei der PP spielt dabei auf die Partei Junts an. Die katalanischen Separatisten hatten den Sozialisten von Sánchez jüngst eine Abtretung der Zuständigkeiten bei der Einwanderungspolitik von der Zentralregierung an Katalonien abgerungen, im Gegenzug für notwendige Stimmen bei drei Gesetzespakten.

Fremdenhass in Katalonien

Wie eine solche Übertragung aussehen soll, ist unklar. Doch geht es Junts offenbar darum, den Eindruck zu vermitteln, dass man das Thema Migration in die Hand nehmen will. Denn in Katalonien ist eine neue fremdenfeindliche Partei auf den Plan getreten. Aliança Catalana fordert in ihrem Programm nicht nur ein unabhängiges Katalonien, sondern auch eine Begrenzung der Einwanderung auf ein Maß, das die „Anpassung an die katalanische Kultur“ ermögliche. In der Kleinstadt Ripoll wurde Parteigründerin Silvia Orriols dank Junts Bürgermeisterin. Die Sozialisten kritisieren, dass sich Junts, eine bürgerliche Partei, von der neuen Konkurrenz die Agenda vorgeben lasse.

Auch andernorts wagen sich rechtsextreme Gruppen aus der Deckung. So wurden vor Kurzem bei Protesten vor der Madrider Parteizentrale der Sozialisten ungeniert Flaggen der Franco-Diktatur und Hakenkreuze getragen. In Palma klebt eine rechtsextreme Gruppe namens Identitas rassistische Plakate mit der Aufschrift: „Wir exportieren Ingenieure und importieren Macheten-Schwinger“.

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