"Keine Entscheidung gegen Israel": Spanien bezieht in Sachen Palästina Stellung

Die Anerkennung des Staates Palästina durch die Zentralregierung wird zum politischen Spielball. Aber Sánchez weiß in Sachen Palästina die Mehrheit der Spanier hinter sich

Palästinenser sehen die Zerstörung in einem Flüchtlingslager, das auch bei einem israelischen Angriff auf ein Ziel in Rafah getroffen wurde. Bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt Rafah im Gazastreifen sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 30 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden.

Palästinenser sehen die Zerstörung in einem Flüchtlingslager, das auch bei einem israelischen Angriff auf ein Ziel in Rafah getroffen wurde. Bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt Rafah im Gazastreifen sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 30 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. / Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Spanien hat seit langer Zeit eine recht aktive Rolle im Nahostkonflikt um Palästina eingenommen. So fand 1991 in Madrid die erste große Friedenskonferenz statt, die den Grundstein für die Osloer Abkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsfront (PLO) zwei Jahre später legte. Der Lösungsversuch ist angesichts des Krieges im Gaza-Streifen hinfällig. Doch am Mittwoch (29.5.) war Madrid erneut Schauplatz eines Treffens von Delegationen aus arabischen Staaten. Der Ministerpräsident von Palästina, Mohammad Mustafa, sein Amtskollege aus Katar, Scheich Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al Thani, sowie die Außenminister von Jordanien, Saudi-Arabien und der Türkei berieten sich in der spanischen Hauptstadt über eine mögliche Friedenslösung.

Anders als 1991 schickte Israel keine Delegierten nach Madrid. Denn die offizielle Anerkennung des Staates Palästina durch Spanien, zusammen mit Norwegen und Irland, am Tag zuvor, hat bei der Regierung von Benjamin Netanyahu eine mächtige Verärgerung ausgelöst. Mit den drei Ländern haben nun 146 Mitglieder der Vereinten Nationen Palästina als eigenen Staat anerkannt, elf davon aus der Europäischen Union. Demnächst werden Slowenien und wahrscheinlich Belgien, Malta und Griechenland hinzukommen. Im Grunde stehen auch andere Regierungen hinter der Zwei-Staaten-Lösung, die von der UNO-Resolution gedeckt wird. Doch ist es für viele der falsche Moment zu einem solchen Schritt, wie ihn Spanien getan hat.

Ein Mann hält den Leichnam eines bei einem israelischen Angriff getöten Kindes . | FOTO: OMAR

Ein Mann hält den Leichnam eines bei einem israelischen Angriff getöten Kindes . / FOTO: OMAR

Entscheidung richtet sich nicht gegen Israel

„Unsere Entscheidung richtet sich gegen niemanden, erst recht nicht gegen Israel, ein befreundetes Volk, welches wir respektieren und mit dem wir die bestmöglichen Beziehungen haben wollen“, erklärte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Dienstag (28.5.) in einer institutionellen Ansprache in seinem Amtssitz. Der Sozialist verurteilte erneut die Terrororganisation Hamas und betonte, dass die Palästinensische Autonomiebehörde der einzige Ansprechpartner sei. Für Spanien gelten nun die Grenzen von 1967, wobei der Gaza-Streifen mit dem Westjordanland und Ost-Jerusalem als palästinensische Hauptstadt durch einen Korridor verbunden werden sollen.

Während am Rathaus von Ramallah im Westjordanland am Dienstag die Flaggen von Spanien, Norwegen und Irland gehisst wurde, fiel die Reaktion der israelischen Regierung auf den diplomatischen Vorstoß der Europäer extrem scharf aus. „Wir werden denen Schaden zufügen, die uns schaden“, drohte der Außenminister, Israel Katz. Vor Tagen hatte sein Ministerium Videos auf sozialen Netzwerken verbreitet, die unter dem Titel „Hamas bedankt sich bei euch“ Szenen des Terroranschlags vom 7. Oktober mit Bildern von Flamenco-Tänzern, sowie irischem und norwegischen Folk verbinden. Netanyahu hat seine Botschafter aus Madrid, Oslo und Dublin abgerufen. Spanien sieht von dieser diplomatischen Eskalationsstufe ab.

Ministerpräsident Pedro Sánchez bei seiner Rede am Montag (29.4.).

Ministerpräsident Pedro Sánchez. / DM

Wie es wenige Tage vor den Wahlen zum Europaparlament nicht anders sein könnte, wurde die historische Anerkennung des Staates Palästina auch zum innenpolitischen Spielball. Sánchez bekam für den Schritt Applaus, aber den linken Bündnispartnern seiner Minderheitsregierung ging das trotzdem nicht weit genug. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Yolanda Díaz verlangte die Einbestellung der spanischen Botschafterin in Tel Aviv und ein Waffenembargo gegen Israel. Die Vorsitzende des Linksbündnis Sumar hatte vor Tagen für Aufregung gesorgt, indem sie das umstrittene Motto der Palästinenserbewegung „Vom Fluss bis zum Meer“ benutzte. Israels Außenminister Katz postete ein Bild von Díaz mit den Führern von Hamas und dem iranischen Regime. Die Linkspartei Podemos warf Sánchez ihrerseits vor, nicht den Begriff „Genozid“ für das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza anzuwenden.

Treffen der Rechtsextremen mit Netanyahu

Am anderen Extrem des politischen Spektrums stattete der Vorsitzende der rechtsextremen Vox, Santiago Abascal, Netanyahu just am Tag der offiziellen Anerkennung Palästinas durch Spanien einen Besuch ab. Sollte er einmal Ministerpräsident werden, würde er diese Entscheidung sofort rückgängig machen, versprach Abascal. Über Vorschläge aus den Reihen des Netanyahu-Lagers, dass Israel als Repressalie die Unabhängigkeit Kataloniens, des Baskenlandes und anderer spanischer Landesteile anerkennen solle, sprachen die beiden rechten Politiker offenbar nicht.

Etwas ratlos zwischen den Stühlen sitzt in diesem Konflikt die konservative Volkspartei. Vor zehn Jahren hatte die PP im spanischen Unterhaus der Anerkennung Palästinas zugestimmt, auch wenn der Beschluss lange folgenlos blieb. Es sei heute nicht der richtige Moment für diesen Schritt, verteidigt sich die größte Oppositionspartei. Die Konservativen werfen Sánchez vor, mit dem Konflikt in Palästina Wahlkampf zu betreiben und Vorwürfe wegen angeblicher Korruption in seinem Umfeld zu verdecken. Die Anerkennung Palästinas dürfte aber nicht nur bei Wählern und Wählerinnen des linken Spektrums gut ankommen. Laut einer Umfrage des renommierten Forschungsinstituts Real Instituto Elcano von April sind 78 Prozent der Befragten für einen palästinensischen Staat und nur 18 Prozent dagegen.

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